Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstfreund — Band 1.1874

DOI Heft:
Literarische Rundschau
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.56232#0172

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
166

Endlich sind die Stufen des Amphitheaters erklommen. Es brausen die Vier-
gespanne mit Windesschnelle an uns vorüber: wer sähe sie und betheiligte sich nicht
an den tausenden von Wetten. Und nun am Ziele! Gutta, des Volkes Liebling,
er hat gesiegt, und huldigend liegt Rom zu seinen Füssen.
Und weiter zur Tafel Luculls mit ihren unmässigen Freuden und seltenen Ge-
nüssen, mit ihren berauschenden Wohlgerüchen und der magisch wechselnden Be-
leuchtung, in deren Strahlen graziöse Tänzerinnen auf- und niederschweben, Gladia-
toren und Andabatae fechten, um den Schwelgern die Pausen des üppigen Mahls
zu kürzen. In goldenen Strömen fliesst der Wein; die blauen Veilchenkränze ver-
drängen grüne Laubgewinde, Gott Bacchus zu Ehren.
Die wilden Gelage im Rosensaal enden die würdige Feier, die Lydia, Luculls
zärtlich-weise Gattin, ersonnen, die Neider des Gemahls zu bethören, der Trunkenen
Ränke und Pläne zu entlocken. Sie hat nach Weiberart erreicht, was sie gewollt:
„Mithridates ist besiegt. Auf nun nach Rom.“
Wir aber wenden uns mit kühnem Sprung hinüber nach Afrika’s sandiger
Küste, wo Karthago, der Römer Stolz, seine Pracht entwickelt. — Ein Hochzeits-
fest nach römischer Sitte; wer fühlte nicht Anregung, den Ehrentag der schönen
Sempronia Planta mitzufeiern, der jungen Braut, die der finstere Galerius heim-
führt, im Herzen das Bild der jungen Christin tragend. Vivia Perpetua hatte,
treu ihrem Glauben, den verführerischen Bitten des römischen Proconsuls kein Ohr
geliehen, und das junge Weib, das er heut zur Frau genommen, fand den Platz im
Herzen des Gemahls von einer andern Liebe behauptet. Auch sie starb als Christin,
ein Opfer ihres neuen Glaubens. Ueber Galerius aber schlugen die Wellen des
Bagradas zusammen und erfüllten das grausame Geschick, das er selbst verschuldet.
Und nun genug der Farben.
Warum noch Dominitians erwähnen und der unglücklichen Jezabel? Oder
Julianna Stella’s, den Stern des Equilins? Ich kann nur rathen, dass ein Jeder
das Buch selbst zur Hand nehme und sich erfreue an den lebensfrisehen Scenen,
die einem ernsten Studium, vereint mit glühender Phantasie entsprungen. Man
braucht nicht gerade Culturhistoriker oder römischer Geschichtsforscher zu sein, um
zu gestehen, dass das kleine Werk das wärmste Interesse für Zeit und Sitte weckt,
und zu wünschen,? dass es sich den Weg bahnen möchte, den es angestrebt.

Vor uns liegen 2 Bände gesammelter The ater er inner ungen aufgezeichnet
von G. zuPutlitz, (Verlag von Gebr. Paetel, Berlin) dem liebenswürdigen Ver-
fasser des poetischen Märchenstrausses „Was sich der Wald erzählt“, mit dem er
sich Aller Herzen gewonnen. Die innere Form des kleinen Werkes zerfällt gleich
der äusseren in zwei Theile: den einen füllen die Erinnerungen an seine drama-
tische Schriftstellerlaufbahn, den andern an seine Directionsthätigkeit in Schwerin.
Der Verfasser hat es, geschickt und bescheiden zugleich, verstanden, den Haupt-
accent auf die mannigfachen Reminiscenzen an interessante Verhältnisse und Per-
sönlichkeiten zu legen, oft die lichtesten Momente in dem Schaffen mit dem Theater
und für dasselbe. Wem von älteren Theaterbesuchern ginge nicht das Herz auf bei
der Erinnerung an Auguste Crelinger, Lina Fuhr, Charlotte von Hagn, Julie.
Rettich, Louise Neumann, die talentvolle Tochter ihrer talentvollen Mutter (Hai-
zinger), Henriette Sonntag und die Rachel?
Hendrichs, der letzte Romantiker, Bogumil Dawison; wer freute sich nicht
durch die lebensvolle Wiedergabe Putlitz’ entschlafene Erinnerungen wieder zu er-
wecken. Und doch, trotz aller dieser Rosen, die an seinem Wege geblüht, blieb
seine Thätigkeit als dramatischer Schriftsteller ein rauher Pfad, dessen Dornen die
Kritik, die Laune des Publikums, die Intrigue des Theaterbüreaus waren.
Die seltene Bescheidenheit Putlitz’, seine liebenswürdige Milderung schroffer
Verhältnisse machen die Schilderung seiner Misserfolge meist zu humoristischen
Skizzen, denen ein leichter Anflug von Selbstironie nicht fehlt, während er mit
rührender Dankbarkeit seiner Erfolge gedenkt, die er selten dem eigenen Verdienst,
sondern dem Talent der Schauspieler oder der Gunst des Publikums zu danken
glaubt. Wir erinnern uns an die Aufführung des „Testament des grossen Kur-
 
Annotationen