Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

DOI issue:
1. Oktoberheft
DOI article:
Schmitz, Hermann: Der Hausbuchmeister im Kunstgewerbe, [2]
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0052

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
diese gemein. Die prächtige Minuskel auf den Spruch-
bändern findet sich auf den ähnlich geschwungenen In-
schriftbändern des Gothaer Liebespaares wieder. Sogar
die sonst nicht vorkommende Zusammenstellung der
weinroten, grünen, braunen und grauen Farben des
Teppichs scheint uns den Tönen der Bilder nahezustehen,
so daß wir nicht nur eine bloße Vorzeichnung, sondern
einen richtigen Karton des Meisters als Unterlage annehmen
können. Schließlich atmet die zweite Szene, die Ver-
suchung Susannas, mit der blumenbewachsenen bach-
durchströmten Wiese mit Obstbäumen im Hintergründe
das feine Natur- und Raumgefühl des Meisters. Die
Bestimmung des Teppichs auf eine Mainzer Wirkerwerk-

stellt worden sind, haben wir seine Werkstatt auch als
eine der gesellenreichen Unternehmungen anzusehen, wie
sie in der Einleitung geschildert worden sind. Bezeich-
nender Weise haben die beiden genannten Rücklaken nur
geringe Berührungspunkte mit den voraufgehenden Wirk-
arbeiten der Mainzer Gegend. 5)

Auch für die Goldschmiede, die, wie eingangs
gesagt, gerade mit den rheinischen Stechern und Malern
so zahlreiche Beziehungen verknüpft, hat der Hausbuch-
meister Entwürfe geliefert. In der Erlanger Handzeich-
nungssammlung ist die von Geisberg auf den Hausbuch-
meister bestimmte Zeichnung für einen zylindrischen,
nach oben erweiterten Deckelbecher mit drei keulen-

Abb. 8. Susanna vor Gericht und Daniels Urteilsspruch. Mainzer Wirkteppich um 1500.

Berlin, Kunstgewerbemuseum.

statt wird außer durch die philologischen und stilistischen
Gründe durch einen noch in Mainz im Kapitelsaal des
Domes befindlichen langen Wandbehang mit dem Stamm-
baum Christi und der Jahreszahl 1501 erwiesen, der nach
der gleichen Technik der groben senkrechten Verzah-
nungen ganz zweifellos mit dem Susannateppich ein
und derselben Werkstatt entstammt. (Abb. 10.) Auch
hier wird man in der reichen Faltenzeichung und ein-
zelnen Kopftypen, namentlich der Männer, wie in den
Minuskeln der Inschrift und in den Blumenornamenten
Anklänge an den Spätstil des Hausbuchmeisters verspüren,
indes geht in diesem Falle der Entwurf über eine
Werkstattszeichnung kaum hinaus. Nach der weiten
Verbreitung des Hausbuchmeisterstils am Mittelrhein und
Main, in der Pfalz und im Hessischen, wo in den letzten
Jahren ständig neue Altarbilder seiner Richtung festge-

bewehrten Waldmenschen oder Bauerntölpeln als Füßen
erhalten. (Abb 11.) Diese Becher-Form kommt gerade
im Hausbuch mehrfach bei den Trinkgelagen vor. Nicht
minder häufig findet sie sich in dem Kreise des Meisters

5) Dagegen berührt sich mit dem Susannenteppich und dem
Stil des Hausbuchmeisters, der kürzlich in das Kaiser Friedrich-
Museum gelangte, gleichbedeutende ebenfalls mittelrheinische
Bildteppich mit der Geschichte des verlorenen Sohnes aus
dem Jahre 1517. Dieses prächtige Rücklaken wird mit dem Su-
sannenteppich gemeinsam eingehend besprochen und vollständig
abgebildet werden in einem der nächsten Hefte der amtlichen
Berichte der Staatl. Kunstsammlungen. Im Zusammenhang mit
der Gesamtgeschichte der deutschen Bildwirkerei, der Spätgotik,
werden beide Teppiche behandelt in dem während des Herbstes
erscheinenden vom Kunstgewerbemuseum herausgegebenen Buch
Schmitz „Gewirkte Bildteppiche, Entwicklungsgeschichte der
Gobelinkunst“.

48
 
Annotationen