Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen
— 1.1919/20
Zitieren dieser Seite
Bitte zitieren Sie diese Seite, indem Sie folgende Adresse (URL)/folgende DOI benutzen:
https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0193
DOI Heft:
1. Januarheft
DOI Artikel:Fechter, Paul: Expressionismus und Theaterdekoration
DOI Seite / Zitierlink:https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0193
seit Jahrtausenden, seit die menschliche Seele nach der
Geburt des Christentums sich im ersten Innenraum den
ersten Spiegel ihrer Seele schuf. Nur das Licht bringt
den Raum zum Klingen, von dem großen einfachen Strom,
mit dem es rauschend durch die Wölbung des Pantheons
bricht, bis zu dem unerhörten Raffinement, mit dem die
Barockbaumeister es verwendeten — zu den riesigen
metaphysischen Theaterdekorationen ihrer Innenraum-
welten. Sie hatten nur das natürliche Licht: das heutige
Theater mit seinen unbeschränkten Möglichkeiten der künst-
lichen Beleuchtung kann hierin noch unendlich viel mehr.
Und hier liegt wohl auch der Weg, auf dem die Dekoration
dem Expressionismus, dem reinen Ausdruck am nächsten
kommen kann. Auf diesem Wege kann der Raum farbig
zum Klingen kommen mit Licht- und Schattenschichten,
Höhen- und Tiefenerlebnissen, mit dem unwirklich Werden
von Dingen und Wesen, ohne daß ein empfindliches
Auge sich an dem Widerspruch zwischen realen Menschen
und gemalter Leinwand als ihrer Umwelt stößt. In dem
ersten der beiden Kokoschkaeinakter bei Reinhardt gab
es ebenfalls bereits Ansätze dazu: weitere Möglichkeiten
sah man bei Berger. Hoffen wir, daß hier bewußt weiter
gearbeitet wird; hier ist der wirkliche Expressionismus
des Theaters zu schaffen.
Hans Meid
„Fröhlich sei mein
Abendessen“
Aus „Don Juan“
Paul Cassirer,
Berlin
189
Geburt des Christentums sich im ersten Innenraum den
ersten Spiegel ihrer Seele schuf. Nur das Licht bringt
den Raum zum Klingen, von dem großen einfachen Strom,
mit dem es rauschend durch die Wölbung des Pantheons
bricht, bis zu dem unerhörten Raffinement, mit dem die
Barockbaumeister es verwendeten — zu den riesigen
metaphysischen Theaterdekorationen ihrer Innenraum-
welten. Sie hatten nur das natürliche Licht: das heutige
Theater mit seinen unbeschränkten Möglichkeiten der künst-
lichen Beleuchtung kann hierin noch unendlich viel mehr.
Und hier liegt wohl auch der Weg, auf dem die Dekoration
dem Expressionismus, dem reinen Ausdruck am nächsten
kommen kann. Auf diesem Wege kann der Raum farbig
zum Klingen kommen mit Licht- und Schattenschichten,
Höhen- und Tiefenerlebnissen, mit dem unwirklich Werden
von Dingen und Wesen, ohne daß ein empfindliches
Auge sich an dem Widerspruch zwischen realen Menschen
und gemalter Leinwand als ihrer Umwelt stößt. In dem
ersten der beiden Kokoschkaeinakter bei Reinhardt gab
es ebenfalls bereits Ansätze dazu: weitere Möglichkeiten
sah man bei Berger. Hoffen wir, daß hier bewußt weiter
gearbeitet wird; hier ist der wirkliche Expressionismus
des Theaters zu schaffen.
Hans Meid
„Fröhlich sei mein
Abendessen“
Aus „Don Juan“
Paul Cassirer,
Berlin
189