Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

DOI issue:
1. Februarheft
DOI article:
Cartellieri, Otto: Vergessene Heidelberger Maler der Romantik
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0229

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Issel da (geb. 1785, gest. 1870). Auch er wirkt in
der Zeit der Romantiker, und doch kann man ihn nicht
als solchen ansprechen. So enthusiastisch und geistes-
sprühend, voller Pläne und Unrast er war, daß selbst
die so strahlend begonnene Freundschaft mit Platen jäh
auseinanderbrach, und daß ein Karl Fohr, den er mit
sich nach Darmstadt nahm, sich vor ihm zurückzog, so
fein, intim und aufs Kleinste konzentriert ist er in seinen
Bildern, ln der Realistik, mit der er die Landschaft er-
faßt, um sie ohne jegliches Dazutun, liebevoll ihre Art ver-
stehend, wiederzugeben, ist er den norddeutschen Meistern
jener Zeit weit vorangeeilt. Leider bleibt er Neuerer
nur für sich selbst und wird vergessen; kein Schüler
bildet das Erbe weiter. Und das ist sehr zu bedauern;
denn Werke wie seine Bodenseebilder sind in der Licht-
und Luftwirkung der feuchten Atmosphäre Perlen der
Landschaftskunst! Wir bringen hier die „Landschaft am
Untersee“ (Abb. 5) mit ihrer entzückenden Wasserspiege-
lung Welch erfrischende, sonnige Ruhe geht von diesem
Bilde aus!

An Ruisdael’s feierliche Geste erinnert das „Haus
an der Brücke“. (Abb. 6.) Wie realistisch und durch
den Adel der Beleuchtung gehoben ist der ländliche
Vorwurf! Die Niederländer ziehen ihn besonders an; er
kopiert sie mit täuschender Ähnlichkeit.

Im Gegensatz zu der Sucht seiner Zeit nach dem
Phantastisch-Romantischen, wächst in ihm immer mehr
die „Andacht zum Unbedeutenden“, von der Boisser£e
einmal sprach. Die großartigen Bodenseebilder ent-
standen um 1815, später lauscht er immer tiefer hinein
in die Poesie des deutschen Waldes, malt stille Winkel,
Wege, Schwarzwaldhäuser, oder auch nur einen großen,
knorrigen, in den Nebel sich reckenden Baum. Den
eigenen Zauber eines „Waldtümpels“, des „Neckartals

bei Schlierbach“, ja selbst einer Landschaft im Regen
(„Seeshaupt am Starenberger See“) hat keiner so erfaßt
wie er!

Die Berliner Jahrhundert-Ausstellung wies schon .

wenn auch ungenügend — auf ihn hin, da sie die frühe
Zeitspanne, in der er seine Werke schuf, und sein Leben
nicht zu klären vermochte. Unter anderem brachte sie
das interessante Vedutenbild, das drei Pariser Kirchen
in eigentümlicher Gruppierung, von einem ganz un-
gewohnten Standort aus gesehen, wiedergibt.

Man ist geneigt, Issel als den ersten Impressionisten
anzusprechen; neuerdings bietet aber die „Nachlese
Heidelberger Maler der Romantik“, die den Ausklang
der großen Sommer-Ausstellung bildet, eine große Über-
raschung in Gestalt zweier Ölstudien, die noch aus dem
18. Jahrhundert stammen, und hinter denen man einen
der Kobell vermuten könnte: zwei Landschaften aus der
Umgebung von Mannheim, die einen Liebermann voraus-
ahnen lassen.

Durch die Munifizenz des Großherzogs von Hessen,
der viel Interesse an Issel hatte, ihn zum Kammersekretär,
später zum Hofrat ernannte, konnte er seine vielen
schönen Reisen nach Frankreich und Italien, nach Öster-
reich und der Schweiz machen. Um 1840 zieht er ganz
nach Heidelberg, wo er 1870 stirbt. Gemalt hat er nach
1840 nur noch wenig, lebte hauptsächlich als Sammler
und Kunstkritiker. Der junge Feuerbach hing mit be-
geisterter Liebe an ihm.

Sobald man erst einmal das endgültige Urteil über
Issel und G. Ph. Schmitt fällen kann, werden die An-
fänge der deutschen Landschaftsmalerei neu zu datieren,
gar manche Abhängigkeiten, Zusammenhänge, Verwandt-
schaften neu festzustellen sein.

Abb. 3

225
 
Annotationen