Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

DOI issue:
1./2. Märzheft
DOI article:
Schuchhardt, Carl: Echte und falsche Merowingische Goldsachen
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0280

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
schmit sowohl wie Forrer nennen in dieser Auffassung
die Bänder unumwunden Schlangen- oder Drachenleiber.
Sie werden auch wohl recht haben. Wir befinden uns
in der Zeit, wo die Künstler gern erst ganz von Ferne
solch ein Spiel mit Tieranähnelung treiben. Es giebt
eine bayrische Rundbrosche (Lindenschmit A. h. V.
I. Xll. 8., Handbuch Taf. XXI 3) wo die Köpfe nur ein
klein wenig deutlicher als in Wittislingen und damit
doch schon ganz unbezweifelbar geworden sind. Aber
für solche zarten Andeutungen war das Auge unseres
Nachahmers noch nicht reif, und archäologische Texte
liest ein Künstler oder Techniker nicht
gern. So ist diese Wittislinger Finesse bei
der Nachahmung unter den Werktisch ge-
fallen; die betreffenden Stellen wirken bei
ihm leer und dumm gegen das lebendig
witzige Original. Außerdem ist die getreue
Wiederholung aller Drahtschnörkel auf dem
Boden der Goldscheibe dem modernen
Arbeiter sichtlich unbequem gewesen. Beim
Einzwängen der doppelten und dreifachen
Flechtlinien in die engeren Schleifen und
Zwickel hat die Klarheit des beabsichtigten
Ornamentes zuweilen gelitten.

Sehr viel freier hat er sich deshalb von vornherein
gestellt, als er daran ging ein zweites Mal das Wittislinger
Stück nachzuahmen (Abb. 3). In einem Zuge hat er jetzt
das Almandinband mit 4 gegen den Rand gestellten

Abb. 5. Falsch. Angeblich von Kärlich.

G. v. Sch. 323.

will, das erste Unterscheidungsmerkmal für echt und un-
echt. Eine so glänzende Oberfläche und so unberührte
Konturen der geflochtenen und gekörnten Drähte wie die
meisten Scheiben der Schweppenburgschen Sammlung
sie aufweisen, können Stücke beim Jahrhunderte langen
Liegen in der Erde sich nicht wohl bewahren. Der Unter-
schied, den in dieser Beziehung echte Stücke wie Abb. 4
und 7 gegen die falschen 5, 6 und 8 zeigen, ist augen-
fällig. Wie stehen bei 7 die einfachen Kreise nur noch
als hingehauchte Linien, gleichsam wie die Ringe geplatzter
Seifenblasen auf dem Grunde, und wie ist dagegen bei
den neuen jede Drahtbretzel grell und jede
Flechte und jede gekörnte Krone scharf

und hart.

Aber es kommen immer noch andere
Merkmale hinzu. Mehrere Stücke jener

Sammlung haben neben dem Belag mit

Drahtgeschlingen um die eingesetzten Steine
herum eine feine Perlreihe oder ein ge-

stricheltes Band, die durch Eindrücke von
der Rückseite der Goldplatte her erzeugt
sind. Diese Unbequemlichkeit, das Plätt-
chen teils von vorn, teils von hinten
zu bearbeiten haben die antiken Gold-
schmiede gern vermieden. Wo sie von rückwärts
punzen, verzieren sie in dieser Technik möglichst
auch das ganze Stück, setzen daneben nur die Steine

ein und legen vorn keine Drähte auf (Abb. 4).

Abb. 6. Falsch. Angeblich von Ochtendung.
G. v. Sch. 310.

Abb. 4. Echt. Süddeutschland.

M. f. Völkerk. Berlin IIc 3888.

Schleifen durchgeführt. Damit wurde das hübsche Mittel-
viereck des Originals wieder hergestellt und die Endigungen
mit den unverstandenen Tierköpfen vermieden. Zwischen
die Schleifen wurden vier neue kleine Steinkreuze gelegt
und der Boden mit den üblichen Bandschnörkeln bedeckt.
Die Hand ist unserm Fälscher nun schon erheblich
flotter und der Sinn skrupelloser geworden.

Was bei diesen drei interessanten Stücken in der
Abbildung kaum hervortritt, daß das Original eine merk-
liche Patina zu haben pflegt, daß es mindestens blind ist,
wenn nicht gar etwas zerfressen gegen die blanken neuen
Stücke, das bildet bei denen, die ich weiter besprechen

Es hat das auch seinen aesthetischen Grund. Das
rückwärtige Punzen bringt vorn nur eine weiche, flaue
Erhebung hervor, die schlecht Stand hält gegen die
scharfschattenden Linien der aufgelöteten gekörnten und
geflochtenen Drähte. Bei einem Stück wie Abb. 4 möchte
man sich eine Drahtverzierung nicht gern hinzugefügt
denken. Aus diesem aesthetischen Grunde sind auch bei
den Schweppenburgschen Broschen, wo die Punktierung
mit dem Filigran in Wettbewerb tritt, die Punkte sehr
viel schärfer als bei echten Stücken, oft bis zur Kugel-
form herausgetrieben (Abb. 5).

Eine Besonderheit haben noch die alten Stücke, die

276
 
Annotationen