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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

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1. Maiheft
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Die Brüsseler Galerie seit dem Wassenstillstand: die Neuerwerbungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0339

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Die Beüflelee Galerie feit dem lt)affenttil({tand

Die JHeuct’iüßcbungen

Von einem hervorragenden ausländischen Kunst-
historiker geht uns der nachstehende Bericht über die be-
deutendsten Neuerwerbungen der Brüsseler Galerie zu:

Von den Kunstwerken, die durch die Deutschen in
letzter Stunde aus der Kriegszone gerettet und ins
Brüsseler Museum geschafft wurden, sind jetzt nur zwei
einstweilen dort noch zurückgeblieben: Rubens großer
Stephansaltar aus Valenciennes, van Dycks, „Kreuz-
aufrichtung“ aus der Liebfrauenkirche in Courtrai. Jeder
Besucher wird sich der seltenen Gelegenheit freuen, die
Stücke im Rahmen der Brüsseler Sammlung zu genießen
und über derartige nicht bald wiederkehrende Vergleichs-
möglichkeiten zu verfügen.

Wichtiger als diese Leih-
gaben ist der feste Zuwachs
an Legaten und Schenkun-
gen. Er kommt vor allem der
Kunst des R u b e n s zu gute.

— 1636 hatte Philipp IV. für
sein Jagdschloß Torre della
Parrada durch den Kardinal
Infanten Ferdinand, Statthal-
ter der Niederlande, bei
Rubens große dekorative
Gemälde mit Darstellungen
aus Ovid’s Metamorphosen
bestellen lassen. Sie wurden
in den beiden nächstfolgen-
den Jahren unter stärkster
Inanspruchnahme der Mit-
hilfe von Schülern vollendet
und sind heute noch größten-
teils im Prado erhalten,
nachdem 1710 Torre della
Parrada im Erbfolgekrieg
geplündert und verlassen
worden war. Die eigenhän-
digen Skizzen dazu befanden
sich vor Jahren alle in der Sammlung des Herzogs von
Pastrana in Madrid und wurden dann allmählich zer-
streut.

Vier davon gelangten s. Zt. nach Brüssel zu Frau
J. Errera, die dort während des Krieges gestorben war
und sie dem Museum vermacht hatte. Es sind dies die
„Geburt der Venus“, „Juno säugt Herkules“, „Apotheose
des Herkules“ und „Jason mit dem goldenen Vlies“.

Fünf andere kamen in die Sammlung des Grafen
de Valencia de San Juan in Madrid. Dessen im Januar 1918
in Paris verstorbene Witwe hinterließ dieselben (mit
einigen andern gleich zu erwähnenden Bildern) dem
Brüsseler Museum „ä condition que la capitale de la
Belgique ne devent pas allemande“. Es sind der „Wett-
streit von Apoll und Marsyas“, „Sturz des Phaeton“,
„Fall des Ikarus“, „Jupiter und Semele“, sowie das ganz
kleine Bildchen des „Amor auf einem Delphine reitend“.

Zusammen mit den schon vor Jahren angekauften
drei Skizzen (Kat. Nr. 394—96) bilden nun diese zwölf
Entwürfe ein recht interessantes Ganzes. In jener „For-
tuna“ des Berliner Museums, die mit der Suermondtschen
Sammlung erworben wurde und die gleichfalls zu dieser
Metamorphosenserie gehört, kann der deutsche Leser
einen Eindruck auch von diesen nunmehr in Brüssel
vereinigten Skizzen gewinnen: dasselbe kleine Format,
dieselbe Beschränkung auf ganz wenige bräunliche, röt-
liche, gelbe und weiße Töne. Von neuem überwältigt
den Beschauer dieser Entwürfe der unglaubliche Reichtum
von Phantasie und Darstellungsmöglichkeiten bei Rubens,

seine überzeugende Selbst-
verständlichkeit in der Wie-
dergabe auch der schwie-
rigsten Situationen und
Bewegungsmotive (Phaeton,
Ikarus!). Man glaubt der
genialen Künstlerhand folgen
zu können, wie sie in
kürzesterZeit mit ganz wenig
Pinseln diese reizenden
Einfälle auf die Täfelchen
gewischt hat.

Auch die andern Bilder
des Legates de Valencia
de San Juan bilden einen
recht erwünschten Zuwachs
für die Brüsseler Galerie;
sind es doch niederländische
Primitive, die so wieder in
ihr Entstehungsland zurück-
kehren. Sie hatten vor eini-
gen Jahren einmal teilweise
im Madrider Museum ge-
hangen und sind alle in
„Les Arts“ vom März 1909
abgebildet.

Wertvoll ist vor allem, daß der kleine mit AB
monogrammierte Hausaltar des Ambrosius Benson
nunmehr zu lehrreichem Vergleich herangezogen werden
kann; bildete er doch eigentlich die Grundlage der ganzen
Bensonforschung. Um dieses Stück hatte nämlich schon
1886 Justi die Werke des „Meisters von Segovia“, wie
er damals den Monogrammisten nannte, zu gruppieren
begonnen. Das Mittelbild zeigt den hl. Franz in ganzer
Figur in einer Landschaft stehend; auf den Flügeln rechts
der hl. Sekundus von Avila, links die hl. Familie und
auf den Außenseiten grau in grau die Verkündigung.
Das Triptychon ist in einem braunroten Gesamtton ge-
halten und koloristisch wenig interessant.

Dasselbe wäre auch von einem fragweise dem Brug-
germeister Antoine Claeissens (f 1613) zuge-
schriebenen Hausaltar zu sagen. Er gibt im Mittelbild
Johannes den Täufer in einer waldigen Gegend stehend

Abb. 1. Rubens, Sturz des Phaeton.

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