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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

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1. Maiheft
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Die Brüsseler Galerie seit dem Wassenstillstand: die Neuerwerbungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0340

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Abb. 3. Art des Geertgen tot Sint Jans, Gefangennahme und
Grablegung Christi.

auf den Flügeln links dessen Geburt, rechts die Ent-
hauptung und ist auf einem schwarzroten dunkeln Ge-
samtton abgestimmt.

Künstlerisch wertvoller und auch koloristisch an-
sprechender sind zwei kleine Flügelbilder (je ca. 75X25 cm)
in der Art des Geertgen tot Sint Jans mit
der Gefangennahme und der Grablegung Christi. Die
einzelnen Farbtöne, wie etwa das feine Rotviolett von
Jesu Mantel oder das helle Braun bei Malchas und Judas
sind mit besonderer Delikatesse gewählt; das lichte Rot
von Petri Mantel, beim vordersten Schergen Christi und
bei zweien der schlafenden Jünger im Hintergrund dienen
als feine Kontrasteffekte. Bei der Grablegung wäre ein
Gleiches vom dunkeln Grün des Mantels Mariae, dem
lichten Grün bei Joseph von Arimathia und der einen
Frau im Verhältnis zum lichten Karmin bei Johannes,
Magdalena und einer der Frauen zu sagen.

Leider läßt sich von der Haarlemer Malerei der
zweiten Hälfte des XV. Jahrhunderts — von der markanten
Persönlichkeit Geertgens abgesehen — heute kaum mehr
ein richtiges Bild gewinnen. Von neuem kommt einem
die bedauerliche Tatsache richtig zum Bewußtsein, daß
wir uns von Künstlerpersönlichkeiten wie z. B. dem durch
van Mander so sehr gerühmten A1 w a t e r — trotz des
Berliner Lazarusbildes — eigentlich keine rechte Vor-
stellung mehr machen können. Andernfalls dürfte es
nämlich um ein Erhebliches leichter fallen, ein Werk wie
unsere beiden Altarflügel in den richtigen näheren Zu-

sammenhang innerhalb der Haarlemer Künstlerschaft ein-
zuordnen.

Schließlich sind noch die beiden lebensgroßen Knie-
stücke des Erzherzogs Albrecht von Österreich und seiner
Gemahlin Isabella von F r. P o u r b u s d. J. zu nennen;
beide mehr von historischem und kostümgeschicht-
lichem wie künstlerischem Interesse (abgeb. in „Les Arts“
a. a. O.).

Von andern neu eingegangenen Bildern wären zwei
umfangreiche Architekturstücke zu nennen. Vielfigurig
und von amüsanter Buntheit ist ein dem Seb. Vraucx
zugeschriebener Empfang des Rates der Vierzig auf einem
Landgut der Terra Ferma; nüchtern leer hingegen das
große Bild von W. Schubert von Ehren-
berg mit Figuren von einem unbekannten Vlamen
(letzteres ein Geschenk von Dr. J. Seymour Maynard in
London).

Größere künstlerische Bedeutung kommt jedoch dem
einzigen Zuwachs der Abteilung holländischer Gemälde
zu. Als Legat des ehemaligen Ministers und Vorsitzenden
der Museumskommission A. Beernaert finden wir ein
ungewönlich eindrucksvolles soviel wie lebensgroßes
„Brustbild eines Unbekannten“. Es ist voll bezeichnet
„P. Soutman fecit, Aetatis suae 66, 1649.“ Es
dürfte dies u. W. überhaupt das erste Einzelbildnis des
als Maler ja überaus selten vorkommenden genialen
Stechers sein, das in eine öffentliche Sammlung gelangt.
Wir lernen ihn aufs neue — auch wenn er wie hier den
Pinsel führt — als scharf und sicher charakterisierenden
Porträtisten schätzen. Vielleicht noch ausgesprochener
als in den beiden großen Schützenstücken von 1642 und
1644 in Haarlem steht Soutman hier im Banne der Kunst
des Frans Hals. Davon, daß der Meister einstmals
Rubenschüler war, ist nichts mehr spürbar. Der eigen-
tümliche schwarzgraue Gesamtton, den auch die frischen
lebensvollen Lokaltöne des Inkarnats nicht durchbrechen,
ferner der etwas lichterschwarzgraue Hintergrund, von
dem sich das tiefe Schwarz der Kleidung sowie das kalte
Weiß von Kragen und Haaren wundervoll abheben, sind
ganz im Sinne der Haarlemer Schule. Die eigentümlich
sorgfältige und feine Technik im Gesicht, die aber doch

Abb. 2. Rubens, Wettstreit von Apoll und Marsyas.
 
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