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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

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1. Juniheft
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Kunstausstellungen / Kunstauktionen / Aus der Museums- und Sammlerwelt / Die Frage des Palais im Dresdner Großen Garten / Die Leipziger Entwurfs- und Modelmesse / Aus dem Pariser Kunstleben / Vom holländischen Kunstmarkt / Londoner Kunstschau / Schweizerische Kunstchronik / Richard Wagner-Ausstellung in Leipzig / Ein Lehrstuhl für nordische Kunstgeschichte in Stockholm / Gesellschaft der Freunde der Deutschen Bücherei / Die Not der Bibliotheken / Der Reichskunstwart über Kunststeuer und Kulturpolitik
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0387

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wieder an Degas an und er macht das ganz appetitlich. Der
Berliner Karl H o 11 z zeigt nicht nur sonnigen Humor, sondern
auch (wie etwa im „Kasernenhof“) den famosen Hang zu reiner
Biederineierlaune, Julius Kroll beschränkt sich vorteilhaft auf
die notwendigsten Umrisse der Zeichnung. Schließlich wären
Franz Heckendorf, Claus Richter, Magnus Zeller, Finetti, Harry
Deierling und Adolf Schinnerer zu nennen. Und dann noch Os-
wald A. Erich und der spitzweggewandte Erich Simon.

Die Plastik dieser Ausstellung ist auch nicht übel.
Metzners „Zusammenbruch“, von dem später noch zu sprechen
sein wird, ist hier das Hauptstück. Bronzen von Fritz Behn,
ein paar hübsche Figürchen von Scheurich, ein Kinderkopf
von Erich W i I d, ein bronzener Jüngling von Ernst Wenck
und eine Wachsbüste von Josef Thorak schließen sich un-
aufdringlich an.

*

Aber ein total anderes Bild bietet uns die Große Kunst-
ausstellung. Es war eine unglückselige Idee, die Novem-
ber-Gruppe mit dem Verein Berliner Künstler (plus
Düsseldorfer Künstlerschaft) zusammenzuschweißen. Denn was
uns da in diesem „Glaspalast“ die Herren der November-Gruppe
zu sagen haben, das ist von wirklicher Kunst so weit entfernt,
wie eine Zigarrenschachtel von einer bemalten Leinewand. Ich
nehme absichtlich diesen Vergleich: weil ein Mitglied der Gruppe,
Josefin Golyscheff, sein „Selbstporträt“ aus Zigarren-
schachtelüberresten, Streichhölzern und Brotrinde in natura zu-
sammenklebt. Und dieser Mann hat hier eine Wand mit sage
und schreibe 50 „Aquarellen“ belegt. Er mag ein ganz erfinde-
derischer Kopf sein, aber ich möchte trotzdem in allem Ernst
heraussagen, daß mir das verschrieenste akademische Bild, das
irgendwo drüben auf der Künstlervereinsseite hängt, lieber ist
als dieses Cafdhaus-Getue und als die Mehrzahl der großen
radikalen „Schinken“, von denen übrigens etliche den Eindruck
machen, als wären sie erst an Ort und Stelle (im „Glaspalast“
selbst) „geschaffen“ worden.

Und die Plastik? Sie ist in der Hauptsache ebenso billig
konstruiert, wie dieses oder jenes Bild von Cäsar Klein
Tappertusw. Der „Dreiklang“ von Rudolf Belting, der
„Traum“ von Oswald Herzog oder die „Geburt der Eva“ von
dem für die dekorative expressionistische Plastik sonst sehr
begabten Georg Leschnitzer sind ohne Frage als Bewegungs-
motive gedacht und als solche nicht uninteressant, doch für die
Kunst des bildhauerischen Gestaltens werden derlei spielerische
Dinge niemals in Betracht kommen.

Die Plastik der konservativen Gegenseite wieder bewegt
sich mit geringen Ausnahmen (Kubart, Hauschild, Lewin-
Funcke) in stark verrosteten Gleisen. Und daß man die
Malerei des Künstlervereins in ihrer Gesamtheit in diese
Unzahl von Sälen hineingestopft hat, ist ebensowenig verständ-
lich wie das Zusammengehen mit den „Radikalen“. Manche
starke Arbeit ist da totgehängt worden. Aber man freut sich
immerhin, Dettmanns Seestücken zu begegnen, oder den
Figurenbildern des Franz Eichhorst oder den Spreestudien
Max Fabians. Hier findet man aus den fast tausend Nummern
die Winterlandschaften Willi ter Hells heraus, die märkischen
Bilder Kayser- Eichbergs, die Spreewaldstimmungen Lang-
hammers, dort die Straßenbilder Ernst Kolbes, die Vor-
frühlingsstücke Lejeunes, die Technik - Verbildlichungen
Leonhard Sandrocks, die Chinesen - Phantasien Hans
Looschens. Plontke interessiert uns, dann Otto H.
Engel, Max Sch lieh ting (mit einem stimmungsvollen
„Nachtfest“) Hugo Vogel (mit einem charakteristischen Porträt
des Dr. Franz Ullstein), dann Otto Marcus und Fritz Wild-
hagen. In der Graphik-Reihe gibt Erich Wolfsfeld mit
seinen Meisterzeichnungen d i e Qualität. Daneben sieht man
ansprechende Radierungen von J. C. T u r n e r , Leo Arndt,
Julius Rosenbaum, wirksame Steinzeichnungen von Hermann
Hirzei, der endlich wieder als Graphiker auftaucht, Blätter
von Meta Cohn-Hendel, Pfaeler v. O 11 e g r a v e n u. a.

Man hat es wirklich nicht leicht, sich auf diesem lang-
gedehnten und überbreiten Jahrmarkt zurechtzufinden, der übrigens

trotz der Unkunst der „Radikalen“ und wegen des Massen-
aufgebots der „Konservativen“ von ausgiebiger Langeweile ist.
Doch wer radikale Kunst genießen will, die ein künstlerisches
Erlebnis darstellt, der gehe in die Gedächtnisausstellung, die
man Metzner zu Ehren in Zehlendorf-Mitte im Hause des
allzufrüh Verstorbenen veranstaltet hat.

Der große Garten steht in voller Sommerpracht. Und mitten
aus seinem Grün ragen die Riesengestalten des Künstlers empor:
der Rüdiger, der Mozart (für Prag) und hier „Der Zusammen-
bruch“, den auch die „Sezession“ hat, die Figur eines vor Müdig-
keit und Schmerz wie zu einem Klumpen sich zusammenballenden
Heldenmenschen. Der Künstler als Prophet. . . Wir betreten
das Atelier. Manches ist uns neu, und viele, die Franz Metzner
bloß von seinen Skulpturen für das Völkerschlachtdenkmal in
Leipzig kannten, die in ihren Dimensionen zu stilisiert-nüchtern
wirken mögen, müssen sich heute sagen, daß sein Können nicht
nach diesen Leipziger Stücken zu werten ist. Was er gekonnt
hat und wie genial sein Können war, das deuten nicht bloß die
großen Figuren, die er für die unvergleichlichen Theaterbauten
Oskar Kaufmanns schuf, sondern auch seine Kleinplastiken
und seine Zeichnungen.

Franz Metzner suchte das Körperliche in die Linie einzu-
fangen und suchte, indem er die Linie zwang, Masse und Maße
ins übernatürliche zu dehnen, zu weiten. Er durfte es sich leisten,
denn er hatte die große Begabung, plastisch zu fühlen. Und daß
er (als geborener Künstler) noch in die Menschen hineinsehen
konnte, das machte ihn — hier ist das schöne „Schlagwort“ am
Platze — zum Expressionisten: er drückte den Extrakt seiner
Beobachtungen plastisch in seiner Plastik aus.

Auch seine Zeichnungen sind künstlerisch-expressionistisch.
Mit Kohle, Tusche oder ein paar irisierenden Aquarellfarben
warf er sie hin, gleichsam als Studien für seine Plastik. Es
sind Blätter voll stärkster künstlerischer Vehemenz. Und hier
sind die ersten Wurzeln der neuen Kunstbewegung und hier
sollten auch die Kabinette beizeiten ihre Wahl treffen.

Neben den Zeichnungen fesselt uns die Kleinplastik Metzners,
die man bisher fast garnicht gekannt hat. Voll Bewegung sind
alle diese linienherben Figürchen. Und auch seine Porträts
sprechen die Sprache des starken Künstlers: Der Kopf Lovis
Corinths und die Büste des Schriftstellers Josef Adolf Bondy
sind wohl die markantesten Stücke.

Im Hauptsaal des Ateliers, gegenüber der wuchtigen Hinden-
burg-Statue, die der Künstler für Forst in der Lausitz modellierte,
steht die Totenmaske Franz Metzners. Man ist tief erschüttert
Ein verfallenes, gealtertes, verhungertes Gesicht starrt uns an.
Furchtbar ist diese Tragik des Meisters, der an Unterernährung
starb, weil er es nicht verstanden hatte, während der Schreck-
nisse der Kriegszeit so für seinen Leib zu sorgen, wie es not-
wendig gewesen wäre. Furchtbar ist diese Tragik. . .

Adolph Donath.

*

Die Metzner-Ausstellung, die von der Witwe des Künstlers
liebevoll vorbereitet und von Architekt Thiemann künstlerisch
arrangiert worden ist, hatte eine feierliche Eröffnung. Für die
Berliner Akademie der Künste sprach Professor Amersdorffer,
für die Berliner Sezession Lovis Corinth, für den deutsch-
böhmischen Metzner-Bund Professor Krattner aus Prag. Krattner
wies darauf hin, daß vier deutsch-böhmische Meister Zeugnis
geben von der Bedeutung Deutschböhmens für die Kunst über-
haupt: Johann Baltaser Neumann, der Erbauer des fürsterz-
bischöflichen Schlosses in Wiirzburg, Josef Führich, Gabriel
Max und — Franz Metzner. Bei der Eröffnung der Metzner-Aus-
stellung war übrigens auch die tschecho-slowakische Republik
offiziell durch Legationsrat Kobr und Presse-Attache Moudry
vertreten. Das scheint uns ein erfreuliches Zeichen, daß man in
dem jungen Nachbarstaat der Kunst jene internationalen und
völkerverbindenden Kulturwerte zuweist, die sie immer besaß
und die man ihr niemals wird streitig machen können.

*

Georg Sau ter, der bei Nicolai ausstellt, hat lange
Jahre in London gelebt und dort die vornehme Gesellschaft por-

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