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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 3./​4.1921/​22

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2. Februarheft
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Aus der Museums- und Sammlerwelt
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Grautoff, Otto: Ein neuer Poussin im Louvre
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Schweizerische Kunstchronik Londoner Kunstschau / Die Abwanderung der Kunstwerke aus England / Kunstauktionen / Kunstausstellungen / Eine Radierung nach einer verschollenen Cranach-Zeichnug / Die Deutsche Gewerbeschau / Neue Kataloge / Frankfurter Kunstmesse / Kleine Kunstchronik / Werbung
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https://doi.org/10.11588/diglit.21786#0331

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Später verfertige Jakobine Gullmann zu Augsburg sehr
künstliche Gemälde aus Moos und Sand etc., worin sich Peter
Blank bisher ausgezeichnet hatte5)-

Verwandt mit diesen sonderbaren Erzeugnissen dürften jene,
des, 1740 in Bamberg geborenen, Anton Pätz gewesen sein. Er
lernte erst die Malerkunst und ließ sich dann in Warmbrunn in
Preußen nieder. „Dort stellte er die schönen, hohen schlesischen
Gebirgsgegenden mit Moos und Baumrinde auf Pappe aufgetragen,
her. Die Zwischenräume füllte er mit Gemälden als Luft, Wasser,
Figuren etc. aus. Diese pittoresken Landschafien brachlen eine
gute Wirkung hervor und waren sehr beliebt“.

Die mühsamen Kunststickereien, die zeichnende Stickerei
nach Miniaturen und Kupferstichen, vielfach in den Klöstern aus-
geübt, wurde noch iibertroffen durch die Stickerei mit Haaren,
iiber die Meusel in den art. Misceli berichtet.

Drei Töchter eines Appellationsrates von Wyllich zu Celle,
sollen, um das Jahr 1785, die Kunst, mit Menschenhaaren wie mit
Seide zu sticken, erfunden haben. Die Kunst, meint der Be-
richtende, könnte noch weiter und zu größerer Vollkommenheit
gebracht werden, wenn sich erst mehr damit beschäftigen wiirden.
Er glaubt auch einigen Dank von Kiinstlern zu verdienen, die
durch ihn auf den Gedanken gebracht wurden, sich in dieser Art
von Arbeit hervorzutun und sich in einer Kunst zu iiben, die,
wenigstens bis jetzt, sehr vernachlässigt gewesen sei und, die,
nach seiner Meinung, bei weitem den Vorzug vor derjenigen hatte
die vermittelst des Kaufes von Haaren geschieht und lange nicht
so miihsam sei. Unter den vielen Stücken, welche die drei ge-
nannten Fräulein seit dem Jahre 1783 verfertigt hatten, befinden
sich solche, die man nur nach sehr genauer Betrachtung von
Kupferstichen und radierten Blättern zu unterscheiden vermag.
Es sind ziemlich große Stiicke darunter gewesen, Landschaften
nach ihren eigenen Zeichnungen oder nach Bildern von Waterloo
und anderen Meistern. Meusel bemerkt hierzu, daß die diesem
Schreiben beigelegte Probe, tatsächlich viel Kunst und einen hohen
Grad von Täuschung verrate.

Die Aneiferung zur Ausiibung und Weiterbildung in dieser
Kunst scheint aber nicht viel geniitzt zu haben, obzwar die ver-
schiedensten Haararbeiten, auch spätei, angefertigt wurden.

An Friedrich Schleiermacher schreibt dessen Braut im
Jahre 1808: „Lieber Ernst, schicke mir von deinen Haaren.
Philippine macht schöne Arbeit von geschnittenen Haaren, sie
will mir für Sophie eine kleine Landschaft machen, von den
Kindern, Ehrenfrieds, von deinen und meinen Haaren, das soll
mein Weihnachten an Sophie sein, es wird ihr große Freude
machen.“

Kunstvoll geflochtene oder zu Monogrammen geformte Haare
konnte man in den Rahmen alter Miniaturbildnisse auf der Kehr-
seite finden, auch in Schmuckgegenständen, wie im Chaton eines
Ringes der Empirezeit sich feingeknotete Haare befinden, die
arabeskenartig auf ein Elfenbeinplättchen aufgelegt sind und die
Umrahmung zu folgendem zeifgemäßen Spiuch abgeben:

„Les noeud
noue par
verta d’Amour
sont

indossoluble
et pour
Toujours.“

Später wurde es eine allgemeine Mode, in Medaillons oder
Ringen Haare einer verehrten oder geliebten Person zu tragen;
einzig dastehend mag aber sein, daß in Ermangelung von Locken
des gefeierten Dichters Jean Paul, viele Damen einem ihm ge-
hörigen Spitz die Haare abschnitten, um sie gelockt in Ringen
und Medaillons zu tragen.

All dies gehört der Vergangenheit an, den Zeiten, die zwar
nicht immer so ruhig und friedlich waren, wie sie uns jetzt er-
scheinen, die es aber doch Künsllern und Diletfanten ermöglichten,
sich viele Stunden mit den minutiösesten Arbeiten zu beschäftigen-

I d a K ö h 1 e r.

') Lipowsky, Bayr. Künstlerlexikon.

6in neuev PoufTtn im touore.

Eines der Hauptwerke aus Nicolas Poussins Spätzeit: Land-
schaft mit der Auffindung der Asche Phokions ist vor kurzer
Zeit von der Gemäldegalerie des Louvre erworben worden.

Poussin hat dieses Motiv zweimal 1648 fur den Pariser
Sammler Cerisier gemalt. Die eine Fassung besitzt Lord Derby
in Knowsley-Hall bei Liverpool, die andere war seit über hun-
dert Jahren verschollen. Kürzlich ist sie auf der Insel Quernesey
aufgetaucht, wurde von einem Londoner Kunsthändler erworben,
von dem sie der Louvre gekauft hat. Das Gemälde mißt
1,15 x 1,74 m und stellt eine weite, südliche Landsehaft dar, die
im Vordergrund fiach und von einer Herde, einem Wagen und
Spaziergängern belebt ist. Im Hintergrund steigt auf sanften
Hügeln eine Stadt auf. Ganz im Vordergrund tragen zwei
Männer auf einer Bahre die Leiche Phokions. Das Bild ist 1712
ausführlich in dem „Dialogue de Morts: Parrhasius und Poussin“
von Finelon beschrieben. Damals muß es also noch in Paris
gewesen sein. Bomini hat während seines Aufenthaltes in Paris
gerade dieses Gemälde besonders bewundert. Der Unterzeichnete
kennt das Bild nach dem Stich von Daudet und nach einer alten
Kopie, die Lord St. Oswald auf Nostil bei Sheffield besitzt.

Wie allen späten Landschaften Poussins ist auch diese
großgesehene Naturschilderung durch zahlreiche Einzelmotive
belebt, sodaß das Auge, das durch die beiden seitlichen Louvre-
kulissen bald hier, bald dorthin gelenkt wird, nicht müde wird in
dem Auffinden neuer Einzelschönheiten.

Paul Jamot hat diese glückliche und bedeutende Neu-
erwerbung des Louvre im Januarheft der Gazette des Beaux-Arts
gewürdigt. Otto Grautoff.

Sd)tx>etECt’tfcbe Kutaftcbtxmik.

G e n f. Im Januar der Maler Haberjahn und der Bild-
hauer Cila d’Aire, im Februar die Maler Louis de Meuron,
Charles du Mout und Stephanie Guerzoni. Dazu einige deko-
rative Kunst.

Das Museum für Kunst und Altertum ist nach längerem
Interregnum dem Archäologen Waldemar Deonna als General-
direktor und Vorstand der archäologischen Sammlungen anvertraut
worden. Die Gemäldegalerie insbesondere wird in Zukunft von
Louis Gielly verwaltet werden. Gielly ist Kenner auf dem Ge-
biete der italienischen Malerei des späten Mittelalters und der
frühen Renaissance. Man verdankt ihm ein Buch über „Die
Seele Sienas“ und ein andeies über den „Sodoma“. Es ist zu
hoffen, daß das Museum unter der neuen Leitung gedeihen und
nach festeren und klareren Grundsätzen geführt werde als bisher.
Es sollte dazu kommen, daß ganze Abteilungen, so die Abgüsse
und das Prähistorisehe disloziert und einige Meister wie Agace,
der wundervolle Tiermaler, Meun, Hodler ihrer Bedeutung ent-
sprechend ausgestellt wurden.

Im Verlage des Hauses Boissonas in Genf ist ein zier-
liches Album herausgekommen: „Le voyage ä la grande Char-
tereuse“ von Rudolf T ö p f f e r. Zum erten Mal erscheint diese
Reiseschilderung voll Witz und Bewegung mit den Original-
zeichnungen des Maler-Poeten in vortrefflicher Wiedergabe an
Stelle der nach Toepffers Vorlagen von Pariser Hylographen
bearbeiteten und in ihrem Urcharakter starkveränderten Holzschnitte.

Auf dem Kunstmarkte peinliche Stockung. Maler von Rang
müssen, um zu leben, an Stipendien und Wettbewerben teilnehmen
wie unbekannte Anfänger. Statt sieben Salons gibt es augen-
blicklich in Genf noch zwei, und von diesen schließt der weitaus
größte und älteste Ende März seine seine Pforten nämlich die
Galerie Moos. Sie siedelt nach Paris über, und mit ihrem
Wegzug wird viel Unternehmungssinn im Kunstbereich aus der
Schweiz verschwinden. Dafür haben sich die öffentlichen Aus-
stellungssäle eines besseren Zuspruchs zu erfreuen.

Die Berner große Hodler-Ausstellung hat mit einem sehr
erfreulichen geistigen und greifbaren Erfolg geendet. Aus dem.
Überschusse konnten sogar von den meisten hervorragenderen

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