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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 3./​4.1921/​22

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2. Februarheft
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Schweizerische Kunstchronik Londoner Kunstschau / Die Abwanderung der Kunstwerke aus England / Kunstauktionen / Kunstausstellungen / Eine Radierung nach einer verschollenen Cranach-Zeichnug / Die Deutsche Gewerbeschau / Neue Kataloge / Frankfurter Kunstmesse / Kleine Kunstchronik / Werbung
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https://doi.org/10.11588/diglit.21786#0333

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Dte Abiüandemng dcv Kun(tinet’ke
aus 6ngland*

Der „Blue Boy“ ist, wie uns berichtet wird, am 6. Februar
wohlbehalten in New-York eingetroffen, wo das GaiiiBborough’sche
Meisterwerk erst durch die Firma Duveen ausgestellt wurde,
bevor es an seinen neuen Besitzer, Mr. Huntington, abgeliefert
wurde. Mit dem „Blauen Jungen“ ist auch Gainsborough’s
„Cottage Door“ nach Amerika gezogen. Versichert waren die
beiden Bilder für 3 500 000 Francs und dermaßen verpackt, daß
sie im Falle eines Schiffbtuchs nicht untergehen, sondern auf der
Oberfläche bleiben mußten. Auch wurden sie unter besonderer
Bewachung nicht direkt von London aus, sondern auf Umwegen
ihrem Ziele zugeführt, um einem etwaigen Diebstahl vorzubeugen.

Gelegentlich der Abwanderung des „Blue Boy“ nach Amerika
schreibt der englische Kunstkritiker Sir Claude Phillips, daß der
Verlust englischer Kunstschätze schon vor dreißig Jahren ein-
setzte und keine Sache der Jetztzeit ist. In all den Jahren hat
man meistenteils nur gejammert, aber mit ganz wenigen Ausnahmen
keine Gegenmaßnahmen getroffen. Dazuma! war Deutschland
der Angreifer, wie es jetzt Amerika ist. „Man spricht“, fährt Sir
Claude foit, „als ob die Gefahr eine neue wäre, als ob England
jetzt erst seine Wunden fühlt und nur wenig Blut verloren hätte,
als ob die größten Kunstschätze noch gerettet und der Nachwelt
erhalten bleiben könnten. Man verdunkele die Wahiheit aber
nicht mit bloßen Worten: der Verlust ist ein unersetzlicher“.
(Phillips führt zwei Gainsboroughs an, die dem „Blue Boy“ im
Werte gleichstehen: „The Mall“ und „Miß Linley und Bruder“.)

„Man durchfliege nur die Kataloge der großen und kleinen
amerikanischen Museen oder die noch inhaltsreicheren Kataloge
der Privatsammlungen, die mit der Zeit zu Museen werden; man
gedenke der herrlichen zeitweisen Ausstellungen der allmächtigen
Kunsthändler New-Yorks und Boston3. Da wird'man erkennen,
wie furchtbar die Verluste sind, die wir bereits erlitten,* und ein-
sehen, daß unser Lebensstrom immer schneller und schneller uns
entzogen wird. Die nackte Wahrheit besteht darin, daß nichts
mehr sicher ist, das nicht in den Gallerieen und Museen oder in
den Kronsammlungen festen Anker geschlagen hat ... Es gibt
ja manche, wie wir gerechterweise anerkennen müssen, die von
der bitteren Not gezwungen werden, die ihre Schätze gein be-
halten möchten, aber es nicht können und mit ihnen können wir
aufrichtig empfinden. Aber es gibt auch viele, die in ihrem Kunst-
besitze nur so viel Reichtum erblicken, der unproduktiv an ihren
Wänden hängt, und sich der großen Gelegenheit erfreuen, sich
ihm dienstbar zu machen.“

Zu dem Ankauf des Van Dyck’schen Gemäldes seitens
der National-Gallerie in London, — der jungen Lords George
und Francis Villiers —, schreibt Sir Claude: „Die Museen des
Vereinigten Königreiches besitzen jetzt Werke aus sämtlichen
Phasen Van Dycks. Seine erste flämische Sturm- und Drang-
Periode wird durch „Cornelius van der Geest“, die „Dame mit
Kind“ und „Bildnis eines Künstlers“ in der National-Gallerie
verkörpert, sowie durch die „Marter des Heiligen Sebastians“
(Schottische National-Gallerie), „Samson urd Delila“ (Dulwich-
Gallerie) — und das „Bildnis des Malers als Paris“ (Wallace-
Kollektion). Seine Genueser Zeit illustrieren „Die Familie Lo-
mellini“ (Schottische National-Gallerie), der „Marchese Cathaneo“,
die „Marchesa Cathaneo“ (National-Gallerie); „Vollbildnis eines
italienischen Edelmannes“ (Wallace-Kollektion); „Bildnis eines
Edelmannes“ (Dulwich-Gallerie) Nach seiner Rückkehr aus
Italien setzte die zweite flämische Periode ein, der die Welt
unter anderem zwei Meisterwerke zu verdanken hat, „Philippe
le Roy“ und die „Gattin Philippe le Roys“ in der Wallace-
Sammlung. Seine englische Zeit tut sich in der National-Galleiie
durch das große Reiterbild Karl des Ersten und das neuerworbene
Villiers’sche Doppelporträt kund; in der Dulwich-Gallerie mit
„Philip Heibert Lord Pembroke“. In der Windsor Schloß- „Van
Dyck-Gallerie hängen ein Reiterbild Katl des Ersten“, das welt-
berühmte Bild der „Fünf Kinder Karl des Ersten“, die „Drei

Karl M. Schultheiß, Flötenkonzert (nach Spitzweg)

Wohlgemuth und Lissner, Bertin

Kinder Karl des Ersten“, „Karl der Erste in drei Stellungen“ und
zwei Bildnisse der Königin Henrietta Maria. Ganz wunderschön
ist das Bildnis der „Beatrice de Cusance, Princesse de Cantecroix“,
im Jahre 1635 gemalt und jetzt auch in der Windsor-Gruppe.“

Kunffauktt onen.

Kötn.

Matthias Lempertz versteigert vom 6.—11. März eine
hochbedeutende Kollektion japanischer Kleinkunst, die
aus dem Besitz eines bekannten rheinischen Sammlers stammt.
Der mit 24 vorzüglichen Tafeln ausgestattete Katalog vermerkt
an 2000 Nummern, unter denen sich als Hauptteil der wertvollen
Sammlung rnehr als 900 Netsukes befinden. In dieser Gruppe
sehen wir eine lange Reihe sammelnswerter Stücke. Ferner
enthält die Kollektion die berühmten Schwertstichblätter aus dem
16.—18. Jahrhundert, außerdem zahlreiche Inros in Lack und
Elfenbein, außerdem entziickende, kleine Jadeschnitzereien usw.
Auch die Abteilung „Satsuma“ mit ihren Vasen und Väschen,
sowie die prächtigen Komai-Arbeiten aus goldtauschiertem Eisen
und die japanischen Silber- und Bronzestiicke interessieren be-
sonders. Schließlich ist noch die reichhaltige Gruppe der Cloisonne-
Arbeiten zu nennen.

*

Der Kunstsalon Hermann Abels veranstaltet eine drei-
wöchentliche Besichtigungs-Ausstellung der am 4. und 5. April
dieses Jahres zur Versteigerung kommenden Graphik-Sammlung.
Das Kölner Schniittgen-Museum hat ab Ende Februar zu diesem
Zwecke 3 obere Säle zur Verfiigung gestellt, in denen die pracht-
volle Sammlung glänzend untergebracht ist. Der sorgfältig aus-
gearbeitete Katalog weist ca. 1500 Nummern auf, unter denen
folgende deutsche Künstler besondeis gut vertreten sind: Corinth
mit 60 Drucken, Liebermann (45), Meid (40), Menzel (16), Oppler
(35), Slevogt (85), Thoma (25). Auch unter den ausländischen

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