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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 1.1897-1899

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6. Heft
DOI Artikel:
Thierbach, Moritz: Über die erste Entwicklung der Handfeuerwaffen
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https://doi.org/10.11588/diglit.37715#0144

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130

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

I. Band.

Durchmesser auf dem Rohre. An dieser Waffe ist
das Gestell oder der Schaft erhalten: ein 144 Cm.
langer, nach rückwärts sich auf 66 Mm. verjüngender
vierseitiger Holzblock, in dessen vorderen, sich zu
144 Mm. verstärkenden Ende von 340 Mm. Länge
das Rohr halb eingelassen und durch zwei eiserne
Querbänder nebst einem Stossbleche festgehalten ist.
Angeblich soll diese Büchse ungefähr vom Jahre 1370
stammen; im Archive des Dresdner Zeughauses ist
kein Nachweis darüber zu finden. Die besondere
Eigenthümlichkeit derselben besteht darin, dass sich
bei genauer Ausmessung der Seele am Originale
selbst herausgestellt hat, dass die Bohrung nicht
geradlinig verlaufend ist, sondern 134 Mm. von der
Mündung entfernt, eine ringförmige, die Bohrung auf
31 Mm. verengende Wulst nach innen tritt, welche
Verengung augenscheinlich beim Schmieden des
Rohres durch Eintreiben der Wände bei entsprechend
zurückgezogenem Dorne ausgeführt ist. Die dadurch
entstandene birnenförmige Kammer ist 85 Mm. lang

beträgt 330 Mm., wovon 281 Mm, auf den eigent-
lichen Lauf und 49 Mm. auf die Hülse zum Einsetzen
des — fehlenden — Schaftstabes kommen. Die
äussere Form ist achtkantig, mit ringförmiger Ver-
stärkung an der Mündung; hinter dem Ringe 22, am
Boden 38 Mm. stark. Die Bohrung besteht aus einem
154 Mm. langen Fluge und einer 117 Mm. langen
Kammer; die Seelenweite des Fluges beträgt etwa
17 3, hinten i6'8 Mm., der Kammer vorn 9 5, hinten
9 Mm. Das senkrecht geführte Zündloch hat 3 Mm.
Durchmesser, mündet innen 2 Mm. vom halbkugel-
förmigen Boden, aussen in kleiner kegelförmiger
Erweiterung als Pfanntrog aus. Die sich verjüngende
Form des Flugs gestattete das Festsetzen der Blei-
kugel über der Kammer, machte den Holzpfropf
entbehrlich und erhielt die Kugel eine längere Füh-
rung im Rohre, so dass ein mehr geradliniger Schuss,
entgegen dem Bogenschüsse aus den zuerst beschrie-
benen Büchsen erreicht wurde.
Eine zweite vollständige Flandbüchse befand sich

5Lj- 3. {'fr0).


4. f-’/’oJ.




und 34 Mm. weit. Ob diese Einrichtung einen Ueber-
gang zu der, zur Aufnahme der Pulverladung be-
stimmten Kammer bildet, muss dahin gestellt werden.
Wenn diese oben erwähnten Büchsen zur Noth
wohl von einem Manne getragen und bedient werden
konnten, so sind sie doch nicht als Handfeuerwaffen
zu bezeichnen; sie stellen eben die Form der ältesten
Feuerwaffen überhaupt dar, wie sie zur Verwendung
bei Vertheidigung fester Plätze geeignet waren. Die
Kürze des Rohres, welche diese Waffen nur zum
Bogen-, nicht zum Flachschüsse geeignet machten,
führte zunächst zur Verlängerung der Seele und beim
eigentlichen Geschütze auch zu einer Vergrösserung
des Kalibers, bis zur Verwendung von Steinkugeln
grossen Durchmessers.
Als älteste Plandfeuerwaffe liegt in der Sammlung
des Arsenals die genaue Nachbildung der sogenannten
«Tanneberger Büchse» des germanischen Museums
zu Nürnberg vor, welche bei Nachgrabungen in der
im Jahre 1399 zerstörten Burg Tanneberg unter an-
dern Trümmern in der Cisterne daselbst gefunden
worden. Fig. 3 enthält die Zeichnung derselben.
Die Büchse ist von Bronze gegossen, die ganze Länge

früher in der Sammlung Blell zu Tüngen bei Wormditt
und soll sich gegenwärtig mit der genannten Samm-
lung in der neu hergestellten Marienburg befinden.
Das Original ist im Jahre 1871 bei Baggerarbeiten
im Kurischen Haff nächst Schwarzort bei Memel
gefunden worden. Die genaue Nachbildung zeigt
Fig. 4. Das Rohr ist von Bronze, 445 Mm. lang,
einschliesslich der 59 Mm. lang'en Hülse zum Ein-
setzen des Schaftstabes. Die äussere Form ist acht-
kantig, mit Kopf-, Mittel-und Bodenfries; hinter dem
Kopffries 2Ö'7, vor dem Bodenfries 41 -7 Mm. stark.
Die Seele, welche keine Kammer enthält, ist 355 Mm.
lang, vom 18, am Boden 17 Mm. weit. Das Zünd-
loch von 3 Mm. Durchmesser mündet senkrecht
xi Mm. über dem Boden in die Seele, äusserlich in
eine halbrunde Auskesselung, welche mittelst dreh-
baren Pfanndeckels verschlossen werden kann. Der
Schaftstab von Eichenholz ist 540 Mm. lang, acht-
kantig, mittelst Querstiftes in der Plülse festgehalten
und vorn 38, am hintern Ende 40T Mm. stark. Eine
Längsbohrung dieses Schaftstabes enthält einen, von
rückwärts eingeschobenen, ungefähr 393 Mm. langen,.
11 Mm. starken Ladestock, ebenfalls von Eichenholz,
 
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