Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 1.1897-1899

DOI Heft:
9. Heft
DOI Artikel:
Fachliche Notizen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.37715#0253

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
9. Heit.

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

235

Auch Ovid (Mctam. IX, 158) spricht von den mit
Schlangengift getränkten Pfeilen des Herkules. Nach
Aristoteles,1) Strabon,2) Plinius,3) Celsus,4) Aulus Gellius5)
waren bei den Galliern vergiftete Jagdpfeile etwas ganz
gewöhnliches. Von den vergifteten Jagd- zu den ver-
gifteten Kriegspfeilen war nur mehr ein kleiner Schritt.
Die lex Salica (abgefasst zwischen 453 und 486 n. Chr.)
kennt beide Gattungen, ja sie unterscheidet sogar den
verbrecherischen Versuch vom vollbrachten Verbrechen.
In dem Kapitel über Körperverletzungen6) wird aus-
drücklich gesagt: «Wer absichtlich auf einen anderen
einen vergifteten Pfeil abschnellt, der soll nach dem
Brauche der Dingstätte dieses Unterfangen, auch wenn
er sein Ziel verfehlte, mit 2500 Denaren oder Ö21/2 Schil-
lingen büssen». Und später ordnet7 8) der Gesetz-
geber an: «Wer einen Menschen mit einem vergifteten
Pfeil angeschossen hat, dem soll eine Schatzung von
621/2 Schillingen auferlegt werden». Eine weit geringere
Busse war nach der lex Baiuvariorums) für das gleiche
Delict zu entrichten. Bedenkt man nun, dass die Gesetz-
gebung eines Volkes nur auf solche Lebensverhältnisse
Rücksicht nehmen kann, welche sich bereits bei den
Stammesgenossen fest eingebürgert hatten, so ersieht man
aus diesen angeführten gesetzlichen Bestimmungen, dass
damals diesseits und jenseits des Rheines vergiftete Fern-
waffen gar nichts Seltenes gewesen sind.
Endlich sollen durch das ganze Mittelalter hindurch
bis in die letzten Jahrhunderte herab in Südfrankreich,9)
den Alpenthälern der Schweiz, von Savoyen vergiftete
x) Aristot. IJsgi ’&avf^aoLCOV ed. acad. reg. Boruss. Berl. 1831,
II., p. 845: «(I>aol ds jraga roig KslroTg cpagfAaxov vjcag%eiv
t6 xalov[A,svov VJir avx65v t otgixov ...» Die Kelten sollen ein
Gift besessen haben, das sie selbst Pfeilgift nannten.
2) Strab. rer. geograph. XVII. ed. Falconer Oxonii 1807.
IV. p. 278: «. . . . ovtog acphjotv onov 'd'aväoifxov Jtgog rag
smxgiosig rcov ßslcov.» So gibt er — es ist von einem Baum
die Rede — einen Saft, welcher an der Spitze der Geschosse
tödtlich wirkt.
3) Plin. XXV, 5 : «Galli sagittas in venatu elleboro tingunt. . .»
Die Gallier tauchen für die Jagd die Pfeile in den Saft der Nies-
wurz. XXVII, II: «Limeum herba appellatur a Gallis, qua sagittas
in venatu tingunt medicamento, quod venenum cervarium vocant.»
Limeum wird von den Galliern eine Pflanze genannt, womit sie
ihre Jagdpfeile vergiften; sie heissen dieses Gift daher Hirschgift.
4) Celsus. De medicina VIII, Lips. 1766, V, 27: «Venenum
serpentis ut quaedam etiam venatoria venena quibus Galli praecipue
utuntur ...» Schlangengift, sowie manche Jagdgifte, die haupt-
sächlich die Gallier gebrauchen . . .
5) Aul. Gell. Noctes atticae Romae 1472, XVII, 15: «Praeterea
scriptum legimus Gallos in venatibus tingere elleboro sagittas. . .»
Wir lesen, dass die Gallier zur Jagd die Pfeile mit Nieswurzsaft
bestreichen.
°) lex Salica. Joh. Merkel, Berlin 1850, p. 11, XVII, de
vulneribus. 2. «Si quis alterum de sagitta toxicata percutere
voluerit et praeter sculpaverit et ei fuerit adprobatum, malb.
seolandefa sunt 2500 dinarios qui faciunt solidos 62x/2 culpabilis
judicetur.»
7) eod. Remissoria IV, p. 96: «Si quis sagitta toxicata
hominem sagittaverit et evaserit, soledis 62 et dimidio culpabilis
judicetur.» Siehe auch LXXX. De furtis de venationibus vel
piscatoribus. 5. «Si quis pedicam cum feramen aut sagitatum de
toxitum invenerit . . . .»
8) lex Baiuv.: «Si quis cum toxicata sagitta alicui sanguinem
fuderit, cum duodecim solidis componat.» Wer eines anderen
Blut mit einem vergifteten Pfeile vergossen hat, der büsse das
mit 12 Schillingen.
9) A. de Ruffi in der Plistoire de la ville de Marseille,
1696, Tom. II, livre 13, pag. 283.

Geschosse im Schwange gewesen sein. Auch das er-
scheint nicht so unglaublich, wenn man erwägt, dass
der am Hergebrachten hängende Sinn der Bergbauern
lieber auf den bewährten Bolzen, als auf die theure und
doch recht unsichere Büchse vertraute, mit welchem er
der Gemse auflauerte, und den er vergiftet haben mochte,
um seines Schusses sicher zu sein, weil er natürlich
nicht vergeblich den mühsamen und nicht immer un-
gefährlichen Aufstieg in’s Hochgebirge unternommen
haben wollte.
Dass sogar im Kriege vergiftete Geschosse gebraucht
worden zu sein scheinen, das deuten zwei Stellen in dem
«Grossen vollständigen Universal-Lexikon» von Johann
Heinrich Zedier an. Unter dem Schlagworte «Giftkugeln»
heisst es dort: «... so hat man dieses auch auf das
heutige Geschütz angebracht und die Kugeln, so daraus
haben sollen geschossen werden, in gifftigen Liquoribus
getränket, darauf sie diejenigen, so von ihnen sind
blessiret worden, doch um das Leben bringen mögten.
Ja, man pflegt sie jetzo in denen Kriegen nicht mehr
zu gebrauchen; wie denn auch bereits die alten Teutschen
Büchsen-Meister, nach dem Berichte Franz. Joachim.
Brechtelii Artiller. II., 2 bey ihrer Verpflichtung haben
schweren müssen, sich derer vergiffteten Kugeln nicht zu
bedienen.» Und unter dem Worte «Waffe» findet sich
folgende Bemerkung: «Im Jahre 1675 haben die hohen
Aliirten in dem Frantzösischen Kriege mit den Frantzosen
durch einen ausdrücklichen Vergleich ausgemacht, dass
sich niemand unterstehen solte, vergifftete Kugeln zu
gebrauchen.»
Jedoch nicht nur Pfeile bestrich man unter Um-
ständen mit «todbringenden Säften», auch die Nahwaffen
trug man kein Bedenken, zu Mordzwecken zu vergiften.
So fielen zwei von der Teufelin Fredegunde gedungene
Mordbuben über Sigibert her und stiessen denselben mit
vergifteten Haumessern nieder, welche man nach dem
Zeugnisse des Bischofs Gregor von Tours «gemeiniglich
Scramasax nannte».1) Der Scramasax war aber nichts
anderes, als ein einschneidiges schweres Kurzschwert,
dessen Klinge 44—76 cm mass, bei einer Rückenbreite
von 6—8 mm. Auch später, beispielsweise am Ende
des 13. Jahrh., bediente man sich hier und da noch
vergifteter Klingen.2)
Was die Natur jener in Europa angewendeten Pfeil-
gifte anbelangt, so entnahm man dieselben vorwiegend
dem Pflanzenreiche, wenn auch mitunter Schlangengift,
in Verwesung übergegangenes Blutserum — faules Ei-
weiss wirkt bekanntlich höchst verderblich auf den Blut-
kreislauf ein — der Giftbrühe zugesetzt wurde, in welche
der Jäger seine Geschosse tauchte. Unter den Kräutern
wird besonders die zur Gruppe der Kolchikaceen ge-
hörige Nieswurz (veratrum album und nigrum) erwähnt,
deren Faserwurzel in reichlichem Maasse neben dem
Helleborin das glykosidische Herzgift Helleborein ent-
hält; wird von ersterem eine Dosis von o'24 g, von
letzterem o'i2 g einem Hunde subcutan beigebracht,
so tritt unfehlbar nach einiger Zeit dessen Tod ein.
Ferner bereitete man Giftextracte aus den Solaneen Nacht-
_••
1) S. Gregorii Episc. Tur. hist. Franc., Par. 1699 ed.
Ruinart. lib. V p. 194: «Tune duo pueri cum cultris validis,
quos vulgo scramasaxos vocant, infectis veneno, maleficati a Frede-
gunde regina, cum aliam causam se gerere simularent, utraque ei
latera feriunt.»
2) Petrus de Albano, de venenis, cap. 4: «si vero gladius
fuerit venenatus.»

30
 
Annotationen