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Verein für Historische Waffenkunde [Editor]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 1.1897-1899

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10. Heft
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Sixl, P.: Entwickelung und Gebrauch der Handfeuerwaffen, [6]
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https://doi.org/10.11588/diglit.37715#0272

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254

Zeitschrift für historische Warenkunde.

I. Band.

der k. k. Hofbibliothek zu Wien zeigt zwei Schützen
beim Schiessen mit der Handbüchse. (Fig\ 31.) Der eine
Schütze hält die Handbüchsc im Anschläge an der
Wange; die rechte Hand umfasst den Schaft, der Ellen-
bogen ist in gleiche Höhe mit der Schulter gehoben.
Der Schütze steht breitspurig mit Vorgesetztem
linken Füsse.
Links seitwärts, jedoch an den ersten Schützen
knapp angeschlossen, steht ein zweiter Schütze,
welcher den Schiessenden mit einer kleinen Tartsche
deckt und gleichzeitig mit der linken Hand, aussen
über die Tartsche greifend, die Handbüchse ent-
zündet. Die Tartsche hat oben einen Ausschnitt
für die Flandbüchse, das Abfeuern geschah wahr-
scheinlich mittelst Lunte.
Eine ähnliche Darstellung enthält auch der Codex
2952 der k. k. Flofbibliothek zu Wien; diese Fland-
schrift ist ein anonymes Kriegsbuch, welches am
Ende die Jahreszahl 1457 eingeschrieben hat.* 1) Der
Inhalt setzt sich zusammen aus dem alten Feuer-
werksbuch, einer Abhandlung über Befestigungskunst
und einer solchen über Taktik und endlich einer
Reihe kriegswissenschaftlicher Zeichnungen.
Die vorliegende Abbildung, Fig. 32, zeigt einen
Schützen, welcher eine Handbüchse, wahrscheinlich
grösseren Kalibers, mit rückwärts eingestecktem stan-
genartigen Schaft auf der rechten Schulter in An-
schlag nimmt. Die linke Hand hält die Flandbüchse
beiläufig in der Mitte des Schaftes und gibt die
nöthige Richtung. Das hintere Ende des Schaftes
liegt auf der rechten Schulter und wird wahrschein-
lich von der rechten Hand — nach der Stellung des
rechten Oberarmes — auf dieser festgehalten. Ein
zweiter Schütze steht rechts seitwärts und entzündet
die Handbüchse.
Vergleicht man die beiden letzten Darstellungen,
so ergiebt sich, dass das Abfeuern durch einen
zweiten Schützen sowohl bei kleinen, als auch bei
grösseren Handbüchsen üblich war.
Auch im Cap. 38, pag. 30 desselben Codex,
welche eine belehrende Abhandlung über das Schiessen
mit Flandbüchsen enthält, heisst es u. A.: «halt auf
den Mittelpunkt des Ziel. Lass die Büchs an-
zünden ...»
Die kleineren Handbüchsen erforderten für den
Schützen einen besonderen Schutz, wahrscheinlich
weil deren Schussweite die der übrigen Handfern-
waffen, insbesondere der Armrust, noch nicht erreicht
hatte; die Schützen mussten, um zur eigenen Wirkung
zu gelangen, in den Wirkungsbereich jener eintreten;
die grösseren Handbüchsen, welche offenbar eine
grössere Schussweite hatten, zeigen keine Schutz-
vorrichtung.
Einen bedeutenden Fortschritt in der Ent-
wickelung der Handfeuerwaffen zeigt eine Abbildung
-1) Vgl. Major Toll: «Eine Handschrift über Artillerie aus
dem 14. Jahrhundert» (Archiv f. d. Offiz, d. Kgl. Preuss. Artill.-
u. Ing.-Corps. Berlin 1866. Jähns, G. d. K. S. 35*(mit der An-
gabe «ungefähr vom Jahre 1450»).

aus Codex 734 der kgl. Hof- und Staatsbibliothek
zu München 1460—1470 (Fig. 33).
Dieser Codex enthält eine undatierte Flandschrift
des Feuerwerksbuchs, welchem von der Fland eines
Künstlers, Hans Formschneider, eine Reihe lehrreicher
Darstellungen über Geschütz beigefügt ist.1)
Die Abbildung zeigt einen mit fünf Kriegern
besetzten Streitwagen, unter welchen sich auch ein
Schütze mit einer Handbüchse befindet.
Derselbe hält eine Flandbüchse im Anschläge
an der Wange, die linke Fland stützt die Büchse
beiläufig im Schwerpunkte, die rechte Hand hält den
Kolben am rückwärtigen Ende umfasst, der rechte
Ellenbogen ist bis in gleiche Flöhe mit der Schulter
gehoben.
Die Flandbüchse besteht aus Lauf, Schaft und
einer Entzündungsvorrichtung.
Der Lauf ist ähnlich den bisherigen Darstellungen;
der Schaft erscheint, wenn die Zeichnung richtig ist,
massiv, in der Mitte verstärkt, am rückwärtigen Ende
kolbenartig. An der rechten Seite befindet sich eine
Entzündungsvorrichtung, wie es scheint, eine Art
Luntenhahn. Nach der Zeichnung muss sich der
Hahn nach vorwärts um einen Stützpunkt gedreht
haben. Es ist nicht zu entnehmen, ob dieser Hahn
durch, eine Flebelwirkung oder durch den Druck
einer Feder bewegt wurde.
In der Abbildung des Cod. ms. 3069, Fig. 15,
und im Cod. ms. 55, Fig. 16, wurde der Hahn un-
zweifelhaft durch die Flebelwirkung zum Zündloch
gebracht. In der Flandschrift des Froissart, Fig. 17,
ist ebenfalls noch die Hebel-Construction zu erkennen,
wobei bemerkt werden muss, dass diese Flandschrift
mit der vorliegenden Darstellung nahezu gleichzeitig
datiert erscheint (1468, 1460—1470).2)
Auch noch in einem späteren Codex finden sich
Abzugs-Vorrichtungen, welche augenscheinlich nur
auf Hebelwirkung beruhen; so z. B. im Kriegs-
buche des Ludwig von Eyb zum Flartenstein, cod.
ms. 1390 der kgl. Universitäts-Bibliothek zu Erlangen.
Dieser Codex wurde im Jahre 1500 beendet und
enthält Darstellungen, welche leider nicht deutlich
genug gezeichnet sind und von denen Eyb selbst
sagt, dass sie «gute und geringe oder gar abenteuer-
licher Zeug zu Büchsen und anderen Dingen» be-
deuten. Fig. 34a zeigt einen doppelarmigen Hebel,
Fig. 34b einen einarmigen Hebel, welcher am Stütz-
punkte um einen Stift drehbar ist. Beim Vergleiche
aller dieser Abzugs-Constructionen tritt noch eine andere
Erscheinung hervor. Bei den ursprünglichen Abzugs-
vorrichtungen Fig. 15 u. 16, ebenso in den späteren
Fig. 17 und 34a liegt der Abzug in der Mitte des
Schaftes, das Zündloch war ebenfalls oberhalb in der
Mitte des Laufes und gewiss schon vor dem Abzug
vorhanden. Bei Fig. 33 jedoch ist der Abzug an
1) Vgl. «Quellen» 43, 111 u T. B, III. Jähns, G. d. K. 394
u. 411.
1) Vgl. «Quellen» m und T. B. V (mit 1460—1480 be-
zeichnet). Jähns, G. d. K. § 13, 272ff.
 
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