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Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (2) — 1822

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No 44-52 (Juni 1822)
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https://doi.org/10.11588/diglit.22119#0240

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V

hielt, auf ſeine Knie nieder, um ſich im Gebet mit
dem Ewigen zu verſoͤhnen.
Waͤhrend des Betens hoͤrte er Thore hinter ſich
verriegeln. Er blieb noch lange auf ſeinen Knien
liegen, bis er endlich aufſtand, und, da ihn Nie-
mand verhinderte, ſeine Maske wieder loszubinden
ſuchte.
Als er die Augen oͤffnete, ſah er ſich in einem en-
gen, von einem Laͤmpchen ſchwach erleuchteten, Zim-
mer, in welchem nichts, als ein hartes Moͤnchsbette
und daneben ein Tiſch ſtand, worauf er einen Tod-
tenkopf, einen Napf voll Karthaͤuſer-Suppe und
eine Flaſche Waſſers bemerkte. Dieſe Aenderung
entſezte ihn auf das Aeußerſte; denn Manente
war einer von den Menſchen, die uͤber einer guten
Tafel am Ende alle uͤbrigen Plagen des Lebens
vergeſſen koͤnnen. Auch dauerte dieſe Koſt, welche
ihm von oben herabgelaſſen wurde, ohne daß er Je-
mand ſehen oder hoͤren konnte, lange genug, um
ihn der Verzweiflung nahe zu bringen.
Waͤhrend dieſer Zeit waren verſchiedene Veraͤn⸗

derungen in Florenz vorgegangen. Lorenzo hatte,

um der Peſt willen, die Stadt auf mehrere Monate
verlaſſen, und in ſeinen Staatsgeſchaͤften den ar-
men Manente ganz und gar vergeſſen. Die Gat-
tin des Lezteren hatte ihre Trauerzeit geendigt, und
die Leere in ihrem Herzen durch eine zweite Ehe
auszufuͤllen geſucht. Nur Monaco, dem es ſelbſt
ein Geheimniß blieb, was aus Manente'n gewor-
den ſey, und Burchiello gedachten ſeiner zuwei-

len. Lezterer hielt ihn wirklich fuͤr todt, und nannte
ſeinen Namen jedes mal,

wenn er auf die froͤhliche
Auferſtehung ſeiner verſtorbenen Zechbruͤder trank.
Manente befand ſich indeß auf einer der hoͤch-
ſten Soitzen der Apenninen,
Karthaͤuſer von Kamald oli, und that in dem fri-

ſchen Gebirgswaſſer harte Buße fuͤr alle Raͤuſchchen,

die er ſich in ſeinem Leben getrunken hatte. Auch
mochte er ſeine Buße wohl noch lange fortgeſezt haben,
wenn nicht einer der Moͤnche des Kloſters auf einer
Reiſe in die Hauptſtadt Loren zo'n gefragt hatte,
was mit dem Gefaͤngenen weiter geſchehen ſollte.
Dieſem daͤuchte es nun doch auch genug, und er
antwortete, daß er denſelben wieder abholen laſſen
wuͤrde. Wirklich erſchienen auch die Vermummten
nach wenigen Tagen in Manente's Gefaͤngniß,

me willkommen, als er fuͤhlte

noch nicht ganz wohl zu Muthe war.
dieſe Leute ſo friedfertig an ſich vorbei ziehen ſah,
in dem Kloſter der

luden ihn in die verſchloſſene Saͤnfte und o zogen mit
ihm ab. ö
Nach einigen Stunden Wegs wurde die e Saͤnfte
gebffnet, und Manente herausgenommen. Durch
Zeit und langes Faſten muͤrbe geworden, war ihm
der Tod erwuͤnſcht, und er hieß ihn mit lauter Stim-
„daß er mit den Haͤn—⸗
den auf dem Ruͤcken an einen Baum gebunden
wurde. Er dachte nicht anders, als daß ihm das
Ende des heiligen Sebaſtian beſchieden ſey, und
erhob ein lautes, und bruͤnſtiges Gebet zu dieſem
Heiligen um Beiſtand in ſeiner lezten Stunde.
Indeß ward Alles ſtille um ihn. Die Pfeile, die
er erwartete, kamen nicht; dafuͤr traf ihn aber die
ſchneidende Gebirgsluft nur deſto ſtaͤrker. Er war-
tete lange; endlich aber, der Erſtarrung nahe, fing
er an ſich zu ruͤhren, und erſtaunte, wie leicht ſich
das Band loͤste, mit welchem ſeine Haͤnde an den
Baum feſtgebunden waren. Nicht ſchwerer wurde
es ihm mit der Maske, und er ſah ſich ploͤtzlich un-
ter freiem Himmel, mitten in einem lichten Walde
allein, und den Himmel mit der leichten Roͤthe
uͤberflogen, welche dem Aufgang der Sonne vor-
angeht.
Ohne zu wiſſen, wo er war, ging Manente,
nachdem er ſich erſt im Dankgebet fuͤr ſeine Befrei-
ung gegen den heiligen Sebaſtian ergoſſen hatte,
vorwaͤrts. Bald ſtieg auch die Sonne empor, und
erleuchtete die Gebirgspfade, auf denen er zwiſchen
den uralten Eichen hernieder ſtieg. Nicht lange, ſo
begegnete er Maulthiertreibern und Pilgrimen, vor
denen er ſich Anfangs verſteckte, weil ihm immer
Als er aber

wagte er ſich heraus, und frug nach dem Wege.

Mit Erſtaunen vernahm er, daß er nicht ferne von

Florenz war, und ſo ergriff er den naͤchſten Weg
nach dem kleinen Landgute, das er im Mugello-

Thale beſaß.

Aber auch hier fand er Alles erandert, da er
ankam. Der alte Paͤchter war weggezogen; der

neue kannte ihn nicht, und wollte auch nicht von

einem andern Beſitzer hoͤren, als von dem zweiten
Gatten, welchen Manente's Frau gceheirathet
hatte. Mit Muͤhe ward ihm ein Rachtquartier in
ſeinem eigenen Hauſe geſtattet. Er ſchrieb in der
 
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