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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 15.1923

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Schröder, Hans: Lüneburger Terrakotten der Renaissance
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https://doi.org/10.11588/diglit.39945#0116

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Simfons befinden: Simfon trägt die Core der Stadt Gaza fort, Simfon bezwingt den Löwen
(findet fid) fd)on 1543 am ßaufe Münze 8 Ä und B), Simfon im Schoße der Delila, die ihm die
Locken abfdjneidet. Diefe Szenen find in lebhafter flüffiger Modellierung wiedergegeben.
Eine Anlehnung an Dolzfchnitte der bekannten niederdeutfchen Lübecker Bibel vom Jahre
1533 fcheint nur lofe zu beftehen. Einige der am Daufe bepndlichen Köpfe find ebenfalls
Bürgertypen in ziemlich kräftiger Modellierung und einfacher Formengebung. Sie find
gotifch empfunden. 3u erwähnen ift, daß drei Köpfe zum erftenmal in einer Profilftellung
gegeben find. Diefe drei Köpfe find die erften Renaiffanceporträts, alfo Gebilde einer
dritten Formengebung, wie pe erft zehn Jahre fpäter in GCIismar und Schwerin in ähn-
licher tüeife auftreten. Die Köpfe find erheblich flacher modelliert und auch nicht mehr
individuell behandelt. Es pnd ein Frauen- und ein Männerkopf, letjterer findet fid)
zweimal. Die Köpfe find charakteriftifd) für den Porträttyp, der fid) in der Renaiffance
herausgebildet hatte, ein Cyp, wie wir ihn ähnlich auf Stichen und Medaillen der
Frührenaiffance finden. Von nun ab treten foldje Porträtplatten der Renaiffance in
reicher Äbwed)flung zu früheren, gotifch empfundenen Köpfen unferer tüerkftatt hinzu.
So am Daufe Lünertorftraße 4, das wahrfd)einlid) 1547 entftanden ift. F)ier treten
zu einer „Ringplatte“ (wie am Daufe Ältftadt 5) und zu einem kraftvoll geformten
bürgerlichen Kopf ausgeprägte Renaiffanceporträts. 3weimal findet fid) der Kopf eines
Römers mit Delm und Nackenfchutj, der in ähnlicher Ausformung (ein Bruftpanzer tritt
hinzu) fpäter in tüismar wiederkehrt. 3U der ßerftellung aller diefer Renaiffanceköpfe
hat der Meifter Formen verwendet. Er hat aber dann an dem ausgeformten naffen
Relief zuweilen freihändig kleine Veränderungen der Kleidung und des Kopfputjes
der Frauen vorgenommen. F)infid)tlid) der Farbengebung unterfcpeiden pe fid) nicht von
den fdion befprod)enen Platten. Ähnliche Platten weift auch das Daus Dßüigengeift-
ftraße 34 auf. Dier hat der Meifter dem Römerkopf, der fonft nur einen Sd)nurrbart
trägt, einen Kinnbart hinzugefügt.
Ein wefentlid) anderes Gepräge tragen die Cerrakotten der unter dem Namen „Der
Schütting“ bekannteften Däufer Am Sande 1 und 2. Eine große Cerrakottatafel, an
deren Seite zwei kleine Figuren ftepen, trägt in kleiner Blattornamentumrahmung im
Aldegreverftil das Entftehungsjahr des FJaufes „1548“. Diefe beiden Fjäufer tragen über
30 Plaketten. 3uerP treten uns die fd)on bekannten Darftellungen aus dem Leben
Simfons entgegen. Neu find zwei monumental geftaltete fteigende Löwen über dem
Portal, die fid) in ihrer Monumentalität würdig den Silberlöwen des Ratsplber-
fd)afees aus den Jahren 1540/41 an die Seite ftellen, Löwen, wie pe fpäter in ähnlicher
Modellierung an derDofpforte des Fürftenhaufes in ülismar1 Vorkommen. Neu find aud)
mehrere Medaillons mit Darftellungen von geflügelten Putten auf Delphinen, die ein ttlind-
fpiel tragen oder eine Keule fchwingen. Solche Putten weift auch der Fürftenpof auf. ünter
den Köpfen des Schüttings zeigt pd) eine überrafcpende Mannigfaltigkeit (Abb. 5—8).
Köpfe in der derben Formengebung, wie pe das Daus Münze 8A und B vom Jahre
1543 zeigte, wechfeln mit Köpfen, die ganz offenpchtlid) Münzen und Medaillen jener
3eit zum Vorbild tyaben*. Das beweift fd)on das feine plaftifdrje Empnden, das aus
den Köpfen fprid)t. Die betr. Vorbilder konnten leider nicht auspndig gemacht werden,
ünfchwer erkennt man das Bildnis Kaifer Maximilians, das Bildnis Franz I. von Frank-
reich- Id) vermute hier keine Vorlagen, fondern nehme felbftändig gearbeitete Formen
eines Lüneburger Formenfehneiders an. In Lübeck felbft fuchen wir vergebens nach
einer folch feinen und dabei kräftigen Geftaltung von Köpfen, wie pe uns in Lüneburg
fd)on 1546 und 1548 entgegentreten, ttlas aber an den Plaftiken diefes Daufes und
der folgenden Däufer interefpert und auffällt, ip die Behandlung der farbigen Glafuren.
1 Sarre, u. a. 0., Caf. 3.
9 Ein Bildnis kehrt verkleinert auf einer Lüneburger Ofenkachel wieder und trägt die Bezeich-
nung VRSEL. (Im Bepfc des Mufeums für Damburgifdje Gefchichte.) Huch das Lüneburger Mu-
feum hat foldje VRSEL-Kacheln.

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