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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 15.1923

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Heft 3
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Die Zeit und der Markt
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https://doi.org/10.11588/diglit.39945#0177

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Ä usftellungen

Glücksfall verdankt. Ein Freund des Mufeums
erwarb eine Sammlung von 46 durch einen Samm-
ler im Laufe der 3ßiten inl Lande zufammen-
gebradjten Fingerringen; aus diefer konnte man
fid) die beften zwanzig ausfudben. Die reicb-
ften find gefcbmückt mit gotifierenden Blättern
und Blumen. Manche zeigen auch romanifierende
Andeutungen, und die FJerftellungszeit geht doch
bis weit ins 19. Jahrhundert herab. Befonders
erwähnt wird noch ein goldner Ring, verehrt aus
dem Nachlaß des um die (Diffenfcbaften und ins-
befondere um das Mufeum hoch verdienten, auch
bei uns Deutfchen in fo freundlichem Andenken
ftebenden Profeffors L. Dietrichfon, romanifche
Arbeit aus der fpäteren Kaiferzeit. Er zeigt eine
Gemme aus Karneol mit einer Fortuna; Profeffor
Dietrichfon erhielt ihn 1869 von Rhoufoupolos
zu Athen. — Das Mufeum war im Berichtsjahre
von 14000 Perfonen befuebt. — (Inter den aus rüh-
riger Cätigkeit hervorgegangenen Veranftaitungen
wird befonders die Ausftellung altnorwegifcher
Goldfcbmiedekunft hervorgehoben, über welche
die Monatshefte auf Grund der ausgegebenen
Sonderfchrift eingehender berichtet haben. Das
feine (Üerk des Direktors f). Grofcb über alt—
norwegifebe (üebekunft wird baldigft mit der
zehnten Mappe zum Abfcbluß gebracht werden.
Die andere große, vom Mufeum berausgegebene
Arbeit von Johann Meyer: Vortids- Kunft i Norges
Bygder, ift dagegen in diefem Jahre nicht weiter
gefördert worden, da der Verfaffer befebäftigt
ift mit Fjerftellung eines ülerkes: Gefcbicbte der
norwegifhen Baukunft, dem wir mit Erwartung
entgegenfeben. Neben den bildenden Künften
im Gewerbe kam in beachtenswerter Güeife im
Rahmen der Veranftaitungen auch die Mufik zur
Geltung. Den zur fjauptverfammlung des Bundes
der „Freunde des Mufeums“ im März 1922 er-
febienenen Mitgliedern bot die Leitung nicht bloß
den befonderen ungeftörten Genuß der Ausftellung
der Goldfcbmiedekunft, fondern auch ein Feft mit
Erläuterungen, Mufik und Gefang von 15 teils
böfifeben, teils kirchlichen Croubadourgefängen
aus der Provence und Nordfrankreich, die dem
12. und 13. Jahrhunderte angehören und nach den
alten Melodien unter Begleitung von Fjarfen und
Flöten gefungen wurden, und diefes Feft muß
nach dem Berichte fehr anregend verlaufen fein.
F)pt.
Ausheilungen
Berliner Äusftellungen
Früljjaljrsausftellung der Freien Sezefjlon
Die wichtigfte, gefchichtlichfte Gruppe unferes
Kunftlebens ftellt nach längerer Paufe wieder
aus, im geräumigen, überfld)tlid)en und die 3abl
der (derke eben gut begrenzenden Lokal der
Galerie Lujj. Eine Ausftellung der Qualitäten,
aber ohne rechte Gipfel, ohne Erregendes in jedem
Sinne. Es fehlt ihr der Mittelpunkt, die rein

fenfationsmäßigeGnausweicblicbkeit und erftrecht
die eroberifebe Kunfttatvon 3u^unftsbedeutung.
Man hat fid) befchränkt, hat gefiebt; das Können
auf mittlerer Linie, die gute Kraft des Stammes
kam dabei heraus. Nicht viel Mitgefchleppte,
nicht viel Neue, und fchon gar keine kühnen
Experimente. Das wohlaffortierte Schaufenfter
einer Gruppe, (denn einerfeits Fritj Rhein,
andrerfeits Archipen ko vertreten find, fo täufcht
das eine Spannweite diefer Ausftellung vor, die
fie eigentlich nicht hat. Aber fie hat refpek-
tables Niveau.
Auffällig unter diefem liegen etwa ßeinrid)
Fjübners kalte Garten- und Blumenftücke „für
fjerrfcbaften“, liegt Boeckftiegels grelle laute,
dabei aber ftromlofe und unßchere Malerei, liegt
das affektierte Bronzeßgürchen des noch namen-
lofen 5einricb-Salze und der koloffale Gips-
bolzen des einft nicht hoffnungslofen, doch noch
immer nicht von den Irrwegen der Blockprablerei
zurückgefundenen Garbe. Das nurNiveaumäßige
überragen vor allem Munchs einfache, tief bin-
pulfende Landfcbaftsgeftaltungen. Lila Beete
werden ziehende Bahnen, auf denen die ftille
Sehnfud)t, die diefes Stück Erde liebt, ins ((leite
flutet. Die klingende Kühle kreift um den laub-
iDfen, fromm in ßch gefcbloffenen Baum-Ein-
fiedler, daß er Acbfe kosmifeben Ablaufs, Be-
wahrer des (Irgebeimniffes vom ((leltgi^bäude
wird. Pechfteins Landfcbaften an der Gegen-
wand wirken da defto rezeptbafter, als Verviel-
fältigungen eines f<hmiffigen (Irfprünglicbkeits-
mufters, als ftupende Creffer eines Variete-Cexas-
Jadc. Aber gottlob kann diefer Pecbftein noch
mehr als können: außer einem geiftreicb und
knapp entworfenen Bildnis ift da ein doch un-
gewöhnliches Stück mit Früchten zwifeßen blau-
febwarz aufgeredeten Maskenfchädeln, in Farbe
und gefpannter Körperlichkeit gewittrig grollend,
Stilleben vor dem Sturm gleichfam. — Von Karl
f)ofer drei ebenfo fd)lid)t wie betörend formu-
lierte figürliche Bilder vom fcbmalen Änftieg und
Jteiler Anmut der Gewalten, koloriftifd) verhalten,
doch zuweilen von Edelroftglüben durchfehienen.
Am feinften: ein finnend und zögernd vor fid)
bin febreibendes Mädchen mit zagen Armen und
fahlgoldenen ßaaren — fpäte Scbwefter von
Corots lefendem Mädchen. — Auch Rudolf
Levy gibt fid) mit einem bezwingend gerundeten,
im Akkord von Blau, Braun und Lacbsrofa auf
feltene (üeife warmen und vollen Stilleben glück-
licher denn je. Nod) einen ganz lüftig gemalten
Rudolf Großmann möchte id) unter die beften
Gaben rechnen. (Ilrid) I)übner wirkt daneben
etwas dicklich, dod) feine laue Luft ift fo locker
und buntfebattig, fein Grün fpinnt fid) fo heiter
durch diefe Fjavellandfcbaften, daß er auch in
moderner Umgebung beftebt. Ein liebenswürdiger
Fries von R. Seewald, Lämmlein vor blauen
Bergzügen, ein paar fein rbythmifierte lyrifche
Molls, der Samtblick einfach urariffener, fd)wer-
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