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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 15.1923

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Heft 4
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Die Zeit und der Markt
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https://doi.org/10.11588/diglit.39945#0218

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Äusftellungen

fd)id)tlid)e Sammlung des Provinzialmufeums
in Hannover an der Seite des Herrn Direk-
tor Bebnke, dem die allgemeine, rein tecbnifcbe
Verwaltung des Kaufes unterßel)t, der bisherige
Äfpßent Dr. Alexander Dorner berufen wor-
den. Diefe Catfacbe kennzeichnet vielverbeißend
den Beginn einer grundfalschen Neuregelung in
den Fjannoverfdjen Mufeumsverbältniffen, die
endlich der feit Jahren geforderten, inneren Re-
orgamfation zuzuftreben fcbeint. In jedem Fall
ift der Gedanke begrüßenswert, daß man von
der unßnnigen Idee des Leine-Sd)lof[es als Ge-
famtmufeum abgekommen ift, dafür aber das
Provinzial-Mufeum als reines Mufeum der großen
Kunft (Gemälde und Plaftik) einrichten will, wäh-
rend das Keftner-Mufeum feinerfeits die kunft-
gewerblicben Sammlungen vereinigen foll. Cüird
im Provinzial-Mufeum felbft durch gefchickte
und gar nicht allzu koftfpielige innenarcbitekto-
nifche Arbeiten räumlich eine neue Baps ge-
fcbaffen, wird Hannover zweifellos bald eines
der intereffanteften und wertvollften Mufeen der
deutfchen Provinz bep^en, deffen Reichtum bis-
her unter der unmöglichen Aufftellung und An-
häufung der Scbätje gar nicht zur Geltung kom-
men konnte. — Rein kunftpolitifd) muß es be-
fonders begrüßt werden, daß — wie es fcbeint
— auch das Fjaus Cumberland, dem ein wefent-
lid)er Geil der im Provinzial-Mufeum vorhan-
denen Kunftwerke gehört, der geplanten Neu-
ordnung grundfätjlid) bereits zugeßimmt hat.—
Auf alle diefe Dinge wird in einem anderen
3ufammenbang fpäter eingehender binzuweifen
fein. B.
Ausheilungen
Berliner Äusftellungen
Das Kronprinzenpalais hat pd) Paul
Klee geöffnet und gibt in der Hauptfache Aqua-
relle aus den Jahren 1921 und 1922, Blätter meift
größeren Formats, die pd) nicht in mehr fpielen-
dem 3ufammenfügen erlefener Farbpguren be-
gnügen, fondern beftimmte Erfcbeinungen und
befondere traumhafte Erlebniffe zum Gegenftand
haben, dementfpredjend auch danach ftreben,
die Aufmerkfamkeit auf das wefentlid)e Motiv
zu konzentrieren, nicht pe über einen Ceppicb
hin zu verteilen. Immer wieder zu bewundern
ift der unerfchöpfliche Reichtum fabelnder Pban-
tape, die Delikateffe und Mupkalität im Kolorit,
das fpröde Filigran einer irrationalen, aber in
ihrer CInausdeutbarkeit defto fafzinierenderen
3eichnung. Somnambulifcbes geht mit einer
gefd)macklid)en Reife und einem ted)nifd)en
Rafpnement ohnegleichen nach wie vor die
innigpe Verbindung ein. Gewiffe grundfätpicbe
Bedenken gegen eine fenptive und bizarre Orna-
mentik von feinftem Reiz aber fd)wad)em Be-
deutungsgehalt fd)winden vor diefen mehr zum

Bilde prebenden, darum dod) keineswegs fdjwer-
fälligen Gepaltungen. Da ift etwa ein „Angler“,
ein krittliges Figürdjen im hohen Raum, über
dem Bodenlofen fchwebend in der Gondel feines
Vorpcbbinträumens. So wenig von Kläffer zu
feben ift, — feine Magie wirkt über das ganze
Blatt hin. Das Schlafen einer Stadt im Gefpinße
ihrer violetten und grünen Meditationen unter
der Sanftmut des Mondes, das Erlöfcben ätbe-
rifcber Pßanzenwefen, das „einfame Lied“, wie
es melodifch hintreibt über dem Auf und Nieder
der Ewigkeit, — das umgarnt in feiner geißigen
Anmut und im Geheimnis feiner runenbaften
Symbole den Sinn wie Mupk von einem andern
Stern. „Im 3eid)en der Schnecke“ heißt ein
Blatt, wo aus der altehrwürdigen Volute eine
wahrhaft tiefpnnige Akkordik lichtblauer und
rofabrauner Farben und der Ausdruck urewiger
Heiligkeit überhaupt entfaltet erfcbeint. Dann
wieder glüht die rote und blaue Üppigkeit be-
törender „Giftbeeren“ auf, fcbnurrt die merk-
würdige „3witfchermafchine“, treibt die fpan-
grüne „Vogel-Infel“ in cbimärifcber Vertaufd)t-
beit der Geftalten wie der farbigen Stimmung
einher. Kurzum eine Fülle der Viponen, nicht
nur aparter Spielereien. Sie vor einem ganz
breiten Kreife ausgepellt zu haben, das ift eine
befonders tapfere und verdienßlicbe Cat der
Mufeumsleitung gewefen.
Im Grunde Ift das altheilige Apen in Klees
Craumdicbtungen unverfälfcbter enthalten als in
der indifcben Kunft von heute, die un-
mittelbar nebenan durch etwa hundert Aquarelle
vertreten wird. Sofern diefe irgendwie als re-
präfentativ gelten dürfen, kann man nur Ent-
fetten davor fpüren, wie hier durch Europens
billige Rafpnements die (Hürde und ßrenge
Lieblichkeit, die Emppndungstiefe und ftiliftifd)e
Präzipon einer noch im 18. Jahrhundert (trotj
auch damals fchon einwirkender Okzidenta-
lismen) unendlich koftbaren, gefammelten und
formpcberen Kunß kläglich ruiniert worden ift.
Diefe natürlich durch manchen Reft alter Kultur
der Linie und der Farbe, durch den Reßex einer
wunderbaren und zarten Mythenwelt, durch die
Reize ethnologifcher Art ufw. noch beßecbenden
Malereien pnd nicht Bespiele einer künftlerifcben
Syntbefe, fondern 3eugniffe einer richtigen Ba-
ftardierung. Sie weifen nod) manche Qualität
der aparten Nüancierung der Cufcben, der
Fläcbendispoption auf, die uns auch in der mo-
dernen Verwäfferung nod) erfreuen können, —
zumal wenn wir die indifcbe Primitive und die
Mogbulminiaturen einmal zu vergeßen ver-
mögen. Dod) neigt diefe ganze Kunft peinlich
zum Parfümierten, zum Gefälligen und fogar
Süßlichen. Die ümriffe pnd beftenfalls Kalli-
graphie, die Farben boudoirhaft geziert. Eine
fade tüeicbe und kopge Genäfchigkeit liegt über
diefer bis zum mondänen Kitfd) etwa des Jugend-
ftils grenzenden, wennfchon nicht direkt ge-

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