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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 15.1923

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Heft 4
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Die Zeit und der Markt
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https://doi.org/10.11588/diglit.39945#0219

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Husftellungen

fcbmacklofen Angelegenheit. Überßüfpg, zu
Tagen, daß pcb die deutfcben Befucber hier un-
eingeschränkt entzücken und von dem ärgerlichen
Gelächter über Klees Rätfel erholen. —
Artur Degner, ein Getreuer der Freien Se-
zeffion, zeigte imEupborion-Verlag eineReibe
von Gemälden und 3eicbnungen. Grapbifcb bat
er keine rechte Pbypognomie, wie denn ömriß,
Akzentverteilung, Körperlichkeit bei Degner meift
im falben bleiben. Sein Cemperament bedarf
der paftofen Ölfarbe und weiß dann in einer
kübn zufammenftreicbenden ßandfchrift zu im-
ponieren. Es ift in diefer Kunft eine bäurifcbe
Hartnäckigkeit, eine malerifcbe Impetuoptät, die
zwar im Bildnis und erft recht dem Nackten
gegenüber unzulänglich bleibt, jedoch der Klar-
beit norddeutfcber Ebene und der Dramatik ver-
ftürmter Himmel einen energifcben Ausdruck zu
geben bat. Seeftücke mit elementar vorrau-
fcbendem tüaffer, aufgefurcbten und vom Glut-
ftoß der durchbrechenden Sonne erbraufenden
Gewölken packen unmittelbar. Sonft trägt die
Vitalität diefer Kunft keineswegs immer den
Sieg über die mediale Materie davon: die hef-
tigen Pinfelftricbe bleiben fleckig, im unruhigen
Nebeneinander fteben, die Farben wirken kreidig
und kreifcbig, der Raum füllt ficb nicht recht
mit fpülender Luft. Antlitze wirken um fo flacher,
als die Faktur eigentlich berausfpringende Körper-
form erwarten ließe; ein wie angefchmiertes Rot
iftbier geradezu leidigesKennzeicbendiefesKünfi-
lers. Die göttliche Lockerheit eines Corintb ipt
feiner verwandten, aber zähen und etwas ackern-
den Kraft nicht verlieben. Im Aquarell vollends
führt Verve nicht immer zur Gefcbloffenbeit. Doch
bleibt eine nicht geringe Potenz durcbgebends
fpürbar, trotj allem fcblackigen ftlefen. — Da-
neben fab man neue Graphik von M. Beck-
mann. —
Die Kunftbandlung Rofentbal ftellte aus ihren
Mappen eine kleine Auswahl deutfcber Hand-
zeichnungen und Aquarelle aus der 3eit
von 1780—1850 zufammen, darunter befonders
gute Blätter von Dillis und Rottmann, einen
febr liebenswürdigen Bürkel und aus Privat-
beptj beigefteuerte Stücke von ttl. v. Kob eil.
ttlilli ülolfradt.
3wei Äusftellungen in der Peters-
burger Eremitage
Meine früheren Mitteilungen über die neuen
Arrangements in der Eremitage pnd noch durch
einige Angaben über zwei temporäre Auftei-
lungen fpeziellen Charakters zu ergänzen.
Von größtem wiffenfchaftlichen und künftleri-
fchen Intereffe ift die „Ausftellung Saffa-
nidifcher Altertümer“, welche nicht nur aus
den eigenen Sammlungen der Eremitage zufam-
mengeftellt wurde, fondern auch fonft ftarke Be-
reicherung erfuhr. Viele Exponate ftammen aus
der „Ruffifcben Akademie der ÜLliffenfcbaften“,

aus den ehemaligen Stroganofffcben fowie einigen
fonftigen Sammlungen, ferner fand hier die be-
deutende Kollektion des Grafen Ä. A. Bobrinfky
Aufftellung, welche jegt Eigentum der während
der Revolutionsjahre gegründeten neuen „Aka-
demie für Gefcbicbte der materiellen Kultur“ in
Petersburg ift. Der Begriff faffanidifcher Kunft
mit all ihren Verzweigungen wurde hier zeitlich
und örtlich recht weit gefaßt, welchen Stand-
punkt JofepbOrbeli in dem einleitenden Auf-
faij zum Ausftellungsfübrer hiftorifch begründet.
Den Mittelpunkt der Ausftellung bilden natürlich
die herrlichen Gold- und Silbergeräte, die zum
Geil aus den Cafeln des von dem unvergeß-
lichen Eremitagekonfervators Jakow Iwano-
witfd) Smirnoff 1909 berausgebenen Atlas
„Argenterie Orientale“ fowie auch aus dem
großen ttlerke der Mobammedanifcben Ausftel-
lung in München bekannt pnd. In der Kata-
logiperung der Exponate pnd diefe beiden Pu-
blikationen überall berückpcbtigt. Unter den
weniger zahlreichen faffanidifchen Bronzegegen-
ftänden bilden die kaukapfcben Keffel, meift
dagbeftanifchen örfprungs, eine befondere, bis-
her noch wenig erforfcbte Gruppe. 3U erwähnen
pnd noch eine Anzahl gefcbnittener Steine in
befonders typifchen Exemplaren und last not
least die koftbare Sammlung faffanidifcher Münzen
aus dem Bept> der Eremitage, die zu den voll-
ftändigften auf diefem Gebiete zählt.
Schließlich fei noch bemerkt, daß, wie Orbeli
in der erwähnten Einleitung mitteilt, im litera-
rifcben Nachlaß J. J. Smirnoffs pcb der feinerzeit
in Auspcht geftellte Cextband zur „Argenterie
Orientale“ in faft fertigem 3upande vorpndet,
deffen Veröffentlichung natürlich mehr als wün-
fcbenswert ift.
Ganz aus dem Rahmen der Sammelgebiete
der Ermitage fällt die zweite Ausftellung unter
der Flagge „Altruffifcbe Kircbenkunft“, die
ihr Entpehen rein äußerlichen ömftänden verdankt.
tüie bekannt, verordnete die Sowjetregierung
im vorigen Jahre die Requirierung fämtlicber im
Kirchenbeph bepndlicher Kultgeräte und fon-
ftiger Gegenftände aus Edelmetallen, welche dann
verkauft werden füllten, um zur Linderung der
Hungersnot im tüolgagebiet bedeutende Summen
zu liefern. Kunftwerke und überhaupt Gegen-
ftände von mufealem und biftorifcbem (Gert unter-
lagen diefer Liquidation nicht und wurden der
oberpen Mufeumsverwaltung, dem fogenannten
„Glawmusej“, überlapen. Für die den Kirchen
Petersburgs und tlmgegend entnommenen Kunft-
werke bildete die Eremitage die ofpzielle, zeit-
weilige Ablieferungspelle, und die allmähliche
Inventariperung der hier angehäuften Kircben-
fcbätje von künftlerifcber Bedeutung erweckte
den ttlunfcb, folcbe öffentlich als ein Ganzes
auszupellen.
Die Auspellung füllt fieben Säle der oberen
Etage der fogenannten Alten Eremitage und geht
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