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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 15.1923

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Heft 7
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Die Zeit und der Markt
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https://doi.org/10.11588/diglit.39945#0384

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Äusftellungen

kürlid) und als bloßer modifcher Crick. Ein gar
nid)t zu leugnender kolorißifcber Gefcbmack,
eine gewifTe Rarbeit der Malweife diskreditieren
er|t recht jenes fatale Spielen mit Einfalt und
ewigem Sinn. Man denkt bei diefem Koket-
tieren mit Nid)trealißik und paradigmatifd)er
Formenftrenge an die Rezitation von Franziskus-
legenden auf mondänen Cees und ähnliche
„Gotik“-Gefellfd)aftsfpiele unferer 3eit. üm die
Glasmalereien Dülbergs ßebt es nicht beffer: pe
zeigen denfelben langweiligen Cypus, — man
unterfcbeidet kaum die dargeftellten klugen von
den törichten Jungfrauen; und b)ier ift fogar die
ted)nifd)e Löfung unbefriedigend, nicht frei von
zerftückender Kleinlichkeit. Dod) fei betont, daß
ein endgültiges Urteil über Dülbergs Schaffen
allein auf diefe Proben hin nicht gegeben werden
will noch kann.
Karl FJagemeißer, den Fünfundfiebzig-
jährigen, zu ehren, hat die in der Neuordnung
begriffene Nationalgalerie ihre älteren und
neuen Erwerbungen von Gemälden und 3eid)-
nungen feiner F)and in einem feitlichen Kabinett
zufammengeftellt. Gegen einige Federzeichnungen
von 1876 und ihre fchattenlofe, dünnlinige fpäte
Deutfehrömerart gehalten ift ein Satj freier ge-
kreideter Blätter mit Küftenmotiven von 1915
nur Beleg der allgemeinen Formwandlung, aber
ohne erhöhten Belang nod) Eigenwert. Huf der-
felben Gefinnungsgrundlage redlich-unkompli-
zierten Naturverhaltens hat jedoch der Maler
Fjagemeißer eine reife Selbftändigkeit der Fjand-
fchrift entwickelt, nach Anfängen auf der Stufe
eines mit Leiftikow-CUirkungen ftark durcbfetjten
Courbet-Nachfahren. Äud) die bekannte „Ülelle“
von 1915 fteht in enger Beziehung zu Courbets
gleichnamigem tüerk; um fo deutlicher nun der
ftiliftifche Hbftand diefer impulpven Spachtel-
malerei, die fahnige Scbaumpatjen zentimeter-
dick auf die grün emporgehöhlten ttlogenkämme
klatfdjt und mit fdjlanker Verve Luftnäffe und
das Gefdjaukel der drängenden Flut binwifcht.
Von der Seite delikater Farbigkeit zeigt den
Künpler des weiteren ein Schneebild mit grün-
lichgelbem Lichtgefchwirr im Gitterwerk fpröden
ttlintergezweigs. —
Dagegen iß für den Betrachter des Gegen-
wärtigen nicht viel zu bemerken über die ganz
konventionellen, faumfeligen Stimmungsland-
fchaften A. ttloblenbergs, mit denen die Kunß-
handlung Nicolai aufwartet. Naturempfindung
der Barbizonfchule in letzter Verdünnung, falon-
fähig glatt und lackig vorgetragen. —
Neue Husßellungs- und Verkaufsräume hat
ljugo Perls mit einer Auswahl aus feinen Be-
ftänden eröffnet, die manches vom crßen Range
zu feben gibt; fo einen in blauem Perlmutter-
licht erfebimmernden Sisley, eine Landfchaft
C^zannes von unfagbarer Feinheit melodifcben
Strömens und Sichneigens zwifchen den Maffen,
einen reizenden fpäten Renoir, zwei Piffarros

und ein altmeißerliches Hffenbild von Decamps.
Dann aber aud) gute Stücke von deutfdjen Ma-
lern des vorigen Jahrhunderts: eine farbig fafzi-
nierende Landfchaft Schirmers, einen frühen
B ö ck 1 i n, den prächtigen Kopf des Malers CCIerner
von Menzel, ferner Fjoguet, Sd)ud), Cbo-
ma, Slevogt und eine befonders glückliche
Starnbergerfeelandfcbaft Crübners. Einige Vi-
trinen mit Kleinplaftik und Gerät aus aller CUelt,
dabei auch Altamerikanifcbes, eine größere
Bronzepgur von Matiffe und etliches Kunß-
gewerbe ergänzen die anfehnliche Antritts-
fd)au. —
Die ßaatlicbe Bildßelle führte ttlalter
Eeges Aufnahmen der Naumburger Skulpturen
und des Domes felbft vor, denen eine künß-
lerifcbe Bildwirkung nicht abzufpreeben iß, die
aber in vielen Fällen eine malerifcbe Flauheit
und Fjelldunkeleffekte anßreben, daß weder unfer
Bedürfnis nach Prägnanz des Ausdrucks nod)
die praktifebe Forderung des Forfd)ers befrie-
digt wird. Die eigenen Aufnahmen der Bild-
ßelle, vielleicht etwas nüchterner im Eon, er-
febeinen da dod) glücklicher, zumal pe ßets den
Raum mit einzufangen wiffen, der fd)ließlid) das
Element diefer Skulpturen iß. GClilli ttlolfradt.
Die Hamburger Früfjjafyrsfezeffion
1923
Impofante Äusftellungen pnd infolge derwirt-
fcbaftlicben Schwierigkeiten feiten geworden, fo
fehlen die aus ihnen erwaebfenden Anregungen,
und am Außenrande liegende Kunßbezirke laufen
Gefahr, zu Provinzen berabzupnken. Diefe ab-
fchüfpge Entwicklung als Folge aller wirtschaft-
lichen Beklemmungen zeigt nur zu deutlich die
diesjährige Frübjabrsfezefpon in Hamburg. Man
hat darauf verzichten müffen, an auswärtige
Künftler heranzutreten, die früher der Ausßellung
ein gewiffes Rüdcgrat gaben, und hat pd) auf
die inneren Kräfte allein befd)ränkt. Ehemals
fal) man, wenn aud) nur vereinzelt, hier einen
Nolde, einen Schmidt-Rottluff u. a. Die Gefahr
diefer künßlerifcben Entwicklungslinie liegt vor
allen Dingen auf feiten des Künftlers. Er ver-
liert notgedrungen den 3ufammenbang mit den
großen europäifchen Strömungen, zumal felbß
die Veranßaltungen, die fchließlid) nicht zum
wenigßen aud) für ihn gefebeben, und die
richtunggebend und wieder bindend fein können,
wie die Derain-Ausftellung bei Flechtheim in
Berlin (November 1922) wirkungslos bleiben,
wenn der Künßler nicht in der Lage iß, pe zu
erleben. Vor 1914 hätte diefe Ausßellung eine
ganz andere ttlirkung auf die gefamte deutfd)e
Künßlerfcbaft gehabt, es würde kaum ein Atelier
gegeben haben, in dem man nicht davon ge-
fprochen hätte, kaum einen Künßler, der nicht
alles daran gefetjt hätte, pe zu befuchen.
tüäre die Entwicklung fo weit gediehen, daß
pd) die Künßlerfd)aft, die pd) hier in derFrüb-

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