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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 15.1923

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Heft 8
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Goebel, H.: Deutsche Wandteppichmanufakturen im 18. Jahrhundert: Die Bildteppichmanufakturen in den Markgrafschaften Bayreuth und Ansbach
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https://doi.org/10.11588/diglit.39945#0390

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Witwe führt die Manufaktur trotj der etwas nervöfen Angft der Regierung, die 1689
(am 13. Juni) ihr vorgefcßoffenes Kapital in Fjötye von 5000 fl. k. W. im ßöchften Maße
gefährdet glaubt, tapfer bis zu ihrem Ableben (Januar 1694) weiter. Der Vormund
ihrer unmündigen Cod)ter Leonard Cellier — der augenfdjeinlid) mit Meifter Michel
ins Land kam — „depuis onze ans dans vos etats“ — übernimmt den Betrieb, in dem
er feit Jahren bereits tätig ift1 2. Er äußert pd) ausführlich über die von der Witwe
Claravaux unvollendet zurückgelaffenen Eeppicße, die er — üellier — ordnungsmäßig
zu Ende geführt habe. Im Wefentlid)en handelt es pd) um eine Elementenfolge von
ad)t Behängen „de tapisserie fort pne“; Meifter Leonard ftimmt ein bewegliches Klage-
lied an über die übergroßen Auslagen, die ißm hierdurch erwachfen feien, über den
hohen Kredit (1500 ßorins), den er bei den „sieurs blommart et buirette banquiers a
nuremberg“ habe aufnehmen müffen. Sereniffimus möge entfprechend die Preis-
bemeffung berüdifichtigen und auf Aufrechnung mit den fchuldigen Summen dringen.
Im übrigen fpielt Cellier auf eine bereits gelieferte Folge an, die nicht näher erläutert
wird. Es handelt fid) wahrfcßeinlid) um die Wiederholung einer der früher fertig-
geftellten Serien, die in dem „Gutachten des hochfürftl. Brandenburg. Vormundfchafftl.
Geheimen Regierungs Raths Collegij“ vom 13. Juni 1689, das fid) mit der finanziellen
Lage der Claravauxfd)en Manufaktur befaßt, erwähnt werden3. Diefe Ausführungen
pnd auch infofern von Intereffe, als pe pd) unzweideutig über die Art des Atelier-
betriebes äußern: „13. Punct. ... (2) daß man ipr (der Witwe Claravaux) neben den
zweyen ftucken der Capifferie von denen freiien Künften noch eine andere Capifferie
von fjoff aus zu copieren leyen möchte (die vier Elemente wurden nach den Gobelins
im Ansbacher Schlöffe gewirkt).
Die Capifferien von Fjoff find bereits zum Copieren abgefolget worden“.
Möglicherweife handelt es pch um eine Wiederholung der behandelten Folge nach
den Kartons von Kornelius Schut. Da diefe charakteriftifche Brüffeler Serie, foweit mir
bekannt, niemals in Aubuffon auf das Gezeug gelegt wurde, ift immerhin die Mög-
lichkeit vorhanden, eine Schutfche Folge in der Cecpnik der Marche auspndig zu machen,
die dann unbedenklich) dem Claravauxfcpen Unternehmen zuzufchreiben wäre.
(3) „Die Sache wegen der Capifferie, welche die zwölff Monat präfentiret, worauff
Cronchin ihr noch 1000 Rtlr. zu end zuebringen.
Die Sache wegen der Capeten, fo die zwölf Monath reprefentirten, toud)iret die vor-
mundfchafftliche Regierung nicht, fondern vielmehr den Crondpn privatim . . .“
Der 14. Punkt fd)ließlid) behandelt das Gefud) um Erbauung einer Färberei für die
Manufaktur der Witwe, das abfdpägig befrieden wird.
Nach dem Ableben des Leonard Cellier (Fjerbft 1696) übernimmt Jean Blanc die Vor-
mundfchaft der jnngen Marie Magdeleine Claravaux und hiermit die Leitung der Manu-
faktur. Eine befondere Kommiffion prüft die Verßältniffe des Ateliers. Es ergibt pch
aus der Abrechnung, daß das Unternehmen der Regierung gegenüber eine fcßwebende
Schuld von 4750 Reichsgulden und einen 3insrückftand von nicht weniger als 1782 ß.
aufzuweifen hat, der infolge der Nichtzahlung der vereinbarten 6% im Laufe der
Jahre entftanden ift. Jean Blanc wendet fich am 29. Oktober 1696 an den Markgrafen
mit der Bitte, dem ünternehmen, in dem rund 25 bis 30 Familien ausreichende Be-
fchäftigung pnden, weitmöglichft entgegenzukommen. Im übrigen beklagt fid) der Vor-
mund über die fd)lechten und fcßwierigen 3eüerL Telbft fürftliche Befteller, wie der
Prinz Ludwig von Baden, der 1693 eine Folge zur Durchführung befahl, habe bis jeßt
noch nicht die Mittel (3000 ß.) zur Übernahme zur Verfügung geftellt. Allein der 3ins~
verluft diefer Serie fei nicht unbeträchtlich. Als Ausgleichsobjekt bietet Leblanc die
Reihe der vier Elemente (acht Behänge) dem Markgrafen an, die Serie fei in der Aus-
führung noch vollendeter als die Folgen, die vor nid)t allzu langer 3ßit nad) Berlin
1 Kreisarchiv Nürnberg, Änsbacher Oberamtsakten Nr. 1095, fol. 220, 222.
2 Kreisardjiv Nürnberg, Änsbacper Oberamtsakt Nr. 1095, fol. 275—294.

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