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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 15.1923

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Heft 8
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Goebel, H.: Deutsche Wandteppichmanufakturen im 18. Jahrhundert: Die Bildteppichmanufakturen in den Markgrafschaften Bayreuth und Ansbach
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https://doi.org/10.11588/diglit.39945#0393

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In der 1. Claffe findet fiel) überhaupt kein Ulirker mehr. In der
„2e Claffe“ erfd)einen:
Gabriel Meissonier, tapissier de la Cour, sa femme et un enfant.
Pierre Dumonthel, tapissier a la cour sa femme.
Älbert Rousset, tapissier, sa femme, se sont aller Ijabituer a Erlang depuis quel-
ques mois (der CUirker arbeitet in der Ulerkftatt des Jean Decfyazaux).
Peijre, tapissier, sa femme et un Enfant, qui est aller travailler a Erlang man-
quand d’ouvrage.
Das von Markgraf Johann Friedrich gegründete Unternehmen ift erlofd)en. Meiffonier
und Dumonthel friften ihr Dafein als FjofWirker, d. h- fie find als Rentraieurs und
Capeziere (im heutigen Sinne) tätig. Die wüfte Ulirtfchaft des Markgrafen Ulilhelm
Friedrich (geft. 1723) und die auf andere Intereffen eingeftellten Beftrebungen feines
Nachfolgers Karl UIill)elm Friedrich boten naturgemäß einer Bildteppichmanufaktur, die
in erfter Linie auf fürftlic±>en Luxus, auf ein verftändnisvolies Entgegenkommen an-
gewiefen war, keinerlei Nährboden.
Es ift mir nicht gelungen, einen fignierten ÖUandteppich aus der Manufaktur der
Claravaux (Vater und Cochter) ausfindig zu machen. Die nach Berlin, Dresden, Augs-
burg, dien und Neuburg gelieferten Serien find verfchwunden, zum mindeften mir
nicht bekannt. Die einzigen authentifd)en Schwabacher Behänge entftammen dem Atelier
des Jean Peux. Die beiden Ceppiche gehören zu der Elementenfolge, die Kartons find
wahrfcheinlich die gleichen, nach denen Marie Magdeleine Claravaux arbeiten ließ, fie
fchmücken das Creppenhaus derVefte Coburg. Die Signatur „PEUX • A • SCHWOBACH“
läßt über das Atelier keinen 3weifel. Die Fjöhe beträgt 3,35 m (3,36 m), das größere
Stück (Abb.) ift 4,65 m, das kleinere 2,60 m lang. Die einft lebhafte Farbenftimmung
— es herrfcheu gelbe, rote und blaue Cöne vor — ift durch das Alter getrübt. Die
Cechnik ift mittelfein, auf einen 3entimcter kommen fünf Kettfäden. Urkundliches
Material ift nach Mitteilung des Schloßkommandanten, des Fjerrn Oberft von Loßnitjer,
der mir in der liebenswürdigften Uleife bei Anfertigung der Aufnahmen feine Unter-
ftütjung zuteil werden ließ, nicht vorhanden. Als Vorbild dienten Stichvorlagen im
Stile Berains. Die Ulirker der lothringifchen Manufaktur von La Malgrange, Bacor
und Mangin, verwerteten im übrigen das gleiche Motiv, allerdings in wefentlich edlerer
Auffaffung und in vollendeterer technifcher Durchführung.
Die Cd a n dt e p p i d) m a nuf a kt u r e n Jameln und Hannover
Die Aufhebung des Ediktes von Nantes (1685) verurfacht eine Maffenauswanderung
aus den gewerbefrohen Städten Frankreichs. In fd)ärffter Uleife werden die Bild-
teppichmanufakturen von Aubuffon, dem reformierten Fjauptorte der Marche, in Mit-
leidenfchaft gezogen. Hunderte von Ulirkern, darunter auch Inhaber der älteften Firmen,
ziehen das Leben in der Fremde dem Gewiffenszwange vor. Ein gewaltiger Aus-
wanderungsftrom ergießt fiel) in die Schweiz, in die Gebiete Deutfd)lands. Neue Uland-
teppid>manufakturen entftehen — ich erinnere nur an Berlin, Erlangen und Schwa-
bach —, eine 3eitlang lächelt ihnen fürftlidpe Gunft; die mangelnden Geldmittel, das
fehlende Allgemeinintereffe verurteilen die Mehrzahl diefer Künftler - Ulerkftätten zu
einem rafchen Ende, bisweilen — der Fall ift der traurigere — zu einem jämmerlichen
FJinfiechen.
Ähnlich wie die Markgrafen von Ansbach und Bayreuth, erläßt fjerzog Ernft Auguft
(feit 1692 Kurfürft) am 1. Auguft 1690 ein Edikt, das fid) ausführlich über die den
Refugies zugedachten Gered)tfame äußert. Die Einwanderung fetjt bereits 1689 ein. Als
Konzentrationspunkt ift Fjameln vorgefel)en. Entfpred)end den übrigen Emigrantennieder-
laffungen in Deutfd)land bildet auch in unferem Falle die franzöfifche Kolonie ein felbftän-
diges Gemeinwefen mit eigener Verwaltung. Nähere Einzelheiten über die Art der Orga-
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