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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 15.1923

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Heft 8
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Graf, Oskar Maria: Der Maler Carl Mense
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https://doi.org/10.11588/diglit.39945#0408

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Nunmehr, nachdem der große Sturm der „Ismen“ fid) gelegt hat, jetjt, da aus der
waßllofen Flut eine fpärliche Ebbe geworden i[t, tauchen die wenigen echten üalente
auf, die Begabungen von Format, diejenigen, denen man nachfagen kann, daß fie durch
die Form ihrer Kunft einer 3^it den Stil geben.
Als ein Fortfetjer mächtiger Craditionen tritt uns Menfe in feinen Klerken ent-
gegen. Form, echt, ungefucßt, zum lebendigen Antrieb des Schaffens geworden, nicht
nachempfunden und angeeignet, fondern durchlebt — dies wirkt aus ihm. Denn was
bedeutet die fauberfte formale Beßerrfcßung, wenn hinter all dem Glanz, hinter aller
blendenden Gefte, wenn hinter den taufendfältigen, erdachten Leblofigkeiten nicht die
gemußte Entfaltung einer wirklichen, fdrjöpferifchen Kraft wirkt?
Daß einer kann, macht ihn noch nicht zum Künftler. Von daher kommen niemals
Diejenigen, die einer 3eit das Bleibende abringen.
Daß einer muß und aus diefem Grundquell hervorbrechend feiner Form das Leben
gibt, das prägt ihn dazu. Ein aus folchen Bereichen Kommender wird nie beeinflußt
und abhängig gemacht von der Überlieferung — fie wird für ihn immer nur Aus-
gangspunkt, nie aber 3iel fein.
Menfe hat die Alten aufgefogen wie kaum einer. Er hat nachhaltige Erfchütterungen
empfangen von den Werken des Meifters von St. Severin, von denen eines Bartel
Bruyn; die frühen Italiener hat er ebenfo gewinnvoll erfchaut wie die unbekannten
niederrheinifchen und weftfälifchen Meifter; Italien und Rußland find ihm Erlebnis ge-
worden und haben Geftalt gewonnen in feinen Bildern — er hat in all den Jahren die
Eindrücke und Erfchütterungen verarbeitet mit dem ganzen Ernft eines nach Endgültig-
keit Strebenden und fteht heute als ein Fertiger vor uns.
„So liegt“, fdjreibt in dem fchon erwähnten Auffatj KI. Schürmeyer, „das Klerk
eines Klerdenden vor uns wie ein Bau, der von feinem Baumeifter verlaffen wurde,
als die Grundmauern aus dem Erdboden herauszuwachfen begannen. Aber wir können
aus dem Fundament den Grundriß erkennen und aus ihm die Fjoffnung fchöpfen auf
eine reiche Vollendung.“
Es ift inzwifchen die Ruhe eingetreten, die diefer Schaffende brauchte, um das ganze
Ausmaß feines Künftlertums wirken zu laffen. 3urückgezogenheit und Stille haben
ihm Sammlung gebracht. Die Münchner 36it Menfes ift eine faft überreiche Ernte von
Klerken, denen man ohne Einfchränkung das Prädikat „meifterhaft“ geben kann. Fjier
in diefer Stadt, in der feit langen Jahren eine bereits d)ronifch gewordene Mittelmäßig-
keit immer unheilvoller wirkt und die hoffnungsvollßen üalente der jungen Generation
verdrängt, weiß man wenig oder gar nichts von diefem Maler. Es wird mit ißm fein
wie mit fo vielen anderen. Eines Cages wird er gehen, fo wie er gekommen ift.
Aus diefem Klerdenden ift in kurzen vier Jahren ein Vollendeter geworden, und nur
das fei diefen 3eilen als Abfdpuß beigefügt —: Diefe Malerei wird nie den „Con
angeben“, aber fie wird um fo mächtiger dem Eintäglichen und Modifchen ihr Blei-
bendes entgegenhalten.
Es ßnd Klenige, Klunderwenige, die fo zur Reife gekommen find. Man kann fie
an den Fingern abzählen. Die 3cit wird fie langfam aufzeigen, aber fie werden den
fieberen Sieg davontragen, die Stillen, Stetigen und Echten vom Schlage diefes Kleft-
falen. —

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