Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 15.1923

DOI Heft:
Heft 8
DOI Artikel:
Böttiger, John: Zu H. Göbels Aufsatz über Holländische Wandteppich-Manufakturen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.39945#0412

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Obwohl es nicht direkt in den Rahmen diefer Mitteilung bineingebört, fei mir doch erlaubt,
darauf binzuweifen — was übrigens in meiner obenerwähnten Ärbeit zu finden ift1 2, daß die fo-
genannten Reicbsfaalteppicbe, zu denen die Äneasfuite, wie aus der Numerierung erpcbtlicb»
ebenfalls gehört, durch den fcbwedifcben Refidenten im 5aag, Pieter Spiering8, im Sommer 1647,
alfo ein Jahr [pater als de Crad)ts von Göbel erwähnter Kontrakt, zum Preife von 24000 Rdr. für
die Krönung der Königin Kriftina beftellt wurden, daß die Arbeit an diefen Ceppidjen im
Dezember desfelben Jahres in vollem Gange, im März 1649 mit Ausnahme der Reinigung nahezu
abgefchloffen war, und daß die Ceppicbe im Frühling desfelben Jahres nach Stockholm abgefandt
werden follten. Betreffs der Hrbeit geht im übrigen aus den Briefen des Repdenten Spiering
hervor, daß man, da die Ceppidje eine [ehr ungewöhnliche Länge haben follten, nicht bereits
fertig vorhandene nehmen konnte, fondern gezwungen war, nach den angegebenen Maßen andere
weben zu laffen und „wegen kürze der zeit“ foldje Patronen anzuwenden, „die ßch an erften und
beften haben an die gand gegeben und die auch fchon vorher feindt gebraucht gewefen“, fowie
daß es nötig war, „etliche der größten Stücke“ teilen zu laffen „und aus einem zwei zu machen
damit (man) defto mehr CHerckläute darüber habe fetjen können“.
Diefe erft 1649 fertiggeftellte Serie umfaßte 46 Ceppicbe, alle von nahezu gleicher göbe und auf
der oberen gorizontalborte mit dem fcbwedifcben Reichswappen, mit dem Vafawappen im gerz-
[cbilde, fowie der Namenschiffre der Königin Kriftina unter einer Königskrone verfeben. Die
während des Schloßbrandes dezimierte Suite enthält nunmehr außer den obenerwähnten Äneas-
teppicben eine Serie Jagdfzenen mit der Delfter Marke, der Jahreszahl 1647 und dem Namen des
Fabrikanten van den Gucbt, von welcher Serie noch drei Geppicbe erhalten pnd3 *; ferner zwei
Suiten Landfcbaftsteppicge, die eine mit der Delfter Marke und der Jahreszahl 1648, vierCeppiche
aus einer Deciusfuite nach Rubens1 ufw. Sowohl die Äneasfuite wie die Deciusteppiche haben
die Farbenftimmung der damaligen Brüffeler öüeberei, wie ein Vergleich der beiden nach dem-
felben Karton ausgeführten Geppiche mit Odyffeus und Diomedes5 (der eine mit der Brüffele
Marke) zur Genüge zeigt. Es dürfte klar fein, daß die Reicbsfaalteppicbe in verfchiedenen Klerk-
pätten ausgeführt worden pnd, ob in Delft oder anderswo, wage ich nicht zu entfcbeiden. Ein
Vergleich zwifcben den Reicbsfaalteppicben und den in Hmfterdam ausgeführten, in unferer Samm-
lung beßndlicben ttlebereien, über die zu fprecben ich an anderem Orte Gelegenheit pnden dürfte,
deutet kaum auf gerkunft aus den Ateliers der obengenannten Stadt. Ihre Cecbnik ift weit
weniger bocbftebend, und pe pnd durch eine andere Farbenftimmung gekennzeichnet. Sollten
gerrn Göbels verdienftvolle Forfcbungen zu einer Beftimmung der gerkunft der unßgnierten Reicbs-
faalteppiche führen können, fo würde das Niemanden mehr freuen als den Schreiber diefer feilen.
tüas fcbließlicb den von Göbel gleichfalls nach meiner Arbeit reproduzierten Ceppicb mit einer
GQildfchweinjagd betrifft, der erft im Jahre 1864 aus einer Privatfammlung für die kgl. gaus-
kämmerei erworben wurde, und der von Göbel ebenfalls der de Cracgtfchen Manufaktur zugefhrieben
wird, fo ift er, wie fchon aus der Abbildung erpd)tlich Tein dürfte, mehrere Jahre älter als der
aus der Äneasfuite wiedergegebene Geppicb mit Venus und Juno aus den Jahren 1647—1649. Im
ginblick auf den tecbnifcben Charakter und vor allem auf die Farbenftimmung des Ceppicbs bin
ich meinesteils febr zu der Annahme geneigt, daß er in derfelben Fabrik gewebt ift, in welcher
die pgnierten, der kgl. Leibrüftkammer gehörigen, für^Guftav II. Adolf gewebten Caperationen
ausgeführt pnd, nämlich in der von Herts Spiering in Delft.

Auf die obigen Ausführungen erwidert H. Göbel wie folgt:
Die Ausführungen gerrn Dr. John Böttigers binpcbtlicb der verlorengegangenen golddurd)-
wirkten Dido- und Äneasfolge „mit Säulen und Laubwerk“ pnd zweifelsohne richtig. Es war
mir nicht unbekannt, daß die im fcbwedifcben Krorifcbatj erhaltene Serie eine Bordürenlöfung — um
diefe kann es pcb nur handeln — aufzweifen hat, die p<b des in barocken ttlandteppicben oft ver-
wandten Säulenmotivs nicht bedient. Die Möglichkeit der Jufcbreibung der Stockholmer Äneas-
folge — ich fchrieb in meinem Auffatje „Crotjdem [cbeint ufw.“ — an das Atelier des de Craecbt
bleibt auch nach den Ausführungen gerrn Dr. Böttigers weiter befteben, folange kein urkundlicher

1 Böttiger. a. a. O., II, S, 22—23.
2 Geadelt Silfvercrona.
3 Böttiger, a. a. O., II, Caf. IV.
* Böttiger, a. a. O., III. Caf. VIII und IX.
3 Böttiger, a. a. O., III, Caf. XVIII.

388
 
Annotationen