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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 15.1923

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Heft 9
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Die Zeit und der Markt
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https://doi.org/10.11588/diglit.39945#0456

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Ausheilungen

3eit nad) Paris ging und aus feinen fjolz-
fdjni^ereien die hervorragende franzöpphe Schule
entftand, die lange nad) Einführung der hand-
werksmäßigen Herftellung weiterbeftand und nur
bis zu neuem Huffcpwung im 20. Jahrhundert
in den Hintergrund trat. V.
Moskau
Hls erfte einer projektierten Serie von Spezial-
ausftellungen älterer ruffipher Meifter brachte
die Cretjakoff-Galerie eine Schau von ca. 50 Ge-
mälden des Dmitry Grigorjewitfd) Le-
witjkij (1735—1822) aus Hnlaß der 100jährigen
CQiederkehr des Codestages diefes neben Boro-
wikowfkij glänzendften einheimiphen Porträtiften
der zweiten Hälfte des ruffifchen Dix-huitieme.
Die Husftellung konzentrierte in einem großen
Saal mit Oberlicht Hlles, was von öüerken Le-
wi^kijs pd) in den öffentlichen und privaten
Sammlungen Moskaus fowie einigen ehemaligen
Landfitjen in der ömgegend bepndet, im ganzen
brachte fie jedoch trotj des imponierenden Ein-
drucks keine ftarken Überraphungen. Im Brenn-
punkt des Intereffes ftanden die bekannten präch-
tigen Bildniffe Lewifjkijs aus den achtziger Jahren
aus den Beftänden der Cretjakoff- und Rum-
jantjeff-Galerien, wie dasjenige der Sängerin
Hnna David, der Frau M. H. Lwoff oder des
Grafen Jakob Sievers, welche den 3enit des
Schaffens des ruffifchen Meifters bilden und in
denen ein gewiffer Einfluß Roslins, der gerade
im vergehenden Jahrzehnt Petersburg befucht
hatte, pd) fühlbar macht. Dies gilt befonders in
bezug auf die oft virtuofe Behandlung des Stoff-
lichen in den Bildern Lewitjkijs aus diefer Pe-
riode1. Neu für das breitere Publikum war in
diefer Gruppe das reizende Bruftbild der Gräfin
ürszula Mniszek geb. 3arnojoko aus der ehe-
maligen Sammlung Nofoff, Moskau (erworben
auf der Vente Mniszek in Paris) — eine echte
Inkarnation des ge iftfprühenden Frauenideals der
Rokokozeit.
Neben den pgnierten Bildern, die ungefähr die
Hälfte der Exponate ausmachten, pgurierte eine
lange Reihe von Porträten, die traditionell Le-
witjkij zugefchrieben werden, aber bei nähe-
rem Vergleich mit feinen echten merken viele
Dubiffa aufwiefen. Einige diefer Bildniffe ßam-
men fogar ficher aus der Hand fremdländifcher
Porträtiften zweiten Ranges, die in fo großer
Hnzapl während des 18. Jahrhunderts Petersburg
zuftrömten. Überhaupt ift ja das ganze Oeuvre
Lewitjkijs bisher endgültig noch nicht pxiert,
trojjdem 1902 eine fplendid illustrierte Mono-
graphie des Meipers von C. Djagileff und Cü. Gor-
lenko erfdbienen war. ünd gerade in diefer

1 Das einzige Gemälde Lewi^kijs, das pd) in einer weft-
europäifepen öffentlichen Sammlung bepndet — das in der
öffentlichen Bibliothek zu Genf bewahrte Bildnis Diderots
war 1773 gemalt, als der franzöpfepe Enzgklopädift am
Bofe Katharina II. weilte.

Richtung war die Lewijjkij-Schau der Cretjakoff-
Galerie mit ihrem reichen Vergleichungsmaterial
von bleibendem ttlert.
Die nächfte Husftellung wird Stephan Fjodo-
rowitfeh Rokotoff gewidmet fein, einem fehr
feinen Porträtiften der gleichen Epoche, deffen
Schaffen und künßlerifche Phyfiognomie noch
fehr wenig erforfefjt find. Die bevorftehende
Gruppierung einer beträchtlichen Hnzapl feiner
merke ift daher mit großer Spannung zu er-
warten. P. F..
München
Channhaufer zeigte einen Überblick über
das neuere Schaffen von Julius Heß- Es han-
delt fich vorwiegend um Landphaften. Heß
fteht zwifchen den Lagern. Nicht aber im Sinne
eines phwächlid) forgenvollen oder betrieb-
füdbtigen Eklektikers, der nirgends Hnfcpluß zu
verpaffen ftrebt, fondern nad) Hrt einer bruch-
lofen, geraden Natur, in der pd) das Formengut
der lebten Vergangenheit mit der Gegenwart
trifft. So ift der Naturalismus etwa einer
Crübner-breiten Farbfe^ung eingelagert in die
großformigeren Kompofitionszüge heutiger Ma-
lerei. Huch im Cemperament greift Heß nie in
die Extreme: Er meidet hinfehmelzenden Lyris-
mus fo gut wie dramatiphes Hufbegehren. Hlles
ift Husfage eines männlichen und fachlichen La-
tentes. Die Farben möchten ftro^en, erfahren
zugleich aber herbe, faft peffimiftifche Dämp-
fung. Stahlgraue und blaue Brechungen laften
auf dunkelgrünen, breiten Vegetationsßäd)en und
tiefblauen ttlaffern. Kräftige Landphaftsräume
werden hingebaut, verlieren pd) nicht in die
Ferne, bleiben vielmehr als Ganzes uns nah-
gehalten. mird diefer Kunft etwas erhalten
bleiben, das mit der Magie des Lebens unab-
läfpg ringt und fich nicht felbftgenügfam dem
bloßen Genuffe eigener Naturkraft ausliefert, fo
wird das Einfchrumpfen in bloße Handwerks-
tüchtigkeit, dem mancher Künftler diefes Cypus
fpäter zu verfallen pßegt, ausbleiben und Beftes
zu erwarten fein.
In Hermann Geibel, dem jungen Münchener
Plaftiker, liegt eine weiblichere Natur vor. Seine
Bildhauerarbeiten bei Cannhaufer zeigten in den
befferen Stüdcen ein Formen durchaus im Vo-
lumen, infofern alfo plaßifches Vermögen. In-
dem die Maffen aber meiftens weichlich in der
Ballung wie in der Lagerung zueinander bleiben,
erweift pd) einmal wieder die fo beliebte Folge-
rung als Crugfd)luß, daß plaftifcher Sinn fd)on
Sentimentalität — oder ÖLIeid)mütigkeit — aus-
fchlöffe. Daß Geibel konfervativ in feinen Bild-
mitteln ift, fagt nichts gegen ihn. Denn Modernität
und Hktualität find — mindeftens aus derVogel-
fchau — weder ein Pro noch ein Contra. Daß
Geibel aber in feinen Hkten ins aufgefchwellt
Fleifd)Iid)e, Strukturlofegerät (Frauenakt, der
fonft an den kraftvollen Mallol erinnern könnte),

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