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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 15.1923

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Heft 9
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Die Zeit und der Markt
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https://doi.org/10.11588/diglit.39945#0457

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Äusftellungen

daß er ferner ins Kunftgewerblicbe der Stilißerung
umkippt, oder ins Genre, hart neben abßrakter
Ballung (ein [lebender Löwe lutfdp an feiner
Cafee), daß er fogar im Gefdjmack gelegent-
lich) verfagt (Grabfigur in fchjwerer Schwell-
form auf wörtlichem Louis-seize-Sockel mit hier-
gegen zierlich ftachlich wirkender Dekoration,
die wieder abzuhauen wäre) — all das zeigt,
daß [ich hier vorläufig, fo liebenswert die da-
hinter ftehende Perfon auch [ei, noch keine künft-
lerifche Reife auswirkt.
Cafpari zeigte Graphik und neuere Aquarelle
von Erich Fjeckel. Die BeurteilungFjeckels hat
jene tgpifche Pendelbewegung durchgemacht, die
allem Ausgefprocbenen widerfährt: Erft erhitzte
Befehdung, [päter geradezu ein Überfeben der
Problematik. Die neuen Aquarelle, meift Land-
fcbaften, unterfcbeiden [ich von früheren Fjeckels
durch etwas Lichtes, weithin Strahlendes und
Schwebendes. Der inbrünftige Peffimismus [einer
früheren Seit löft [ich jetp oft zugunften früh-
lingshaft erblühender Farbe. Mit der Aquarell-
technik läßt Qeckel jetjt dunftige Bläue über
den Kläffern fcbweben. Die größere Gefcbmeidig-
keit legt [ich jedoch weit mehr in Farbe, als in
Form. In der 3eicbnung bleibt meift die alte,
gleicbfam grob ins Qolz fcbnitjende Reduktion.
In der Subftanz, im „Fleifcblicben“, (in diefem
Dritten), hielt p<h Fjeckel von jeher viel afke-
tifcher als etwa Pecbftein. 3wi[d>en 3ßid)-
nung und Farbe aber [pürt man bisweilen faßt
ein Spaltungsphänomen, [o daß die [parrige,
afrikanifcbe 3eicßnung aus der blond gefcbmei-
digen Cönung oft knochig herausbridjt. Man
kann [ehr gut verfteben, warum der Verismus
der jüngften Generation ein viel gefünderes und
genaueres Eingehen auf die Sacbwelt, eine fub-
tilere Stofflichkeit und intimere, allgegenwärtigere
Bindung von Form und Farbe wenigftens er-
ftrebt.
Auch die großen Lithographien Barlach)s, die
bei Gollj zu [eben waren, zeigen den Sinn fo-
wobl als auch die Grenze jener älteren Gene-
ration, deren Arbeit nun überblickbar vorliegt.
Über Sicbverlieren ins Einzelne kann man hier
wahrlich keine Klage führen. Aber es wird
aus etwas Fernficht bereits heute deutlich, daß
Barlachs Kunft doch reichlich oft in keffelartiger
Enge immer wiederkehrender Blockformung ge-
fangen blieb, daß die ganze Intenptät manchmal
etwas Fjolziges hat und das Kraftfcbema oft
nur von kunftgewerblicher Stämmigkeit ge-
wefen ift.
Golljens Aprilausftellung gab übrigens nur
einen kleinen Anbau an die vorige. Eberz
war mit füßfarbigen Aquarellfkizzen von 1923
vertreten, die, einmal weltliche Motive gebend,
das fcßwelend Schwüle [einer unherben, mon-
dänen, „religiöfen“ Malerei bloßlegte. Arntßal
war mit Aquarellen da, über deren Kunft be-
richtet [ei, wenn eine Gefamtausftellung vorliegt,

die Goltj veranftalten will. Einige Arbeiten von
Kokofcbka und Pech ft ein waren eingeftreut.
— Das Aktualitätsereignis war ein neuer Dav-
ringbaufen mit [einem magifdjen Verismus.
Im Raumblock einer Dachkammer hockt ein er-
fcbrockenes Kiefen, halb Gnom, halb Kind.
Klürfel find drum rum getürmt. Links rote, die
wie verfunkene Sonne glühn, rechts blau ge-
[tufte. Fjimmel und Abendglut find drohend [o
im 3immer. Im Fenfterlocb fleht eine gelb
fcbwelende Kland: die Außenfonne. Der grüne
3immerboden wird weithin zur Kliefe, auf der
das Riefenkind [ich Fjaus und Kirche türmt, aus
näcbfter Nähe feltfam in die Ferne führend.
Seifenblafen pnd entlaßen, emporfcbwebend wie
apronomifch fpbärifcbe Kugeln der Feme, lech-
zend aus der gefamten Raumkaftung hinaus
ins Nichts der Lichtwand. Alles wie eine un-
heimliche Riefenminiatur gezeichnet. Eines der
berückendften Bilder Davringbaufens, diefes mit
dem Mikrofkop zaubernden Könners. F. Roh.
New York
Im März hat man hier eine neue große Ga-
lerie auf kooperativer Grundlage eröffnet, die
im Obergefcboß des größten New Yorker Bahn-
hofes untergebracht ift. Die Laiengründer [tiften
auf mehrere Jahre eine beftimmte Summe, und
die Künftlermitglieder je ein Bild pro Jahr, [o
zwar, daß jeder Gründer jährlich ein Kunftwerk
für [einen Beitrag frei nach Fjaufe tragen darf,
was ihm das Los eben zuträgt. 3unäd)ft pnd
pnd 9 der geplanten 20 Säle eröffnet worden,
und nur „konfervative“ Künftler [teilen aus. Die
„Fjecbte“ [ollen aber [päter auch zugeiaffen
werden. Man hat klugerweife „die Gefellfcbaft“
für die Gründung zu interefßeren gewußt, und
[o dürften pcb für die New Yorker Künßler
vielleicht beffere Abfatjmöglichkeiten bieten. Der
Kunp [elber freilich könnte mit diefen an pd)
[ehr fcbönen Galeriefälen erft gedient werden,
wenn wirklich auch die lebendigen Künßler in
pe einziehen werden. Das bleibt abzuwarten.
Solcher lebendiger Künftler — das ift viel-
leicht doch ein befferer üerminus als „modern“
— gibt es gar nicht mal [o wenige hier, und
von einigen konnte man auffchlußreiche Schaue
in den letzten paar Monaten da und dort [eben.
Nur wenige [eien hier kurz in ihrem Kiefen und
Klollen cbarakteripert.
Da war der Äquarellift John Merin in den
Montrose Galleries, der aus Andeutungen Kielten
auf baut, [eine Kielten, die aber überzeugend zu
denen des Befcbauers werden.
In dem Neuling Emile Broncbard, den
Mr. Bourgeois vor einiger 3eit aus dem Co-
buwaboßu der „Unabhängigen Auspeilung“ ber-
ausfucbte, kommt das ewige Kind zu Klorte.
Klie ein folcbes emppndet er die Landfcbaft,
fiebt pe gleicbfam als wie am erßen Cag. Etwas
Süßes, Stilles, Fjeiliges liegt über diefen Klerken,
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