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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 15.1923

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Heft 11
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Die Zeit und der Markt
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https://doi.org/10.11588/diglit.39945#0562

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Verfd)iedenes

an, fondern ift eine komplizierte, rljytljmifd) febr
differenzierte Art von Podeft, ohne darum gleich-
förmig zu fein. Das ard)itektonifd)e Moment
drängt alles Bildhafte zurück; es kommt der
fzenifdhen Geftaltung auf Variation der Huftritts-
möglichkeiten, auf Höben- und Ciefendijferen-
zierung, auf Konzentration der Handlung an.
Die Parallele in der neuen ruffifcben Bildnerei
und Malerei ift ja deutlich; wiedort das Gebilde
vor allem Gebilde, eine Klaviatur der bildnerifd)
geftaltenden Kräfte ift, fo hier die fzenifdje
Konftruktion durchaus Szene. Dabei ein ver-
blüffender Formenreichtum: wuchtige, fpiralig-
phantaftifche, ftätjlern-fkeletthafte, klaffifd)-klare
Hufbauten dokumentieren das Prinzip, deffen
bewegungsentfeffelnde Kraft auch an dem viel-
fach aufklappbaren, durch Creppen ergänzten
Cüandgefüge einer Operettenaufführung z. B. be-
tätigt wird. Der kühne, einfallsreiche 3ufchnitt
der Koftüme, die, im Sinne des alten Pierrot-
koftüms, erfundene Form und unmittelbarer Hus-
druck der dargeftellten Perfon, ihre öüefens-
hieroglyphe fein wollen, überzeugte vollends
durch Geift und charakterifierende Prägnanz wie
durch Lebhaftigkeit und Originalität. Cairoffs
Reifer Cüesmin, Jakuloff und Exter überragen
mit ihren Verfudjen weitaus die meift »dekorativ“
bleibenden oder trocken wirkenden Szenengeftal-
tungen.die fonft in Berlin fidbtbar wurden. Huch
unfere überfd)ät*ten Cefar Klein undPirdjan
etwa ahnen wohl die Richtung, haben aber nicht
die innere Konfequenz bewiefen, fie zu verfolgen,
tüenigftens die erfte Szene jedoch von Poelzigs
„LearMnfzenierung hatte eine tektonifche Steile,
daß man ihm ein Vermögen zu fzenifcher Kon-
ftruktion großen Stils Zutrauen könnte. Vielleicht
findet fid) der Regiffeur, es auszubilden und an-
zuwenden. (üilli Cüolfradt.
Grufinifdje Qandfdjriften
Laut Befchluß der Sowjetregierung in Moskau
wurde der Grufinifchen Republik das Recht zu-
gefprod)en,die koftbaren, alten grufinifchen Hand-
fchriften zurückzufordern, welche feinerzeit aus
Grufien nach Petersburg überführt und dafelbft
der Öffentlichen Bibliothek fowie zum Ceil dem
Hfiatifchen Mufeum der Ruffifchen Hkademie der
Kliffen fchaften einverleibt worden waren. Be-
hufs Verwirklichung diefes Befcbluffes wurde
vor einiger 3eit eine Kommiffion, beftehend aus
ruffifcben und grufinifchen Orientaliften, berufen,
weld)e nach langen Verhandlungen nunmehr
das genaue Programm der Reftitution ausge-
arbeitet hat. In den genannten zwei Peters-
burger Inftituten befinden fid) im ganzen etwa
700 grufmifcbe Fjandfcbriften, und von diefen
werden nunmehr 308 Nummern wieder nad) Ciflis
gebracht. In Petersburg verbleiben die Ma-
nufkripte aus der Sammlung des verdorbenen Hka-
demikers Broffe, die zweifprachigen Palimpfefte
fowie eineReihekoftbarererMiniaturhandfchriften.

Qnter den letzteren ift vor allem das „Cibetfcbe
Evangeliar* aus dem Jahre 995 zu nennen, die
griechifch-grufmifcbe, mit 417 Miniaturen ge-
fcbmückte Handfcbrift aus der Öffentlichen Bi-
bliothek fowie aus dem Hfiatifchen Mufeum die
illuftrierte Handfcbrift BKalila und Danina“ aus
dem 17. Jahrhundert.
Hußerdem befchloß die Kommiffion, deren
Hauptarbeit von Prof. H. G. Schanidfe und H. N.
Genko geführt wurde, fämtlicbe wertvollere Ma-
nufkripte behufs Hustaufd) zwifdjen Ciflis und
Petersburg photographieren zu laffen. P. E.
Photographien javanifdjer Kunft-
denkmäler
Im 3afammenhang mit den Plänen der Reftau-
ration javanifcher Kunftaltertümer, derentwegen
u. a. der bolländifcbe Baumeifter Berlage augen-
blicklich in den niederländifcben Kolonien weilt,
ift mit derHnlage einer umfaffenden Sammlung
von Photographien begonnen worden. Die
Sammlung diefes pbotograpbifcben Materials
liegt in den Händen des Javainftituts, das fid)
dietlnterftütjungdereinbeimifcbenFürften fieberte.
Die Hufnahmen macht Coffilo Hdam. Nach Mel-
dungen indifeber Blätter hat das ünternebmen
zur Entdeckung vieler nod) unbekannter Kunft-
gewerke geführt, fo vor allem in Bantam und
Kudus, wo an Hausfaffaden und in Hausinnen-
räumen Holzfcbniljereien vorhanden fein füllen,
deren Fülle jeder Befcbreibung fpottet, H-
Cremona
Hnfang Mai wurde im Dom von Cremona
das Grabmal des Kardinal Bonomelli entbült,
das nicht nur das bedeutendfte Klerk ift, das
DomenicoCrentacortebisbeutegefcbaffenbat,
fondern an und für fid) eines der hervorragenden
Grabmäler, die in den lebten Jahren in Italien
gefd) affen wurden. Crentacofte ift einer jener
Künftler die heutzutage wenig von fid) reden
machen. Hls er vor etwa 25 Jahren nach langen,
harten Studienjahren aus Paris nach Italien zu-
rückkehrte, hatten die von ihm in Venedig,
Florenz und Rom ausgeftellten Skulpturen durch-
fd)lagenden Erfolg, der ihn zu einem der erften
Bildhauer Italiens machte. Seit Jahren ift er
Direktor an der Kunftfcbule in Florenz. Seine
naturaliftifeben Arbeiten werden zwar von der
jüngeren Künftlergeneration wenig goutiert, in-
des we ckte das Grabmal des Mons. Bonomelli all-
gemeine Begeiferung, da es fid) um ein Klerk
handelt, das jenfeits aller Gefcbmacksrid)tungen
abgeklärte und erhabene Kunft darftellt, den
Befcbauer ergreift und zur füllen Andacht zwingt.
Das Denkmal zeigt die überlebensgroße liegende
Figur des Kardinals aus Bronze auf einem
dunklen Marmorfarkopbag, deffen Füße auf einem
Sockel aus gleichem Mamor ruhen, das Alles
vor einem archüektonifchen Hintergrund aus
hellem Marmor, der das Denkmal an fid) vom

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