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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 15.1923

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Heft 12
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Die Zeit und der Markt
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https://doi.org/10.11588/diglit.39945#0599

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Äusftellungen

Äusftellungen
Berliner Äusftellungen
„Romantiker und Nazarener“ ift eine
überaus reichhaltige, vielgeftaltete Ausstellung
bei 5ugo Perls genannt, eine Fundgrube von
Ergötzlichem und Reizendem, aus dem Sand
frommer Crockenbeit, gefälliger Üblid)keit und
bombaftifcberCrivialität amüfant berauszuangeln.
Die große Rettung verkannter Genialität wird
da freilich kaum angeboten, wobl aber gewinnt
man fid) fo manche liebenswürdige Künftler-
erfcheinung aus der Vergeffenbeit zurück. So
vor allem den miniaturiftifd) feinen und doch
bocbromantifcb geftimmten Frankfurter C. Cb-
Reiffenftein (1820—93) und feinen Mitbürger
J. F. Diel mann (1809 — 85), der \)ier mit
fubtil aquarellierten Kinderbildchen auffällt.
Selmsdorfs (1783—1852)bei malerifcber Akribie
breit entfaltete Landfdßaft mit dem Koloffeum,
des Münchner D y ck (1812—74) lid)tdurcbwärmtes
Kapellen-Inneres etwa könnten fcbon in Ver-
fügung führen, diefen Künftlern einmal nacb-
zufpüren. Auch die Bekannteren haben nicht
abgefagt: Genelli, Blechen, Sofemann,
F. Krüger, Rayfki, Steinhaufen mifcben
ihren eigenen Con in das vielftimmige Konzert,
aus dem ficb mit importanterem Einfaij COerke
von Rottmann, Richter, ein kräftiges Porträt
von Veit (1849) berausbeben. Eine Reihe von
zwanzig meift kleinen und nicht erheblichen Ge-
mälden desCarus zeigt mehr den verwifchen-
den Epigonen in ihm, der fid) fo erftaunlid) weit
in den Kitfd) verlieren konnte. Sein genialer
Vorfahre Friedrich feffelt mit ein paar wie
gravierten Baumzeichnungen mehr als Carus
mit einer Dantevifion. Neben anderen guten
Blättern erfcbeint Friedrich ferner noch mit einem
allerdings febr zweifelhaften, feltfamerweife
auch fignierten und datierten (1837) Spätbildchen
und mit einer altdorferifcb zierlichen Grabes-
ftimmung von übergli^erter Craumrube. Dann
intereffieren wieder ein paar kuriofe Outfider,
etwa die Gefuchtbeit kraufer S^ichnung bei
J.-B. Scholl (1818—92), ein wunderbar gepflegtes
Blumenftück des Düffeldorfers J. KI. Preyer
(1803—85), eine pbantaftifd) kahle Architektur-
zeichnung F. Meyerheims (1838—80), die ihn
neckifcberweife als Propheten der „valori-plastici“-
Beftrebungen binftellt. Das Ausland verfchwindet
neben folcben Proben deutfcber Kleinmeifterlid)-
keit. Melbye und S°race Vernet können
mit aufgeregt fiel) gebärdender Glätte in diefer
Umgebung nicht aufkommen, unmittelbar ent-
zückt dagegen S- Beilange mit einer delikat
und mürb aquarellierten „Dorffzene“. — Insge-
famt eine anfebnlicbe, anregende 3ufammen-
ftellung, die beffer als die Galerie-Elite Einblick
gewährt in das Gewimmel romantifeb-bieder-
meierlid)er Produktivität. —

Die Galerie Lufj fcbließt an Salier den ver-
wandten Bildner Georg Kolbe an, deffen
pfycbifd) ähnlich aufgefaßte Aktfiguren ftets bei
einem lebhafteren Geftus eine größere Ge-
fchloffenheit der kubifeben Einzelform, eine ein-
fachere Oberfläche hatten. Nach einer Pbafe
deutlich betonter Ruhe und 3ügelung ift Kolbe
nun in den lebten Jahren zu faft barocker Ver-
febränkung der Gliedmaßen, zu ungeftümer Be-
wegtheit gelangt, die zuweilen etwas gewaltfam
um Stellungsvariation bemüht erfdbeint und die
ftatifebe Baßs unter fleh verliert. Cbarakteriftifd)
jene kantig gewulfteten Stoffgefchlinge um die
Leiber, die vielleicht nicht immer Notwendigkeit,
aber doch ein ungewöhnliches rhythmifches Leben
haben. Neben einer etwas exprefßv-dekorativ,
faft in der Art Meftrovic;s aufgemachten größeren
Solzfigur, febe ich den künftlerifcben Adel und
die menfcblicbe Feinheit Kolbes bewahrt in feinen
ganz überlegen behandelten Aktzeichnungen und
den kleinen, roftig patinierten Bronzen. Diefe
in fanfter Selbftverftändlicbkeit dahockenden
Mädcbengeftalten, diefes fcblanke Anfteigen der
von keufebem Stolz und leifer Sebnfucbt durch-
wogten Körper find Gebilde jenfeits aller Glätte
und aller Extravaganz, Verinnerlichungen von
unverlierbarer Schönheit. — Mehr Anfprucb als
Bewältigung bedeutet des Grafen Luckner an
gleicher Stelle ausgeftellte, kribblig - fleckige,
baftige und doch bei aller Courage nicht male-
rifd) gelöfte Malerei, die fid) vermißt, Sodom,
Sintflut und heftige Kampffzenen zu geftalten,
aber nirgends Geftalt, nur Aufregung bildet und
fo ihr Pulver vertut. —
Kläbrend Baladine lm Ölbild meift eine ge-
wiffe Schwerfälligkeit nicht überwindet, tritt die
gleichwohl unverkennbare koloriftifcbe Kultur
und gelaffene Menfchlichkeit der Künftlerin im
Aquarell ohne Crübung heraus. Die Kleine
Galerie ließ manch reizvolles Blatt feben,
munter und flüffig mit dem Pinfel gezeichnet,
in allem Lächeln nicht ohne Klärme und formale
Kräftigkeit. Noch eigeneren Reiz kann id)
K. Gatermanns Impreffionen aus Stadtplätjen
und Kirchenräumen, meift Italiens, nacbrübmen.
3wifd)en farbig ganz zart angelegten großen
Säufer- oder Baumformen funkeln entzückend
bunt eingetupfte Figürcben auf. Das Cbarakte-
riftifche der Anfichten ift vorzüglich erfaßt, ob-
wohl Einzelnes kaum erkennbar wird, jondern
nur ein fafzinierendes, fchwerlofes Sufcben von
Cönen und zierlichen Farbakzenten.—
G. A. Mathey fiebt man im Eupborion-
Verlag, eine grapbifd)-illuftrative Begabung
ohne perfönliche Überzeugung der Vifion, un-
entfebieden in der malerifchen Geftaltung, weder
tbematifd) nod) in der Äusdrucksweife ent-
fchloffen, erft im Solzfchnitt oder preziöfen Bud)-
fd)muck zum Stil ßndend. Die Sphäre Stadt,
3irkus, Cafe, der Boudoiranfprud) ift feinem
aparten, gej'chmeidigen Können am angemeffen-

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