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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 15.1923

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Heft 12
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Die Zeit und der Markt
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https://doi.org/10.11588/diglit.39945#0601

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Äusftellungen

Bern
Im Kunftmufeum find zur 3eit neben einer
Gruppe febweizerifeßer, fpeziell Genfer Maler
und Bildbauer, die bernifeßen Kleinmeifter aus
der 3eit um 1800 Freudenberger und König
zu [eben, die ja für die deutfebe Kunft im all-
gemeinen eine nicht alltägliche Fjöbe bedeuten.
Über diefe Ausftellung ift ein illuftrierter Katalog
aus der Feder von Dr. C. von Mandacb er-
febienen, dem auch eine zeitgenöffifebe Cßarak-
teriftik Freudenbergers aus der Feder feines
Schülers F. N. König beigegeben ift.
Hannover
Die Galerie von Garvens zeigt eine um-
fangreiche Kollektion von Aquarellen und gra-
pbifeßen Arbeiten Cßr. Roßlfs. Es ift eine der
anregendften und innerlich erquickendften Samm-
lungen von Klerken feiner Fjand, die wir je ge-
feßen haben. Landfcßaften und Geftalten, Stim-
mungen und Gefcbebniffe ... alles ift eingebettet
in jene Liefe der tlrfprünglicßkeit und Innigkeit,
die immer neu diefen unermüdlichen Maler er-
füllt. Alle Abtönungen feelifcßer und malerifcber
Kräftigkeit fteben ihm zu Gebote: panifeber
Schreck, gefammelte Rübe, dumpfes Braufen der
ürkräfte der Natur. Der Umkreis der in diefer
Art ihrer allgemeinen Richtung nach bekannten
und gerühmten Gabe des Scbauens und der
Verwirklichung dehnt pcb in mehreren der neuen
Arbeiten weiter aus: die Landfcbaft erfebeint fo
beliebtet und zugleich durchleuchtet, daß pegleicß-
fam gläfern erfebeint, erfüllt von rußigem und
innigem Glanze. * *
*
Die Keftner-Gefellfcbaft ftellt verfeßiedene
und feßr verfeßiedenartige kleinere Kollektionen
aus: Br.Krauskopf, Fjutß, A. Klatt, Photo-
graphien orientalifcßer Bauten durch die Staat-
liche Bildftelle, dann Blätter der Keftner-
Mappen. Diefe Publikation wird in näcßfter
3eit vollftändig. Die jetjt gezeigten Blätter von
Moßoly-Nagy zeigen alle Vorzüge feiner Art
und Kraft in abfoluten Konftruktionen, die teils
ältere Bildmotive wiederholen, teils zu ganz
neuen Erfindungen der Kompofition geiftreieß
und bedeutend weitergeben. Die Blätter S cß m i d t-
Rottluffs, Fjutßs, Sd)wichtenbergs haben
alle Vorzüge diefer die „Brücke“ - Produktion
weiterführenden Richtung: Energie, Geßaltenheit
und eineCecßnik der Strichfüßrung, die in ißrem
malerifcßen Charakter der Art des Steindrucks
durchaus gerecht wird. Sobald die Reiße der
Mappen fertig vorliegt (Kaus und Liffitjky fehlen
noch), wird an anderer Stelle eingehender hier-
über zu fpreeßen fein. Eck. v. Sydow.
London
Burlington Fine Ärts Club. Die derzeitige
Ausftellung von Elfenbeinfchni^ereien, die aus
verfeßiedenen 3eitabfcßnitten zufammengeftellt

ift, bringt 250 einzigartige Stücke aus der 3ed
der Ägypter, Karolinger, Byzantiner, Iatliener ufw.
bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts. K. P.
München
Die letzte 3eit bot wenig. Die Sommerfcßau
der Neuen Sezeffion ift noch nicht eröffnet. Die
Alte Sezeffion in der Galerie Paulus habe ich
verfäumen müffen. Die Galerie Cßannßaufer
zeigte — in großem Umfang — den Dresdner
ttlalterjakob, vorwiegend Landfcßaften großen
Formates. In mächtiger Erregung auf die Leine-
wand gewühlt, feßwer, breit, dick im raufeßen-
den Farbauftrag, pnd diefe Arbeiten ganz nach
Art älterer Pßafe des Expreffionismus, durchaus
noch vor der allenthalben einfetjenden Umbildung.
Sie fteben unter Einßuß von Kokofcßka, dem in
gleicher Stadt Lebenden. Vielleicht erklärt pcb
fo die Unberührtheit von allem Kühlenden und
Härtenden, von der Magie des Genauen und
Gehaltenen, welche die moderne Kunft — nicht
zu ißrem Nachteil — bald umgefteuert haben
wird. Kokofcßka iß faft der einzige bedeutendere
Maler des jungen Deutfcßland, der pcß ftilge-
fcßichtlich rückwärts bewegt, indem er, gerade
in letzter 3eit. einen immer fummarifeßeren,
breiter quellenden (bisweilen auseinanderquellen-
den), fcßwergliedrigen Maffenftil — beinah der
früßen „Brücke“ — annimmt. Nun ift freilich mit
pilgefcßichtlicher Bemerkung nicht das Geringfte
über Qualität bemerkt, welche allein entfeßeidet.
Gerade hierin aber wirkt Jakob gegen Kokofcßka
(foviel man auch gegen K. einwenden kann) wie
ein Naturburfcß gegen einen Magiker. Männlich
und entfcßloffen zwar, aber noch feiten von
höherer Geiftigkeit. Hinter dem Furiofo diefer
Malerei bockt noch oft Nüchternes, faft Plumpes.
Manches ift dämonifeßer Biceps, was erregte
Seele feßeint. Bei alledem ein kräftiges Können.
Es möge pcß weniger ßerrifcß dem Rätfel Kielt
gegenüberßellen.
In kleineren Gruppen zeigte Cßannßaufer
Malereien von ÜLIolf Rößricßt, die pcß auf
mittlerer Linie moderner Kunft hielten, weib-
licher, problemlofer in ihrer dekorativen Art.
Ferner Aquarelle von Ä. Scßorling und Dora
Brandenburg-Polßer. Hauptgewinn waren
Blätter von Genin in reizvoller Auswiegung
ißrer breiten,einfam fteßendenMaffen und blaßen,
blond erfterbenden Farben.
Cafpari bot keine Gefamtfcßau, nur gute
Einzelftücke, von denen genannt fei: Neue Gra-
phik von Chagall im idyllifcß gewordenen, un-
zerlegten Kleinftil, wo Dämonie und Lieblichkeit
wunderfam ineinanderfpielen. Ferner ein ganz
kleinerLieber mann (Ölbild),eine Orcßefterfzene,
in deren Schwung ein Schuß Liebe oder 3ärt-
licßkeit einging, die Liebermann nach Ablauf
feiner Jugend feiten fpendete, die nun aber in
letzter Spätblüte noch einmal aufzuleucßten
feßeinen. Es folgten kraftvolle Cor int ßs, ein
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