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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 15.1923

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Heft 14
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Die Zeit und der Markt
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https://doi.org/10.11588/diglit.39945#0686

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Sammlungen

ttlie man pebt: keine bßtorifch befriedigende
Ordnung. Kein rechter Aufbau, allenfalls ein
paffables Siebreiben innerhalb der einzelnen
Etagen. Ob es freilich bei dem gegebenen
Bilderfcbafc und bei den feftgelegten Räumlich-
keiten beffer zu machen gewefen wäre, das ift
eine andre Frage. Jedenfalls nicht bei gleich-
zeitiger Erftrebung äßbetifcb - befriedigender,
kompletter Kapitel - Räume. Juftis ümordnung
konnte und wollte nicht revolutionieren, fondern
unter möglicbß gerechter Güabrung aller Arten
von Mufeums-Intereße das vom Ballaft befreite
Vorhandene darbieten. Alles was für das Kom-
promiß überhaupt zu fagen ift, gilt auch für
diefe neue Nationalgalerie. Die Dinge fpreeben
wie nie vorher, pe haben vor allem ein Einzel-
leben, aber auch ein von der Gruppe bezogenes.
Sie laden zu verweilender Betrachtung, und
wenn die Reihung auch nicht ganz befriedigt,
fo fpürt man doch einen leitenden Sinn aus ihr
bei jedem Schritt. Die Meifterleiftung beßebt
in der Konzentration auf das Bild durch die
Behandlung der Cüand, wie alfo z. B. in den
Hallen des3wifcbenßocks die alles verdruckende
Höbe erfolgreich bekämpft iß. Man ftebt nicht
eben vor einer grundfätjlicben ömgeßaltung,
aber vor einer ausgezeichneten Klärung und
Durcbforftung.
Abfcbließend möge auf einige Details binge-
wiefen fein. Es wäre ungerecht, hier von den
fcblimmen Lücken der Galerie zu fpreeben; und
auch nach verfchwundenen Meifterßücken fei
nicht gefragt. Aber es fei angeregt, den Caufch-
verkebr mit andern Galerien möglicbß auszu-
bauen. tüir können ganz gut einen großen
Menzel hergeben, zum Beifpiel, um dafür Ham-
burger Maler beffer vertreten zu haben. Übri-
gens leiden gerade die Menzelräume febr unter
dem Mufeumsneubau vor den Fenftern; vom
„Eifenwalzwerk“ iß nicht viel zu feben. Noch
fcblimmer ftebt es darin mit dem Mareeszimmer,
das in feiner Schmalheit überhaupt ein Stiefkind
der Gmordnung ift. Man hat keinen Abftand
zum Crypticbon des „Parisurteils“, überdies ver-
wirren Fliefen und vertrackte Deckenmalerei die
Schau. (Dabei ift zu bemerken, daß die Sitz-
gelegenheiten oft ungünftig aufgeftellt pnd und
leider nicht genug praktikable gefdjaffen pnd.
Für die Förderung eindringlichen, gefammelten
Betradbtens fpielt derlei gar keine geringe Rolle;
auch eine Mahnung, das laute Sprechen vor
den Bildern zu unterlaßen, wäre recht ange-
bracht gewefen.) Böcklin hätte man getroft
etwas ausmerzen dürfen, auch ein bißchen viel
Andreas Achenbach und Knaus iß da. Dem-
gegenüber kann id) es nur berechtigt pnden,
daß Defregger und Anton v. ttlerner nicht ganz
unterdrückt pnd; — das gehört fcbließlid) durch-
aus zum 19. Jahrhundert. Der große Saal, in
dem diefe Paradeftücke hängen, wird überdies
oft durch Sonderausftellungen befeßt werden.

Allerdings hätte man in Anbetracht deffen die
herrliche Rottmann fkizze vielleicht günßiger
hängen follen. ttlie kommt nun aber Fantin-
Latour in diefen Saal? Vielleicht hätte man
alle niebtdeutfebe Kunft beffer ins Kronprinzen-
palais übernommen. Schinkel erfebeint über-
betont bei all feinem Reiz, Friedrich war früher
weit beffer berausgeßelit. Köftlid) die Kabinette
Spitjweg, Berliner ufw. Blechen mußte wohl
verkürzt werden, aber man vermißt nun das
ttlicbtigße. Crübner wirkt auf grüngeßreifter
Seide famos; das Leibizimmer in Rot wäre nicht
fcblecbter, blendete hier nicht das Licht arg. —
Im Ganzen genommen kann pd) die National-
galerie fo feben laßen, ganz wörtlich verßanden.
Man kann über den ttlert der Stabilität einer
Galerie verfd)iedener Meinung fein, — auch das
lebendige Fluktuieren und CImkonftellieren hat
ja viel für pcb. Da aber eine Dauerordnung
einmal erßrebt worden ift, fo kann man trotz
etlichen Schwächepunkten nur bekennen, daß
die Galerie einen muftergültigen und langfriftige
Bewährung glaubhaft machenden Eindruck er-
gibt in ihrer neuen Einrichtung.
Olilli tüolfradt.
Neuerwerbungen der Städtifdjen
Galerie Nürnberg
Ganz in der Stille ift die im Jahre 1921 ge-
gründete Moderne Galerie der Stadt Nürnberg
im Künßlerbaus am Königstor im Verlaufe des
lebten Jahres um eine ftattliche Reihe wertvoller
Neuerwerbungen und Leihgaben bereichert wor-
den. Als eine der älteften Schöpfungen zu nennen
ift das im Jahre 1818 von Albrecbt Adam
(1786—1862) gemalte Bild „Fürft ttlrede mit feinen
Söhnen zu Pferde vor Schloß Ellingen“. Der
Beftand an Bildern von Johann Adam Klein
wurde allein um vier Bilder vermehrt. In dem
1817 gemalten Bildchen „Bauer in einem Hofe
fein Pferd tränkend“ dürfte die Galerie das
frübeße, bislang bekannte ausgeführte lüerk des
Meißers bepfeen. Von dem Nürnberger Paftell-
porträtmaler Friedrich Karl Kreul (1804—1867)
erhielt die Sammlung ein 3weikinderbildnis, das
fowobl durch die Naivität der Auffaßung wie
den zarten und duftigen Schmelz des Kolorits
beftiebt. Nürnberger Provenienz iß auch das
biedere Porträt eines wohlgenährten Bürgers-
mannes in tiefblauem Rock, eine Arbeit des um
1830 in Nürnberg tätigen Georg Michael Habn.
Auffallend naturfrifd) iß die kleine oberbayeri-
fdrje Gebirgslandfcbaft von dem Braunfchweiger
Georg Heinrich Brandes (1808—1868), der
fid) anfangs unter Cornelius der Hißorienmalerei
gewidmet hatte. Von dem Berliner Albert
Hertel (1843 —1912) konnten zwei Bilder er-
worben werden: eine Landfcbaft mit Steinhügel,
eine Früharbeit des Meißers, zart, weich und
duftig im Kolorit, ganz durchdrungen von dem
fominerlichen Liebt, in dem der unfagbar an-

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