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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 15.1923

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Heft 21
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Der Graphiksammler
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Teupser, Werner: Zu einigen Zeichnungen des Julius Schnorr von Carolsfeld
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https://doi.org/10.11588/diglit.39945#0986

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ßeitsarbeiten, die er bei [einen häufigen Landbefucßen mit den Quandts, aber auch) mit
Paffavant und Fjorny ausführte. Oft gibt er in ihnen, wie er [elbft bezeugt, nur die
einfache Natur. „Was id) gezeichnet, l)abe id) bis auf ein Paar 3weige oder Bäume
auch gefehen. In der Wiedergabe der Berglinien, der Verhältniffe nach f)öhe und
Breite, in Angabe der Gründe nebft den Wegen, auch der Baulichkeiten bin ich der
Natur und Wahrheit genau gefolgt.“ Crofedem lebt unfere 3eid)nung von dem bild-
mäßigen Erfaffen der Natur, die er mit zeidjnerifcher Schärfe wiedergibt. Man wird
an Dürer gemahnt, wenn man die Liebe in der Behandlung von Blatt- und Strauch-
werk beobachtet, während andererfeits eine rhythmifche Empfindung in all den vielen,
fpielenden, [dringenden Formen unverkennbar i[t. Durch ihre flutende Beweglichkeit
erhält aber auch erft die 3eid)nung ihren inneren 3ufanimenhang, ihre bildmäßige
Gefd)loffenheit.
Diefe wunderbare Kultur der Linie, die hier ihre ungeahnten Reize entfaltet, offenbart
[ich erft recht natürlich in einigen Bildniszeichnungen, die ihrer inneren Natur nach
fd)on dem jungen Künftler die Möglichkeit gaben, die Einzelheit getreu und klar zu
geftalten, dabei aber eine Gefamterfcheinung durch einen fließenden Kontur zu binden.
Es [ei darum auf die wenig bekannte Bleiftiftzeichnung von der geiftvollen und
fd)önen Fjenriette Fjerz aufrnerkfam gemacht, die Schnorr in dem deutfchrömifchen
Künftlerkreife kennen lernte. Das prachtvolle Blatt (1820 dat.) dedizierte Schnorr [päter
Preller. Es wird im Leipziger Kabinett verwahrt, ßier wird es wohl am beften zum
fühlbaren Erlebnis, in wie hohem Maße Scßnorrs zeicßnerifcher Stil durch feine rein
geiftige Einteilung bedingt ift, die der aufftrebenden Generation des damaligen Deutfd)-
lands aufs engfte verwandt ift. Ein Vergleich mit Ingres, der doch als 3eitgenoffe
eine gewiffe Verwandtfchaft mit den deutfdtjen Nazarenern befaß, würde daher nur
beweifen, mit welcher Ausdruckskraft und t)in9ebenden, liebevollen Anteilnahme die
einzelnen Formen und Linien bei Schnorr geführt find, wie in ihnen ein geheimer
Drang nach Einmaligkeit lebt. Vor allem aber würde man [ich bewußt werden, daß
auch Schnorrs zeichnerifdjer Stil in die große Entwicklung deutfcßer Kunft [ich orga-
nifch eingliedert und von dem ernften Ringen um ftrenge Formprobleme zeugt, die den
deutfcßen Künftler infolge feines tlnendlichkeitsemppndens und feiner Sehnfudjt nach
Vollendung dauernd befchäftigten. Sollte uns daher vor diefen Blättern nicht die
heimliche Erkenntnis kommen, daß auch der Drang unferer Cage nad) einheitlichen
Formgebilden gleichfam aus innerer geiftiger Verwandtfchaft mit der Generation, die
folches fchuf, entfpringt und daher mit innerer Notwendigkeit in ähnlicher Weife [ich
offenbaren muß?


(üilbelm Cifcßbein.

Aquarell.
 
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