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Heidelberger Zeitung (43) — 1901 (Januar bis Juni)

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Nr. 1-26 (2. Januar 1901 - 31. Januar 1901)
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Donnerstag, 3. Januar 1SÜ1. Erftes Blatt. XXXMI. Jahrgang. — Xr. 2.


Erscheint täglich, Sonntags ausgenommen. — Preis mit Familienblättern monatlich 50 Pfg. in's Haus gebracht, bei der Expedition und den Zweigstellen abgeholt 40 Pfg. Durchirdie Postl.be-
zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.
Anzeigenpreis: 20 Pfg. für die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Anschlag der Inserate auf den Plakattafeln der Heidelberger'Zeitung
und den Plakatsäulen. — Fernsprech-Anschluß Nr. 82.

Bestellungen
auf die Heidelberger Zeitung für das 1. Vierteljahr 1901
werden bei allen Postanstalten, den Briefträgern, den
Agenten, bei den Trägern in der Stadt, sowie in der
Expedition, Untere Neckaritr. 21, angenommen.
Bezugspreis: monatlich nur 50 Pfg., frei in's Haus
gebracht, nur 40 Pfg. in der Expedition oder in den
Zweigstellen bei den Herren LouisFrank, Kolonialwaren-
handlung, Hauptstraße 182 am Markt, C. F. Beisel,
Schreibwarenhandlung, Hauptstr. 34, Joseph Schroff,
Perkeodrogerie, Rohrbacherstr. 58, und Georg Moock,
Kolonialwarenhandlung, Brückenstraße 28 abgeholt; durch
die Post bezogen, Mk. 1.35 vierteljährlich, mit Zustellgebühr
Mk.1.77.
Die Beamten der deutschen Arbeiter.
In dem Jahrbuch der Naumann'schen Hilfe „Patria"
(Berlin, Hilfe), das sich aus verschiedenen Aufsätzen
zusammensetzt, unter denen eine anregende Betrachtung
Naumann's über die Politik der Bauern hervorzuheben ist,
veröffentlicht Friedrich Wein Hausen eine interessante
Studie über einen Gegenstand, der bisher noch nicht be-
arbeitet worden ist, das Beamtentum der deutschen
Arbeiterbewegung. Da der Stoff wohl eine Be-
trachtung verdient, folgen wir mit der „Köln. Ztg." im
Nachstehenden seiner Skizze, die natürlich durch die christlich-
soziale Parteistellung ihre besondere Färbung erhält. Da
tritt zuerst der Kassen beamte auf; aus der Arbeiter-
schaft hervorgegangen, hat er Muße genug, um in Ver-
sammlungen und Kongressen mit größerer Unparteilichkeit
und rücksichtsloser Konsequenz seine leidenschaftslose
Stimme erschallen zu lassen. Auf einer höheren Stufe
steht der Arbeitersekretär; meist akademisch gebildet,
muß er eine erstaunliche Vielseitigkeit und Anpassungs-
fähigkeit, eine große Gewandtheit im mündlichen und
schriftlichen Verkehr entwickeln. Bei einer aufreibenden,
einflußreichen, an Aerger und Enttäuschung reichen Berufs-
arbeit bezieht er ein Gehalt von 1800—2200 Mk., in
Ausnahmefällen 3000 Mk. Je zahlreicher die Arbeiter-
sekretäre werden, um so knapper wird der Vorrat an
intelligenten Köpfen werden, die um diesen Preis zu haben
find. Erst recht viel geplagte Menschen sind die
Redakteure der sozialdemokratischen, gewerkschaftlichen
und genossenschaftlichen Presse. Meist haben auch hier
glatte, gewandte Akademikerhände die schwieligen Fäuste
ehemaliger Handarbeiter verdrängt. Ihr Einkommen kommt
in der Regel dem der besseren gelernten Handarbeiter gleich:
1800 Mk., in Großstädten 2200—2400 Mk., nur erste
Kräfte an besonders einflußreichen Zeitungen steigen hoch
darüber hinaus und rufen damit neidvolle Erörterungen
hervor. Was sie neben der agitatorischen Thätigkeit noch
als besondere Last mitschleppen müssen, ist die Kritik ihrer
demokratischen Leserschaft, die Bevormundung durch die
Preßkommission, die straffe Oberleitung ihres Vorstandes.
Je weniger durchgebildet, um so wunderlicher, um so
selbstbewußter die Wünsche. Häufiger Wechsel im Redaktions-
personal, Tiefstand der Provtnzialpresse, Eindringen
desperater Elemente sind die Folgen der gefahrvollen Lage

des Redakteurs, deren Existenzunsicherheit durch stets
drohende, unvernünftige Versammlungsbeschlüssc erhöht wird.
Nicht rosiger ist die Lage bei dem Beamtenstab der Ge-
werkschaften und Genossenschaften, obschon es sich hier um
eminent praktische Arbeit, um Verwaltung, Kassenführung
u. s. w. handelt. Ein alter Gcwerkschaftsbeamter der
Schuhmacher, Siebert in Mainz, veröffentlichte kürzlich
einen Notschrei, in dem es hieß: Ich bin vollständig auf-
gerieben, der letzte Rest meiner Arbeitskraft vollständig
ausgepowert und geradezu herausgcschunden. Soll ich
vielleicht das Arbeitshaus aufsuchen?! Unter häufigem
Wechsel der Personen werden neue, ungeübte, unerfahrene
Kräfte angestellt, um bald denselben Weg zu gehen. Und
doch kommt es bei dem Mangel jeglicher Tradition nirgends
mehr auf die persönliche Erfahrung, ruhige, weitblickende
Ucberstcht an. Freilich die Genossen meinen, daß fette
Gehälter lediglich die Entstehung des Krämergeistes be-
schleunigen. Auch in England beherrschte die Arbeiter-
genossenschaften einst die Theorie, daß das Gehalt ihres
Dieners in keinem Falle mehr betragen dürfe, als den
Durchschnittsverdienst seines Herrn, aber die Erfahrung
hat sie längst davon zurückgebracht.

Zur Lage in Südafrika.
Es liegt in der Natur der Sache, daß die englischen
Blätter beim Jahreswechsel ihre Blicke hauptsächlich nach
Südafrika richten und einen Vergleich mit der Lage dort
vor einem Jahr ziehen. Die „Times" erhält aus Kapstadt
folgenden Neujahrsbericht: Der erste Anblick der Dinge
in der Kapkolonie beim Anfänge des neuen Jahres
ist kaum weniger düster, als beim Anfänge des Jahres
1900. Die Zahl der Buren, die in das Land eingefallen
sind, kann in diesem Augenblicke als geringer angesehen
werden, als sie es im vorigen Jahre war, aber die Buren
sind diesmal viel mehr nach Süden eingedrungen und
ihre Gegenwart in der Nähe gewisser holländischer feind-
licher Mittelpunkte bildet eine Gefahr, die bis zum Januar
nicht bestand. Die heute Vormittag vom Oberkommissar
veröffentlichte Proklamation, die Freiwillige verlangt, um
die Verkehrslinien zu verteidigen, beweist, daß die Militär-
behörden endlich erkennen, wie kritisch die Lage ist.
Aber diese Maßregeln wurden zu spät ergriffen, und man
hat sich die Frage gestellt, wie es möglich war, daß die
Buren jeder Verfolgung entgehen konnten. Der Grund ist,
daß sie sich frische Pferde zu verschaffen wußten.
Wenn man, nachdem das erste Kommando den Oranjefluß
überschritten hatte, den Kriegszustand erklärt undsämtliche
verfügbaren Pferde eingezogen hätte, so wäre ein
Vordringen der Buren unmöglich geworden. Wenn
man die 20 000 Pferde nicht hätte requirieren können,
hätte man sie eben ankaufen müssen. Der Preis für sie
wäre nicht höher gewesen, als die Kosten einer Kriegs-
wochc.
Aehnlich spricht sich der Neujahrsbericht der „Daily
Mail" aus Kapstadt aus. Dort heißt es: Der Ernst
der Lage in der Kapkolonie wird gekennzeichnet durch
die Ueberschreitung des Oranjeflußes durch zwei
weitere Kommandos. Die in der Kapkolonie ein-

gefallenen Buren zählen nun über 5000 Mann. Eine
Panik besteht nicht, aber das westliche Kommando verur'
sacht am meisten Besorgnis. Es hat sich in zwei
Abteilungen geteilt, welche gabelförmig von einander mar-
schieren. Die eine Abteilung marschiert über Sutherland
nach Malmesbury zu, die andere konzentriert sich gegen
Beaufort West. Eine verdächtige Bewegung von Farmern
nördlich von Malmesbury hat während der vergangenen
Woche stattgefunden, wird aber scharf überwacht. Die in
die Kapkolonie eingefallenen Buren, welche Carnarvon ver-
lassen haben, bewegen sich nach Fraserburg zu und werden
von einer Uebermacht von Kavallerie verfolgt. Auf der
östlichen Seite des Gebietes, in welches die Buren einge-
fallen sind, konzentrieren sich Buren in der Nähe von
Steynsburg, um nach Cradock durchzudringen, welches eines
der wichtigsten strategischen Centren in der Kolonie ist.
Die Proklamation der Kap-Regierung, welche die loyalen
Einwohner der Kolonie anruft, den Truppen zu helfen,
war in Folge der besonderen Taktik der Buren nötig.
Dadurch, daß dieselben sich in kleine Abteilungen zersplittern
und eine Schlacht ablchncn, vergrößern sie die Schwierig-
keit, der Invasion Herr zu werden, sehr. Die Buren ver.
breiten sich jetzt über gewaltiges Gebiet und es ist ein
Armeekorps nötig, um mit ihnen fertig zu werden.

Deutsches Reich.
— Mehrere Berliner Blätter hatten von einemangeb-
lichen Verlust der Kaiserin beim Zusammenbruch der
Firma Anhalt und Wagener in der Höhe von 1,5 Mill. Mk.
berichtet. Der Betrag soll bei der durch die genannte
Firma ausgeübten Vermögensverwaltung definitiv der
Kaiserin verloren gegangen sein. Demgegenüber ist der
„Lokalanzeiger" von zuständiger Stelle zu der Erklärung
ermächtigt, daß es sich bei der betreffenden Mitteilung um
eine pure Erfindung handelt. Die Firma hat bloß die
Coupons für die Schatulle der Kaiserin einzukassieren ge-
habt, aber von einer Vermögensverwaltung war niemals
die Rede. Ebenso wenig hat die Kaiserin durch das
Fallissement der Firma einen Verlust gehabt.
— Ueber die Haltung der deutschen Truppen in
Asien sind die ausländischen Zeitungen voller Anerkennung,
dagegen finden sic an unserem Transportwesen viel
auszusetzen. Nach einem zuverlässigen und nicht deutsch-
feindlichen Berichterstatter der „Morning Post" habe es
sich als „jämmerlich unzureichend" gezeigt. „Die
größte Militär-Nation der Welt hat noch manche Elemen-
tarkenntnisse inbezug auf Feldzüge in fremden Ländern zu
lernen, und zwar von den Engländern und Amerikanern,
die in keiner Weise als Militärmächte angesehen werden
können", fügt der Berichterstatter, Mr. Whigham, hinzu,
und urteilt, daß die Mangelhaftigkeit des Transport-
wesens nicht ohne Einfluß auf den Gesundheitszustand der
Truppen geblieben sei.
— Zur Auffüllung des kriegsmäßigen Be-
standes an Konserven, welcher seit dem Beginn der
ostasiatischen Expedition bedeutende Abgänge aufweist, ist
für die beiden Armee-Konservenfabriken in Spandau und
Mainz eine wesentliche Steigerung des Betriebes in diesem

* Das Romanfeuilleton findet der Leser tm heutigen
zweiten Blatt.
Reichskanzler Graf Bülow bei Professor
v. Lenbach.
Der „Köln. Ztg." wird geschrieben: Als Graf Bülow
sich kürzlich zum Besuche des Regenten zwei Tage lang in
München aufhielt, wartete jedesmal um die Mittagszeit
ein zweispänniger Hofwagen, um den sich neugierige Zu-
schauer herumdrängten, vor einem der eigenartigsten Garten-
paläste der Luisenstraße, der jedem Münchner wohlbekann-
ten Wohnung des Professors v. Lenbach. Der neue Reichs-
kanzler wünschte zu Weihnachten seine Gemahlin mit einem
Bildnis von der Hand desselben Meisters zu überraschen,
durch den Bismarck in seiner äußeren Erscheinung der Nach-
welt überliefert werden wollte. Spätere Besucher des Len-
bach'schen Ateliers fanden den Künstler, der bekanntlich
ebenso hübsch zu plaudern als genial zu malen versteht,
ganz vertieft in die ihm so eilig übertragene Arbeit, und
es entspann sich dabei folgender Dialog: „Sehen Sie
diese interessante Linie der Stirnbildung. Sie tritt srr kaos
nicht Panz so deutlich hervor, wie es in Wirklichkeit der
Fall ist. Deshalb werde ich ein Profilbild malen. Auch
das Auge ist merkwürdig schön und ausdrucksvoll." —
„So schön wie das Bismarcks?" — „Das will ich nicht
entscheiden. Bismarcks Auge war das schönste, das ich je
gesehen. Bülow wird auch später noch interessanter aus-
sehen als jetzt. Oder glauben Sie etwa, daß Bismarck
mit 50 Jahren schon solche malerische Schönheiten dar-
geboten hätte, wie mit 70?" — „Viele Menschen und
besonders die Damen werden anders denken." — „Junge

Mädchen vielleicht, aber jeder Maler wird mich verstehen."
> Während der. Künstler mit schnellen Kohlenstrichen seine
! Gedanken veranschaulichte, fuhr er fort: „Ein Zug ist bet
l Bülow ganz anders als bei Bismarck, nämlich die außer-
ordentliche Weichheit der unteren Gesichtshälfte. Sehen
^ Sie das Grübchen im Kinn. Es fiel mir zuerst so be-
sonders stark auf, als ich mit dem Reichskanzler, während
er mir saß, in ein Gespräch über das Wohlwollen gegen
Menschen und Tiere verwickelt war. Da dachte ich mir,
daß der Gesichtsausdruck diesem Wohlwollen ganz und gar
i entspreche." — „Wenn das die Buren hörten, so würden
sie vielleicht nicht so unbedingt zustimmen." — „Nun ja.
Bülow denkt eben, wir Deutsche hätten uns bisher durch
übertriebene Sentimentalität gerade genug geschadet. Das
! war doch auch Bismarck's Ansicht, zu dessen aus-
! gesprochensten Bewunderern Bülow sich meines Wissens
bekennt." — „Sie haben, Herr Professor, wohl alle bis-
herigen Reichskanzler gemalt?" — „Caprivi nie, Bismarck
aber während der zwanzig Jahre von 1878 bis 1898
und während eines alljährlichen, oft mehrmonatlichen
Aufenthalts in Friedrichsruh wohl über hundert Mal, und
auch Hohenlohe verschiedentlich, besonders als er Statt-
halter von Elsaß-Lothringen war. Länger als Bülow
kenne ich von Wien her dessen Gemahlin. Aber auch
Bülow's Züge haben sich mir so gut eingeprägt, daß ich
ihn jederzeit frei nach dem Gedächtnisse darstellen könnte."

Kleine Zeitung.
— Berlin, 2. Jan. Heute vormittag 10 Uhr vereinigten sich
die Mitglieder des Reichsvankdirektoriums und des Zentral-

ausschusses der Reicksbank in dem reich geschmückten großen
Sitzungssäle zu einer feierlichen Sitzung anläßlich des
25jährigen Bestehens der Retchsbank.
— Berlin, 2. Jan. In der Neujahrsnacht wurden hier
230 Personen verhaftet, davon 156 wegen groben Unfugs.
— Königsberg i. Pr, 30. Dez. Hier hat sich, wie man in
der „Kreuzzlg." liest, ein „Ntchthutabnehmer-Verein"
gebildet. Er hat große Tugenden, denn er hält keine General-
versammlungen ab, besitzt auch keinen Vorstand und erhebt keine
Beiträge; statt der bisher üblichen Form des Grußes hat er den
militärischen Gruß unter seinen Mitgliedern eingeführt. Schon
jetzt gehören ihm zahlreiche Mitglieder aus allen Kreisen an, und
jedes neue Mitglied wird durch den neuen Gruß freudig aus-
genommen. (Ob der Verein auch Dauer haben wird?)
— Otto Ernst, der Verfasser der Komödie „Jugend von
heute", hat seine Entlassung aus dem hamburgischen Schuldienst
nachgesucht, um sich in Zukunft ganz dem Schriststellerberuf zu
widmen.
— Wie ei« Aberglaube beseitigt wird. Die Neger am Lu-
fukoflusse, der sich in den Tanganytkasee ergießt, hatten bis vor
kurzer Zeit einen eigentümlichen Aberglauben, der sich auf die
Fischerei in dem genannten Flusse bezog. Es war nämlich ein
besonderer Fetisch für diesen Zweck vorhanden, ein einfacher
Granitstein in Form einer Kugel und in der Mitte von einer
kreissörmigen Oeffnung durchbohrt. Wenn die Zeit des Fisch-
fanges herankam, so wurde diesem „Geiste" zu Ehren ein großes
Fest gefeiert, bei dem der große Zauberer des Landes den Fetisch
der Verehrung des Volkes zugänglich machte. Die Leute brachten
Geschenke herzu: Mehl, Mais, Hühner und Ziegen, die selbst-
verständlich später in den Magen des Priesters wunderten. Die
Verehrung des Steines seitens des Volkes vollzog sich in einer
merkwürdigen und wenig appetitlichen Weise, indem jeder seinen
Mund mit Pombe, dem einheimischen Bier, füllte, und den In-
halt auf den Stein entleerte. Dann legte der Zauberer den
Stein in den Fluß und steckte einen lebenden Fisch, den er sich
vorher besorgt Halle, Heimlich in das Loch des Steines; dann
lief er in den Dörfern umher, zeigte den Stein mit dem Fisch
vor und rief: „Kahomba hat einen Fisch gefangen!", und Alles
 
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