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Heidelberger Zeitung (43) — 1901 (Januar bis Juni)

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Nr. 51-76 (1. März 1901 - 30. März 1901)
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Dienstag, 5. März 1901.

Erstes Blatt.

43. Jahrgang. — kr. 54.






Erscheint täglich, Sonntags ausgenommen. — Preis mit Familienblättern monatlich 50 Pfg. in's Haus gebracht, Lei der Expedition und den Zweigstellen abgeholt 40 Pfg.
zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.
Anzeigenpreis: 20 Pfg. für die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Anschlag der Inserate aus den Plakattafeln der
und den Plakatsäulen. — Fernsprech-Anschluß Nr. 82.

Durch die Post be-
Heidelberger Zeitung

Die Dinge in China.
^ Mehr als die Frage, ob und wann der Friede mit
Miria zu stände kommen wird, tritt augenblicklich eine
andere Angelegenheit in den Vordergrund, die Frage
^Nilich, ob Rußlands verschleierte Aneignung der Mant-
Mrei nicht etwa zu einem ernsten Konflikt zwischen den
^ächten führen wird.
> Ganz klar geht der Stand der Dinge aus den bis
M vorliegenden Zeitungsnachrichten nicht hervor. Als
Mtehend ist anzunehmen, daß Rußland schon im vorigen
Mre mit dem Tatarengeneral in der Mantschurei ein
Übereinkommen getroffen hat. Neuerdings hat es versucht,
^selben die feste Gestalt eines Vertrags zu geben. Das
auswärtige Amt in Petersburg hat zu diesem Zwecke dem
Öligen chinesischen Gesandten einen Vertrag unterbreitet,
^flnitiv abgeschlossen soll das Uebereinkommen noch
"'cht sein.
Vom Inhalt desselben wußten bisher englische Blätter
meisten zu erzählen; sie wußten auch von einem
^abstchiigten oder schon erfolgten Einspruch Japans,
^Utschlmids und Englands zu berichten. Eine offiziöse
^skunft hierüber ist deutscherseits noch nicht gegeben
r>°rden, es scheint aber etwas an der Sache zu sein.
Deutschland, so heißt es, habe zwar nicht dagegen Ein-
j^Uch erhoben, dqß Rußland die Mantschurei unter seine
^und bringt, wohl aber, daß es die Stellung der Fremden
?rt von der Gnade Rußlands abhängig machen will und
esonders dagegen, daß die Zolleinkünfte des Vertrags-
^lens Niutschwang, die mit als Garantie für die Zinsen
b? chinesischen Staatsschuld dienen, diesem Zweck entfremdet
^den.
zv Nun meldet die russische Telegraphenagentur aus
Etersburg unterm 3. ds.: Wir erfahren aus vollkommen
^Ubwürdiger Quelle, daß der Text einer russisch-
^ ^fischen Konvention bezüglich der Mantschurei durch
auswärtige Presse absichtlich verstümmelt wurde,
sL., Mißtrauen gegen Rußland zu erwecken. Namentlich
durch seine Unvereinbarkeit der im Auszuge zitierte
H .kel betreffend Niutschwang in die Augen. Wenn
h.^and mit China einen Spezialvertrag abschließen
H "'E, könnte dies nur einen einzigen Zweck haben, den
sch zu verwirklichen, die Mantschurei wirklich an
p,,."" zurückzuerstatten und Bedingungen festzustellen,
i»/°? welchen die Räumung dieser Provinz ermöglicht
^en könnte.
Klarstellung der Sache durch weitere Erörterung

itz„^°"bon, 4. März. Die „Times" meldet aus
gixj'"g vom 2. d. M.: Die Mächte, welche an China
Vorstellungen gegen Verhandlungen mit
^Va '"er einzelnen Macht gerichtet haben, sind: England,
Deutschland, Oesterreich-Ungarn, Italien und
»»-^reinigten Staaten. Gleichwohl besteht aller Grund,
"hp^.Auien, daß China dieses Abkommen mit Rußland
'" an ^ unterzeichnen wird, nachdem Rußland dasselbe
Tsch„ r Form als unwiderruflich bezeichnete. Lt-Hung-
^kii s keiner Macht den Wortlaut der Ueber-
mitgeteilt, auch ist keine Macht in der Lage ge-

abzuwarten.

wesen, China irgend welchen materiellen Beistand zu ver-
sprechen, wenn es die Unterschrift verweigert hätte. Indessen
habe Japan China mitgeteilt, wenn Rußland irgend welche
Gebietsvortetle oder Handelsvorteile gewährt werden, werde
Japan gleichartige Vorteile beanspruchen. Der russische
Gesandte habe Li-Hung-Tschang mitgeteilt, Rußland
werde sich an dem Verlangen der Hinrichtung von Provinz-
beamtcn nicht beteiligen.
London, 4. März. Die „Pall Mall Gazette" meldet
aus Peking, der Kaiser werde Ende März zurückkehren.
Die Leibwacheneskorte versammelt sich bereits in Singanfu.
Die Gesandten verlangten die Todesstrafe für 12 weitere
höhere Beamte, sowie die Bestrafung von 90 Mandarinen
in der Provinz. Das befriedigende Fortschreiten der Ver-
handlungen gestattete die Ernennung eines Ausschusses zur
Ausführung der weniger wichtigen Artikel des Friedens-
Vertrages. Der Artikel betreffend die Revision der Handels-
verträge verhindert einen schleunigen Abschluß der Verhand-
lungen. Die verschiedenen Regierungen vereinbarten bereits
den Charakter der Indemnität.
London, 4. März. Nach einer Meldung des „Stan-
dard" aus Shanghai würde Juanschikais Leibwache
am nächsten Mittwoch nach Honan abgehen, um dem
Kaiser bei der Rückkehr nach Peking als Bedeckung zu
dienen. Die Dampfer beginnen die Fahrten zwischen
Shanghai und Tientsin aufzunehmen, finden aber einst-
weilen keine Frachten, da die chinesischen Kaufleute die
Entwicklung der Dinge noch abwarten wollen.

Deutsches Reich.
— Zu einer großen Sympathiekundgebung für die
Buren hatten die alten Herrn des Vereins deutscher Stu-
denten die Akademie Berlins am 1. ds. abends nach
dem Feenpalast eingeladen. Der große Saal war bis auf
den letzten Platz besetzt. Eine Anzahl Buren war an-
wesend. Einer von ihnen, der Burenführer Joest, ergriff
nach dem Hauptredner, Dr. Valleutin, das Wort. Ihm
und dem Burenführer Sandhenberg wurden Lorbeerkränze
überreicht.
— Das Ergebnis der deutschen Hochseefischerei im
Jahre 1900 stellt sich nach den nunmehr abgeschlossenen
Statistiken auf rund gerechnet 12'/, Millionen Mark, wo-
von auf die Märkte au der Unterweser 7 Millionen und
auf die an der Unterelbe 5V, Millionen Mark entfallen.
— Die Siegestrophäen aus dem chinesischen
Feldzuge, chinesische Flaggen, sechs Feldgeschütze und
eine Protze aus den Kruppschen Werken, sind aus Berlin
in Kiel ei n getroffen. Die Kriegsflagge und die er-
beutete chinesische Fahne wurden am Montag unter großem
Zeremoniell vom Bahnhof in die Marineakademie über-
geführt. Eine Kompagnie der ersten Matrosendivision holte
die Fahnen auf dem Bahnhof ab; zwei an der Er-
stürmung der Takuforts beteiligte Unteroffiziere fungierten
als Fahnenträger. Sämtliche dienstfreien Seeoffiziere
nahmen vor dem Portal der Marineakademie Aufstellung.
Ihnen schlossen sich Mannschaftsabordnungen der Marine-
teile und Kriegsschiffe in einer Stärke von 570 Mann an.

Der Generalinspekteur der Marine, Admiral v. Koester,
übergab nach dem Eintreffen der Fahnenkompagnie die
Kriegsflagge und die chinesische Fahne dem Inspekteur des
Bildungswesens, Vizeadmiral v. Arnim. Bei dem Hinein-
tragen in die Marineakademie präsentierte die Fahnen-
kompagnie, und die Musik spielte den Präsentiermarsch. M
— Ansichten eines britischen Staatsmannes aus der
Umgebung des Königs Eduard will die „Frankst Ztg."
aus besonderer Quelle erfahren haben. Darnach soll den
Buren st aaten zwar die staatliche Autonomie nicht be-
lassen. aber unter englischer Flagge die größtmögliche
Selbständigkeit nach dem Vorbild Australiens eingeräumt
werden. Das ist schon mehrmals versichert worden, aber
vorläufig ist ja der Löwe noch garnicht erlegt, dessen Haut
geteilt werden so ll. Bezüglich der deutschenHandels-
politik äußerte der englische Politiker, wenn wider Er-
warten durch die Hochschutzzollpolitik Deutschlands eine
Schädigung Englands herbeigeführt werde, würde England
durch einen Zuckerzoll Repressalien üben, da es nicht
davon absehen könne, handelspolitisch diejenigen Maßnah-
men zu ergreifen, die durch das Vorgehen anderer Mächte
zum Schutze der eigenen Industrie notwendig würden.
Wilhelmshaven, 4. März. Der Kaiser ist vor-
mittags hier eingetroffen und sofort nach der kaiserlichen
Werft gefahren, wo Prinz Heinrich, Admiral Tirpitz und
Admiral Thomson zum Empfange erschienen waren. Sie
begaben sich auf das Linienschiff „Kaiser Wilhelm II.".
Der Kaiser verweilte bis 11'/^ Uhr an Bord des Schiffes
und bcgab sich dann mit Prinz Heinrich nach dem Exerzier-
schuppen, wo die Vereidigung der Rekruten statt-
fand. Nach der Vereidigung hielt der Kaiser eine An-
sprache, woraus Kontreadmiral Franzius erwid.rte. Später
begab sich der Kaiser zur Werft und besichtigte die erbeuteten
chinesischen Geschütze und ließ sich hierauf in der Maschinen-
bauwerkstatt von Maschinenbaudirektor Aßmann die Ma-
schine des Linienschiffes „Wittelsbach" in allen Gangarten
vorführen. Sodann wurden die Kessel der „Wittelsbach"
und die Panzerung dieses Neubaues besichtigt. Nach der
Besichtigung fand im Marinekasino Frühstück statt. Hierauf
nahm der Kaiser auf dem Torpedobootplatz eine Parade
über die 800 Mann starke Stammkompagme des 3. See-
bataillons ab, die am 7. März auf der „Andalusia" nach
Tsintau abreist. Der Kaiser erinnerte in einer Ansprache
an die Waffenthaten der Kameraden in China und
forderte zur Nachahmung auf. Er sprach die Hoffnung
aus, daß sie als deutsche Soldaten opfermutig ihre Pflicht
thun würden, wie die deutschen Truppen in Ostasien sie
gethan hätten. Hauptmann Mauve brachte das Kaiserhoch
aus. Sodann begab sich der Kaiser an Bord des „Kaiser
Wilhelm II."
Deutscher Reichstag. Berlin, 4. März. Gesetz-
entwurf betreffend die Abänderung des Gesetzes über
das Posttax wesen.
Abg, Schädler (Zentr.) begrüßt die Neueinrichtung ver-
schiebbarer Abholuugsfächer. Sie werden vom Handelsstand ge-
wünscht und die probeweise Aufstellung habe sich bewährt. Die
Kommissionsberatung der Vorlage sei nicht nötig.
Staatssekretär v- Podbielski erklärt, für ihn sei lediglich
die Frage der Verkehrsinteressen maßgebend für die Vorschläge

Kleine Zeitung
Ausnutzung unserer Kastanie. Schon lange hat
1'ch Mil oem Gedanken getragen, unsere wilde
">el A?- sowohl ihr Holz, als auch ihre Frucht, die sehr
H>>hxch"^iß Stärke enthält, irgendwie höher auszu-
dasst, : Das Holz hat sich für zartere Schnitzereien sehr
^Eeil ^wiesen, weil sich der Schnitt nicht spröde und
kk beim Ahornholz, sondern nach dem üblichen
mf im Bildhauergewerbe »speckig" verhält; besonders
"s«t> g ENe Arbeiten lernte man es schätzen. Auch hat
Mt dj^Eits einen bläulichen Farbstoff daraus hergestellt,
t Eld'vg ^ucht indessen hatte man bis jetzt keine ihrem
Mg^""r Gehalt entsprechende Verwendung; unbeachtet
N Bäume Jahr um Jahr ihre reichliche Frucht,
Aehs„..°Ern zur Freude, und stellenweise wurden sie als
verwandt. Jetzt endlich gewinnt man aus dcm
wohlschmeckendes Nahrungsmittel. Durch eine
? Ugx» 'AE Röstung werden die Kastanien von ihrer
?s>aiteu„ ^A^Enschale befreit und dann zerstäubt. Das
i^geig T^ver wird mit reinem Weingeist oder Aether-
sich AAchtränkt und überschichtet. Nach acht Tagen
tzAEzo ' mäßiger Wärme das Harz gelöst und kann
h°??"gsnii.c Man setzt so lange die genannten
"El zu, bis das Harz vollständig aus dem
»Mi,g . Ehl ausgezogen ist, dann ist die abfließende
he, "Neuen jeglichem bitteren Geschmack. Aus der
" Nr. sA verjagt man dann den noch drin cnt-
E'Ngeist. Das zurückbleibende Kastanienmehl,

oas alle u, ven Kastanien enthaltene Eiweiß- und Stärke-
mehlstoffe in sich vereinigt, wird getrocknet und stellt dann
ein wohlschmeckendes und billiges Nahrungsmittel von
hohem Nährwert dar. Aus den Harzlösungen gewinnt
man Harz, das sich technisch verwenden läßt. Damit dürfte
die völlige Ausnützung der Kastanie erreicht sein.
— General Cronje in der Gefangenschaft. Wie
General Cronje auf St. Helena seine Tage zubringt, da-
rüber machte ein Engländer, der soeben nach London zu-
rückgekehrt ist, folgende Mitteilungen: Cronjes lange In-
ternierung hat weder seine Gesundheit noch sein Gemüt ge-
beugt. Ein oder zweimal wöchentlich besucht er Broad
Bottom Camp, etwa sechs Meilen von Jamestown, wo sein
früheres Heer gefangen gehalten wird, und dann sucht der
düstere, äußerst streng religiöse Mann seine Burenbrüder
zu ermutigen. Er wird infolge seiner erzwungenen Un-
thätigkeit stark und weiß, aber man kann bei seiner mür-
rischen Natur nicht sagen, daß er besonders gedrückt er-
schiene. Wie er auch über die Briten denken mag, er be-
hält dies doch ganz für sich. Thatsache ist, daß man
nicht leicht mit dem General sprechen kann. Er ist sehr
ruhig, gibt seinen Meinungen nie freien Ausdruck und
spricht nicht über den Krieg. Trotz all' seiner Zurückhaltung
ist Cronje jedoch manchmal erregt, wenn er durch einen
frischen Schub Gefangener Neuigkeiten aus Südafrika erhält.

Laß doch dte Seufzer und Sorgen
Säumen den sinkenden Tag
Sieh', vor dem siegenden Morgen
Fallen sie Schlag auf Schlag.
L. Jacowbowski.
Litterarisches.
—8 „Zeitlcxikon" nennt sich ein in der Deutschen
VerlagS-Anualt in Stuttgart erscheinendes publizistisches Unter-
nehmen. das jedenfalls als neu, eigenartig, zeitgemäß und
praktisch zu bezeichnen sein dürfte. Zum erstenmal wird hier der
Versuch gemacht, das Tagesleven mit der Fülle seiner Erscheinungen
dem Leserin einer einheitlichen, knappen, übersichtlichen und möglichst
vollständigen Darstellung zu vergegenwärtigen. Das Eigenartige
des Unternehmens besteht vor allem darin, daß die Darstellung
den Ereignissen unmittelbar auf dem Fuße folgt und sic gleich-
sam im Fluge festzubannen sucht. Das „Zettlexikon", von
dem das Januarheft — 159 Lexikon-Oktaoseiten stark — soeben
ausgegeben wurde, bietet eine Ueversicht über das, was im Monat
Januar aus den Gebieten des politischen, wirtschaftlichen, wissen-
schaftlichen. künstlerischen, iechmschen und gesellschaftlichen Lebens
vorgegangcn ist. Der leichten Orientierung wegen ist die Form der
lexikalischen Behandlung gewählt, d,h. der Inhalt des Heftes ist nach
alphabetischen Stichworten geordnet, so daß sich jeder den ge-
wünschten Aufschluß sofort und mühelos verschaffen kann. Der
Kreis der Interessenten des neuen Werkes dürfte sich kaum leicht
abgrenzen lassen: der Staats- und Privatbeamte, der Politiker,
der große wie der kleine Geschäftsmann, der Gelehrte, der
Künstler, der Techniker, der Liebhaber der Künste und Wissen-
schaften, kurz jeder, der nur irgendwie seinen Blick auf das
öffentliche Leven zu richten genötigt ist, wird das „Zeitlexikon"
als einen bisher oft schmerzlich vermißten Berater willkommen
heißen und den neuen Monatsheften einen Platz unter den ihm
unentbehrlichen Büchern seiner Hand- und Hausbibliothek an-
weisen. Das „Zeitlcxikon" erscheint jährlich in 12 Monatsheften
zu Mk. 1.—.
 
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