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Heidelberger Zeitung (43) — 1901 (Januar bis Juni)

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Nr. 77-100 (1. April 1901 - 30. April 1901)
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TieusLüg, 2. April 1901

Westes Blatt.

43. Jahrgang. — 8ir. 78


Erscheint täglich, Sonntags ausgenommen. — Preis mit Familienblättern monatlich 60 Pfg. in's Haus gebracht, bei der Expedition und den Zweigstellen abgeholt 40-^Pfg. Durch die Post be-
zogen vierteljährlich 1.3S Mk. ausschließlich Zustellgebühr. _^
Anzeigenpreis: 20 Pfg. für die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Anschlag der Inserate aus den Plakattafeln der Heidelberger Zeitung
und den Plakatsäulen. — Fernsprech-Anschluß Nr. 82.

Das Präsidium des preußischen Herrenhauses
beim Kaiser.
! Am Sonntag Mittag wurden die beiden Vizepräsidenten
Herrenhauses, Landesdircktor Frhr. v. Manteuffel
Aid Oberbürgermeister Becker, vom Kaiser empfangen.
Der erste Präsident ist krank. Das „Kleine Journal"
^richtet über den Empfang:
Der Kaiser war in bester Laune, keine Spur von Ge
Mtheit war ihm anzumcrkcn, und er schlug in seiner Er
Merung sogar einen leicht humoristischen Ton an. Sein
Aussehen war blühend, die Wunde ist vollständig geheilt
?dd hat nicht die geringste Narbe zurückgelassen. Nachdem
A Kaiser die Herren in liebenswürdigster Weise mit
Händedruck begrüßt hatte, ergriff Herr v. Manteuffel
M Wort zu einer Ansprache, die etwa also lautete:
Majestät! Das Herrenhaus hat uns beauftragt, unsere
^eude auszudrücken über die Errettung Ew. Majestät aus
Mittelbarer Lebensgefahr. Gott hat Ew. Majestät sicht-
M geschützt gegen ein Bubenstück, und es gereicht uns
M besondern Genugthuung, Ew. Majestät so frisch und
Wohlauf, so heil und gesund wiederzusehen!" Der Kaiser
Mw ortete hierauf ungefähr mit folgenden Worten:
Ach danke Ihnen herzlichst für Ihre Glückwünsche, welche
A gern annehme. Ich kann Ihnen nur sagen, daß alle
^wbinationen, welche in der Presse über meine Stimmung
lautbar werden, auf vollständiger Unkenntnis beruhen
M jeder Grundlage entbehren. Ich habe alles ge-
ilen, was die Zeitungen über meine angebliche seelische
Kimmung anläßlich des Bremer Vorfalls geschrieben
Mn, aber nichts ist falscher, als annehmen zu wollen,
M meine Gemütsverfassung irgendwie darunter gelitten
M- Ich bin genau derselbe, der ich vorher war; ich bin
Mer elegisch noch melancholisch geworden." Der Kaiser
:Mte hierauf auf das auf dem Tische liegende Eisenstück,
E Lasche, die Weiland geschleudert hatte, und fuhr fort:
Ach stehe in Gottes Hand und werde mich durch solche
Mfälle niemals in dem Wege beirren lassen, den zu be-
reiten ich als meine Pflicht anerkannt habe. Ich komme
^ meinen Reisen mit allen Kreisen der Bevölkerung zu-
zMen und weiß sehr gut, was man im Volke
Mr mi ch sp richt und denkt. Aber wer da etwa
Mbt, daß ich mich durch solche Vorfälle einschüchtern
Mn werde in meinen übrigen Maßnahmen, der wird
^ sehr irren, es bleibt alles beim alten."
. Es ist bemerkenswert, daß der Kaiser das Wort
Mentat" nicht ein einziges Mal gebrauchte und nur mit
Meräner Verachtung von dem „Vorfälle" sprach. Eine
Mtigere Sprache führte der Monarch nach einer
Mz andern Seite hin. (Schade, daß diese Seite
Mem Bericht nicht näher bezeichnet wird. Red.) Der
Mer knüpfte hierauf ein längeres Gespräch mit dem
hMbürgermeister Becker an, wies darauf hin, daß der
iMprinz gleich nach Ostern die Universität Bonn beziehen
tzM und füate lächelnd hinzu: „Ich hoffe, daß mein
gute Nachbarschaft mit Köln halten wird." Dann
hMte sich der Monarch wieder an Herrn v. Manteuffel
^versprach bestimmt, am 11. April der Enthüllung des
^er Wllßelm-Teukmals in Potsdam auf der langen

Brücke beizuwohnen. „Da werden ja die Herren meine
Gäste sein" schloß der Kaiser.

Bebels Gewissenhaftigkeit.
Bei der zweiten Lesung des Etats des Reichsamts dcs
Innern hatte in der 26. Sitzung nach dem amtlichen
Stenogramm Herr Bebel dem Architekten Professor Ho f f-
acker den Vorwurf gemacht, daß dieser trotz seiner offi-
ziell en Stel l u n g aus der Pariser Weltausstellung noch
für eine Reihe von Firmen Privatarbeiten geleistet
habe. Es seien diese Pavillons, die Herr Hoffacker
baute, auch an die besten Stellen gesetzt worden. Eine
derartige Verquickung von offiziellen Stellungen mit Prioat-
arbeiten sei durchaus unzulässig. Hiezu bemerkt heute die
„Tägliche Rundschau": Bei dem letzten Bierabend, der die
Mitglieder des Deutschen Kunst Vereins in großer
Zahl nochmals um den scheidenden Professor Hoffacker
versammelte, kamen auch die unerhörten Angriffe des Ab-
geordneten Bebel im Reichstag gegen Hoffacker zur Sprache.
Mit lebhafter Befriedigung nahmen die Versammelten davon
Kenntnis, daß Bebel infolge eines Besuches Hoffackers bei
diesem und nach Einsicht des ihm unterbreiteten Materials
sein Bedauern über seine Angriffe im Reichstag schrift-
lich und mündlich ausdrückte und sie auf schlechte
und mangelnde Unterrichtung zurückführte.
Leichtfertige unbegründete Anklagen aufzustellen, ist eine Be-
sonderheit, aber keine schöne, Bebels, der als Kladderadatsch-
Prophet sich auch als ein sehr leichtfertiger Wahrsager
gezeigt hat.

Deutsches Reich.
— Der Kaise r benutzte das in der Nacht zum Sonn-
tag eingctretcne schöne und warme Wetter, um am Sonn-
tag Nachmittag vom königlichen Schlosse in Berlin aus
seinen ersten Spazierritt in diesem Frühjahr zu unter-
nehmen. Er sah sehr gut aus, unterhielt sich aufs
lebhafteste mit seinen beiden Begleitern, Oberstallmeister
Grafen Wedel und General ü 1a ouito v. Mackensen,
und schien in sehr vergnügter Stimmung zu sein. Die
Narbe unter dem rechten Auge war wenig sichtbar. Hinter
dem Kaiser ritten die Prinzen Eitel Friedrich und
Adalbert. Das Publikum drängte in dichten Scharen
zum Reitweg und begrüßte den Kaiser aufs lebhafteste.
Eine besondere Absperrung war übrigens den ganzen Reit-
weg entlang bis zum Brandenburger Thor polizeilicherseits
nicht vor genommen; nur an den Straßenkreuzungen
landen wie immer Schutzleute, um den Wagenverkehr zu
regeln. Insbesondere war von den Mannschaften der
Leibwache, die, den Adlerhelm auf dem Kopf, nach den
Berichten hiesiger Blätter, fortan auf dem Rad dem Kaiser
auf seinen Ausflügen folgen sollen, keine Spur zu be-
merken.
— Reichskanzler Graf v. Bülow ist nach Ober-
italien gereist, wo er die Charwoche znzubringen gedenkt.
— Der Gesetzentwurf betreffend Annahme der Reichs-
garantie bezüglich der Eisenbahn Dar-es-Salaam-
Mrogoro ging dem Reichstage zu.

— In Königsberg i. P. und in Schwerin sind
am 1. d. Mts., als dem Geburtstage des Fürsten Bis-
marck, Denkmäler für den großen ersten Kanzler des
deutschen Reiches enthüllt worden. Das in Schwerin ist
das mecklenburgische Landesdenkmal.
Baden.
— 250 Brauereien Badens haben an das Mi-
nisterium des Innern eine Petition abgesendet gegen die
Erhöhung des Gersten- und Malzzolls. Die
Bitte geht dahin „in Erwägung, daß unter dem bisherigen
Zollsatz der Gerstenbau in Deutschland, trotzdem derselbe
für die Landwirtschaft rentabel erscheint, zurückgegangen ist
und jede Zollerhöhung der Landwirtschaft selbst teure
Futtergerste bringen würde; in Erwägung, daß eine Zoll-
erhöhung auf Gerste dem Braugewerbe Belastungen bringen
würde, die von diesem nicht getragen werden können,
während anderseits Gefahr besteht, daß bei einer Abwäl-
zung der höheren Produktionspreise aus die Konsumenten
das Gewerbe in eine noch stärker rückwärts gehende Kon-
junktur, als dies zur Zeit der Fall, kommen würde; in
Erwägung, daß die deutsche Mälzerei bei dem seitherigen
Spannungsverhältnis zwischen Gerste- und Malzzoll im
allgemeinen sich einer guten Entwicklung erfreute und jede
Erhöhung dieses Spannungsverhältnisses lediglich zum
Schaden der deutschen Brauerei sein würde; bei Beratung
der Erhöhung der Zölle für eine Erhöhung des Gerste-
bezw. Malzzolles nicht eintreten zu wollen, zumal unsere
badische Landwirtschaft keinerlei Vorteil aus der Erhöhung
dieser Zölle haben würde und die deutsche Industrie mit
Rücksicht darauf, daß das Ausland mit Repressalien bei
Erhöhung der Getreidezölle droht, in ihrem Export sehr
geschädigt würde. In der Begründung wird u. a. darauf
hingewiesen, daß sich der Gcsamtbedarf an Gerste für das
Jahr auf ungefähr 40,8 Millionen Doppelzentner be-
läuft, wovon 16,4 Millionen auf Brauzwccke entfallen, während
in Deutschland im Durchschnitt der letzten Jahre jährlich
29 Millionen Doppelzentner Gerste geerntet werden. Deutsch-
land nahm inbezug auf die Einfuhr von Gerste mit jl 1.8
Millionen Doppelzentnern den ersten Rang ein; ihm folgt
England mit 9 Millionen Doppelzentner Gersteneinfuhr.

Aus der Karlsruher Zeitung.
Karlsruhe, 1. April. Gestern Vormittag halb 10
Uhr begaben sich der Großherzog und die Großher-
zogin in das Kadettenhaus und wohnten der Konfirmation
und Einsegnung der Kadetten an. Die Großherzogin be-
suchte dann die Schloßkirche, um auch dort bei der Ein-
segnung der Konfirmanden zugegen zu sein. Nachmittags
besuchte Ihre König!. Hoheit das Konzert des Vereins für
evangelische Kirchenmusik in der Stadtkirche. Abends nach
7 Uhr wohnten die Großh. Herrschaften der Oper im Hof-
theater an. Heute Vormittag empfing der Großherzog den
Staatsminister Dr. Nokk zur Vortragserstattung. Die
Großherzogin begab sich heute Vormittag halb 10 Uhr nach
Baden, um daselbst einige Besuche abzustatten. Die Rück-
kehr hierher erfolgte gegen 2 Uhr. Der Großherzog hört
gegen Abend die Vorträge des Geheimen Legationsrats Dr.

Kleine Zeitung.
Kseißl's Besserung schreitet langsam aber stetig
M Trotzdem die äußerst schwierige Operation der Darm-
HMung auf das beste gelungen ist, geben, wie aus
sjjMen berichtet wird, doch die Aerzte noch keine Garantie
dMein Leben. Zur vollständigen Heilung des Schwer-
t»Men bedarf cs noch immer im günstigsten Falle ge-
°r Zeit.
" Die Bersuchssischerei im Kaiser Wilhelm-Kanal hat
!js deuerdings wiederum die Zunahme der Sü ßwasser-
»ich eine Vermehrung der Hering l a ich platze
'hMwiesen. Von den Unmassen an Heringen, die auch
ih Mrjahre den Kanal zum Laichen aufsuchten, kann man
^ ungefähre Vorstellung machen, wenn man bedenkt,
hjj -"tänner und Knaben den Fang an der Böschung und
^>n>Mfachen Handnetzen betrieben, wobei die Beute so

ausfiel, daß sie in Säcken nach Hause getragen
Nutzte. Die Zunahme und das Gedeihen der Süß-
" . "sche hängt mit dem Salzgehalt des Kanalwassers

tzMn, der infolge des veränderten Schleusenbetriebes
iisMtenau sehr viel geringer war als in früheren Jahren.
. Salzwassertiere des Kanals hat der schwache Salz-
et ' des Wassers schädlich gewirkt, so daß einige Arten
verschwunden find.
, öeber die Temperatur elektrischer Glühlampen hat
^ MWsche Physiker Janet neulich der Pariser Akade-
Wissenschaften neue Untersuchungen mitgeteilt. Die
ö der Wärme-Entwicklung, die in dem Kohlenfaden

einer elektrischen Glühlampe vor sich geht, ist ziemlich
schwierig, sie kann, weil der Faden durch einen luftleeren
Raum von der äußeren Umgebung abgeschlossen ist, nur
auf Umwegen durch ein besonderes Verfahren ermittelt
werden. Janet hat durch Untersuchungen an vier verschie-
denen Lampen herausgefunden, daß die Kohlenfäden eine
Temperatur erreichen, die zwischen 1610 uud 1720 Grad
Celsius liegt. Es ist erstaunlich, daß bei einer so hohen
Temperatur eine Glühlampe so wenig Hitze in die um-
gebende Luft hinaussendet, immerhin ist ihre Wärme-Ent-
wicklung bedeutend genug, um zu großer Vorsicht bei der
Anwendung solcher Lampen in der Nähe feuergefährlicher
Stoffe zu mahnen. Es ist besonders in letzter Zeit nicht
selten vorgekommen, daß durch eine unvorsichtige Anwen-
dung elektrischer Glühlampen bei Dekorationen von Schau-
fenstern Brände veranlaßt worden sind.
— Ein Museumsdiebstahl in Köln. Aus dem Wall-
raf-Richartz-Museum in Köln wurde eine Kopie nach Peter
Paul Rubens von außerordentlichem Werte gestohlen. Das
Museum setzte eine Belohnung von 500 Mk. für die Ent-
deckung des Verbleibs des Kunstwerkes aus. Wie nun dem
„Berl. Lokal.-Anz," aus Brüssel gemeldet wird, wurde das
Bild dort ausgefunden. Ein Antiquitätenhändler erhielt !
den Besuch eines ihm unbekannten Mannes, der ihm das !
Bild aus der Kölner Sammlung für 5000 Frcs. anbot,
Es gelang, den Fremden, einen Bildermalcr aus Lüttich,
zu verhaften. Er behauptete, das gestohlene Gemälde von
einem Deutschen für 300 Frcs. erstanden zu haben.

— Selbstmord eines Millionärs. August Vohwinkel,
der Inhaber der Firma August Vohwinkel u. Co. in Düssel-
dorf, hat sich erschossen. Sein Vater, der zu den her-
vorragendsten Industriellen des Rheinlandes gehörte, starb
vor einen: halben Jahre mit Hinterlassung eines Ver-
mögens von hundert Millionen Mark.
— 19. Kongreß für innere Medizin. Vom 16. bis
19. April wird zu Berlin unter dem Vorsitze des Herrn
Geh. Rat Professor Dr. Senator der 19. Kongreß für
innere Medizin tagen. Die Sitzungen finden im Architekten-
hause statt. Das Bureau befindet sich ebendaselbst. Als
schon länger vorbereitete Verhandlungsgegenstände, für
welche Autoritäten ersten Ranges die Referate übernommen
haben, und welche bedeutendes aktuelles Interesse
haben, stehen aus dem Programme: Herzmittel und Vaso-
motorenmittel (Referenten: Herr Gottlieb (Heidelberg)
und Herr Sahli (Bern); Myelitis acuta (Referenten: Herr
v. Leyden (Berlin) und Herr Redlich (Wien). Außerdem
ist eine große Anzahl von Einzelvorträgen angemeldet,
darunter L. Brauer (Heidelberg): Der Einfluß des mit
der Galle abgeschiedenen Methylenblaues auf Katarrhe der
Gallenweqe.
— Neue italienische Briefmarkm. König Viktor
Emanuel III. hat die Elichss zu den neuen Briefmarken
besichtigt und deren Druck bereits genehmigt. Es werden
täglich etwa eine Million der verschiedenen Sorten gedruckt.
Die neuen Marken tragen — ein Kuriosum — nicht das
Porträt des Königs, sondern das seiner jungen Gemahlin
in einer Blumenumrahmung.
 
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