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Heidelberger Zeitung (43) — 1901 (Januar bis Juni)

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Nr. 126 - 149 (1. Juni 1901 - 29. Juni 1901)
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https://doi.org/10.11588/diglit.37096#0905

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„Timslag, 15. Jum lSOI.

Gxstes Blatt

43. Jahrgang. — »r. 137.



scheint täglich, Sonntags ausgenommen. Preis mit Familienblättern monatlich SO Pfg. frei in's Haus gebracht, bei der Expedition und den Zweigstellen abgeholt 40 Pfg. Durch die Post be-
zogen vierteljährlich 1.85 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.
">eigcnpreis:2v Pfg. für die Ispaltige Petitzeile »der deren Raum. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Anschlag der Inserate auf den Plakattafeln der Heidelberger Zeitung
und den Plakatsäulen. — Fernsprech-Anschluß Nr. 82.


i,




Die Beschlüsse des Börsenausschusses.
^Die (agrarische) „Deutsche Tagesztg." be-
steht in ihrer Donnerstag-Abendnummer in erregtem
die Beschlüsse des Börsenausschusses und meint, es
^dMommen ausgeschlossen, daß sie die Billigung des
"Mages finden würden.
Die von der Minorität zugestandenen und von der Ge-
- Keit des Börsenausschusses als Verbesserungen ge-
»Mer dem jetzigen Zustande anerkannten Punkte sind
8er,de:
Ein S ch u I d a n e r k e n n t n i s darf nur in-
1 "halb 6 Monaten widerrufen werden.
I 1.^. Nachdem durch §762 des Bürgerlichen Gesetz-
^ fxfhst hei Spiel und Wette, die Rückforde-
geleisteter Zahlungen ausgeschlossen ist, erscheint
ixkexgchtfertigt, bei den nach § 50 des Börsengesetzes
^etenen Geschäften diese Rückforderung ebenfalls aus-
'Metzen.
o, Es entspricht der Billigkeit, daß bei der Anfechtung
Geschäften in Waren oder Wertpapieren der An-
N--ende verpflichtet ist, sich die Gewinne aufrechnen zu
kn ' welche ihm aus anderen während der gleichen
M nk astt derselben Stelle abgeschlossenen börsenmäßigen
^ ^ungeschälten erwachsen sind.
Das Recht, die Erfüllung einer aus einem Börsen-
Nk^ugeschäft entstandenen Verbindlichkeit zu verwei-
kann nur innerhalb eines Zeitraums von 6 Mona-
- dom Tage des Empfanges der Abrechnung an, aus-
4 werden.
s^Ueber diese Punkte hinaus verlangte die Majorität
Börsenausschusses, rnrd zwar fast in allen Fällen
-^23—24 Stimmen gegen 11—12 Stimmen, fol-
1. Das B ö r s e n t e r m i n r e g i st e r ist aufzuhe-
! n? Mindestens aber muß dis Stellung von Sicherheiten
st hi " die Abgabe von Anerkenntnissen ohne Fristbestim-
Mg fstr rechtswirksam erklärt werden.



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s

h, 2. Wer zur Zeit des Geschäftsabschlusses als Kauf-
tzAu in das Handelsregister eingetragen war, kann die
i^Ullimg nicht deshalb verweigern, weil er in das Bör-
stister nicht eingetragen gewesen ist. Das gleiche gilt
^.demjenigen, welcher zu der angegebenen Zeit berufs-
'Mg oder gewohnheitsmäßig Börsen- oder Bankierge-
Rte betrieben hat oder zum Besuch einer Börse zu-
^Isen war.
Das Verbot des T e r m i n h a n d e l s )in
tz^eide- und Mühlenfabrikaten, sowie in Anteilen an
llfgwerks- und Fabriksunternehmungen hat sich als
ich erwiesen und ist wieder aufzuheben. Mindestens
Muß eine authentische Deklaration des Gesetzes in
Weise stattfinden, welche die durch Jndikatur des
Pchsgerichts hervorgcrufene Rechtsunsicherheit beseitigt
diesem Zwecke muß dem § 50 des Börsengesetzes die
>h Mng gegeben werden, daß der Börsenterminhandel
dy Getreide- und Mühlenfabrikaten, sowie in Anteilen
«^Bergwerks- und Fabrikunternehmungen „unbeschadet
lh.nechtsgiltigkeit der einzelnen Geschäfte" untersagt ist
i, ^ es ist ferner dem Artikel 48 des Börsengesetzes eine
Zweideutige Deklaration zu geben.

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Steht der Friede in Südafrika bevor?
Gin ernsthaftes Brüsseler Blatt, die „Jndependance

erfährt angeblicki aus einer unbestreitbar sicheren

Kleine Zeitung.
Hochschuluachrichtcn. Aus Stratzburg wird ge-
Eoen: An der medizinischen Fakultät der hiesigen
.lstwersstät hat sich der praktische Arzt Dr. Heinrich
'l^f t als Privatdozent für Röntgenologie,
"-ianotherapie und Hydrotherapie habilitiert.
Worms, 13. Juni. Die „Volkszeitung" schreibt:
. hat sich der Geheime Hofrat Professor Dr. Adam
^xstwilian Nellerhängt. lieber die Beweggründe,
alten Herrn in den Tod getrieben, war nichts zu
"Men.
Berlin, 14. Juni. Professor Virchow wurde
auf dem Wege zu seiner Wohnung von einem
Abstoß gepackt und so heftig an einen Baum ge-
id^^ert, daß er über dem linken Auge eine tiefe Stirn-
ober nicht ernsteren Charakters davon trug.
^ > Paris, 14. Juni. In der Patronenfabrik in Jffy
^^aris erfolgte heute eine große Explosion. Ein
^Mde der Fabrik stürzte ein. Bisher wurden 15 Leichen
^ Trümmern gezogen. 18 Personen sind mehr oder
schwer verletzt.
Den Strohhut gefressen. Kommt da in einem
>ih "ks Speyergaues ein Herr in einen Stall, um eine
V.-M besichtigen. Dabei tritt er nahe an sie heran,
genau anzusehen, zu befühlen rc. und hält den
Reuen Strohhut in der einen Hand. Während er
> stur ^ine Beobachtungen vertieft ist, knüpft die Nach-
ein intimes Verhältnis mit dem Strohhut an
um^ßt ihn sei es aus Liebe, sei es aus Hunger, fast
t Tableau!
..Wertycirn contra Tietz. Die von juristischen und
Maischen Kreisen mit großer Spannung erwartete

Quelle mit Bestimmtheit, daß Präsident Krüger seit
mehreren Tagen unmittelbar mit den Mitgliedern
der Transvaalregierung in Standerton verkehrt.
Lord Kitchener hat die Uebermittelung der an Krüger ge-
richteten Depeschen und der von Krüger an die Buren-
regiervng gerichteten Telegramme gestattet. (Schon vor
einigen Tagen wurde aus Südafrika gemeldet, daß eine
telegraphische Verbindung zwischen Bothu und Krüger her-
gestellt sei. Red.) Diese Telegramme sind in Chiffer-
schrift nach dem Schlüssel des niederländischen General-
konsulats in Pretoria abgefaßt. Nach Empfang des ersten
Telegramms am verflossenen Montag hatte Krüger mit
seinen gegenwärtig in Holland anwesenden Beratern eine
lange und sehr wichtige Unterredung, nach der man
sich von einem Tag zum andern auf einen wahren
Theatercoup in der Lage inSüdafrika gefaßt
halten kann."
Wie das belgische Blatt zu dem befremdenden Aus-
druck „Theatercoup" kommt, das ist bis jetzt sein Geheim-
nis, denn es verrät nicht, worin dieser angebliche „Theater-
coup" bestehen wird. Ein anderes Brüsseler Blatt schreibt,
im Laufe der nächsten Woche werde Krüger nach seinen
Besprechungen mit Frau Botha und seinen Räten einen
Aufruf erlassen, der einen wichtigen Schritt zum
Frieden bilden werde.
Frau Botha wollte gestern von Brüssel zum Präsidenten
Krüger abreisen. Man erwartet, daß sie, obschon ihr keine
amtliche Sendung zuerkannt wird/ dem Präsidenten und
seiner nächsten Umgebung darlegen wird, daß England
in diesem Augenblick bereit wäre, den krieg-
fLhrenden Buren Zugeständnisse zu machen
und einen ehrenvollen Friede.;, abzuschließen. Nach
der Unterredung, die Präsident Krüger und Dr.Leyds mit
Frau Botha haben werden, wird sich zeigen, ob die Partei
des Widerstandes, an deren Spitze Dr. Leyds steht, oder
die Befürworter einer auf Beendigung des Krieges hin-
zielenden Taktck die Oberhand behalten werden. Bemerkt
sei noch, daß die Gattin des Burcnführers vor ihrer Ab-
reise aus Südafrika mit General Lord Kitchener eine
längere Unterredung gehabt hat.
Welcher Art die Zugeständnisse der Engländer
sein werden, darüber verlautet zur Zeit noch nichts. Im
englischen Unterhause erklärte eben noch ein Regierungs-
vertreter, es werde bis zur völligen Unterwerfung der Buren
weitergekämpft werden, Fliedensverhandlungen seien nicht
im Gange. Das sähe allerdings nicht nach Zugeständ-
nissen aus, allein man weiß, daß in der Diplomatie große
Worte nicht nur den Angriff, sondern auch den Rückzug
einzuleiten Pflegen.

Eine französische Anerkennung der deutsche»
fszialpolitischerr Gesetzgebung.
Paris, 14. Juni. In seiner gestrigen Kammerrede
über die Arbeiterpensionen sagte der Hondelsminister Mil-
lerand unter anderem: Das Problem der Arbeiter-
pensionen ist nur in Deutschland gelöst worden.
Man hat hier in dieser Beziehung über die deutsche Meta-
physik gespottet. Diese Metaphysik hat es ermöglicht, in

Verhandlung in der Prozeßsache des Warenhauses A.
Wertheim gegen das Warenhaus Herman Tietz hat am
Mittwoch vor der 14. Handelskammer des Berliner
Landgerichts stattgesunden. Die Firma Wertheim, die
Klägerin, behauptete, daß die auf dem Dache des Tieh-
schen Warenhauses sich zeigende Leuchtkugel ein Globus
sei und verlangte Entfernung dieses monumentalen
Schmuckes von der Fassade, bezw. Einstellung des Ver-
kaufes der meisten von Tietz vertriebenen Artikel, weil
ihr als Warenzeichen ein „IV" mit einem „Globus" für
einen Teil ihrer Waren geschützt sei. Die Plaidoyers,
welche vor einer Korona von etwa 80 Anwälten und
zahlreichen Kaufleuten während mehrer Stunden statt-
gefunden, hatten das Ergebnis, daß die gegen die Firma
Tietz anhängig gemachte Klage kostenpflichtig abgewiesen
wurde.
— Zbsex zu Hause. Von den Eindrücken die er
während eines Besuches bei Ibsen empfangen, plaudert
Maurice Gandolphe in einem französischen Blatte: „Es
ist im zweiten Stock eines reichen, nach deutscher Art
eingerichteten Hauses, an der Ecke einer neuen Straße,
die zum Königlichen Park führt; im ersten wohnt ein
Zahnarzt mit Aushängeschild. Schon im Vorzimmer,
während er unsere Karte wie eine seltene Nippsache be-
trachtet, spricht der Doktor — nicht der Zahnarzt, sondern
der Dr. Ibsen —; „Willkommen." Dann „macht man
Salon", inmitten eines bürgerlichen Mobiliars, wie es
die bessergestellten Bürger nicht mehr lieben; es ist be-
quem und behaglich, man glaubt sich bei dem Zahnarzt
im ersten Stock. Weder Bücher noch Zeitungen, noch
Kunst; nichts von „berühmten Zeitgenossen in ihrem
Heim." Hedda Gabler und Nora würden sich in diesem
möblierten Sprechzimmer langweilen. Der Doktor war-

acht Jahren 144 Millionen an Alterspensionen und 241
Millionen an Jnvalidenpcnsionen zu bezahlen. Die Jahres-
beiträge der Arbeiter beliefen sich auf 12 Millionen. Hieraus
geht hervor, was die gegen diesesIystemge»
richtete Kritik wert ist.
(Der so spricht, ist nicht nur ein Franzose, sondern
auch ein Sozialdemokrat. Die deutschen Sozial-
demokraten haben bekanntlich gegensämtliche sozialen
Versicherungsgesetze gestimmt.)

Deutsches Reich.
— Der Reichskanzler Graf Bülow empfing jüngst
den Amerikaner Frederick W. Holks, der als Sekre-
tär bei dem Haager Kongreß fungiert haste und jetzt
zum ständigen Mitglieds des Schiedsgerichts-
Hofes imHaag ernannt worden ist. In der Un-
terredung äußerte Graf Bülow angeblich, der Kaiser und
er selbst versprächen sich von dem Schiedsgerichtshof
eine segensreiche Wirksamkeit und erwarteten von dem-
selben viel mehr, als die deutsche, wie die ausländische
Presse bisher von ihnen angenommen habe.
neb. Die „S t a a t s b ü r g e r z e i t u n g" hatte
bekanntlich zuerst die Meldung gebracht, daß der Reichs-
kanzler Graf Bülow über Zusendungen des Ministers
v. Miguel an die offiziöse „Nordd. Allg. Zeitg." die
Sperre verhängt habe. Daraufhin war behauptet wor-
den, daß das Blatt seine Mitteilungen von Herrn v. Mi-
guel selbst erhalten habe. Die „Staatsbürgers."
weist diese Behauptung nunmehr zurück mit der Erklär-
ung, daß Herr v. Miguel erst durch die jetzige Preßerör-
terung von der Sperre Kenntnis erhalten habe. Die
Pretzsperre sei nicht gegen die Perion des Herrn v. Mi-
guel, sondern ganz allgemein verhängt worden,
weil in bezug auf die 12 000 Mark-Affaire von einem
nicht unbeteiligten Herrn der Reichsregierung (Graf
Posadowsky?) Auslassungen in der „Nordd. Allg. Ztg."
erschienen, die sich mit denen des Reichskanzlers nicht
deckten und den Anschein von Zerfahrenheit in der Re-
gierring erwecken mußten. — Man wird abzuwarten ha-
ben, ob diesen Mitteilungen der „Staatsbger.-Zeitung"
nicht ein amtliches Dementi auf dem Fuße folgen wird.
neb. Eine von Prof. Schneidewein-Hameln
beabsichtigte öffentliche Demonstration gegen den
Oberlehrer Schröder-Kiel, den Vorkämpfer für
die Besserung der Lage der Oberlehrer, ist völlig miß-
glückt, da keiner der Lehrer, an die Prof. Schneide-
wein sich wandte, eine Erklärung gegen die Bestrebungen
Schröders unterzeichnen wollte.
— Die „Germania" bespricht an leitender Stelle
das Ergebnis der Wahl in dem Wahlkreise des verstorbenen
Freiherrn v. Stumm, St. Wendel-Ottweiler-Mcisenheim,
wo bekanntlich der nationalliberale Geh. Bergrat Prietze
gegen den Zenirumskandidaten gewählt wurde und, nachdem
sie die dabei angeblich ausgeübten Wahlbeeinflussungen
erörtert hat, erklärt sie, daß dieselben jedenfalls zu dem
Anträge auf Ungiltigkeitserklärung der Wahl in
der Wahlprüfungskommisston des Reichstags führen werde.
Die „Post" ist von dem Ausfall der Wahl sehr befriedigt
und kommentiert denselben dahin, daß er gezeigt habe,
daß die Gegend an der Saar dank der Belehrung und

tet darauf, daß man zuerst das Wort ergreife, er ist so
fest zugeknöpft, wie sein Ueberrock; wenn man zu Ende
ist, spricht er nichtssagende Worte. Was bei Ibsen, dem
dramatischen Antor von Beruf am meisten verwirrt und
am seltsamsten berührt, ist, daß man ihm niemals eine
Wertschätzung, einen Tadel oder ein „Besten Dank" für
seine zahllosen Erklärer locken kann. Die Bibliothek
in Christiania hat eine besondere Abteilung für die
Ibsen-Biographie eröffnet; die Uebersetzungen, Kritiken
und Apologieen häufen sich dort auf, aber der Doktor gibt
auch nicht einmal seine Eindrücke kund. Ich versuchte
mehrere male, irgend ein Interesse des Dichters für seine
Erfolge in Frankreich zu ergründen, zu erforschen, wie
er über die stürmische Anbetung der jungen Revuen und
über die kompakte Exegese der gelehrten Zeitschriften
denkt. Ibsen ließ mich sprechen und sagte dann ohne
Bitterkeit: „Man sagt viel, aber man begreift wenig."

— Fatales Lob. Komponist: „Wie gefiel Ihnen meine
neue Symphonie, Herr Professor?" — Kritiker: „Großartig, —
ich glaubte Beethoven zu hören."
— Romanphrase. Elic er starb, brüllte er wie ein
wütender Stier — es war sein Säiwanengesong.
— Selbsterkenntnis. Gutherz: „Sagen Sie mal,
Zapser, glauben Sie an Seelenwanderung?" - Zapfer: „Nee
— Sie?" — Gutherz: „Ich — ganz entschieden. Ich bin näm-
lich fest davon überzeugt, daß ich damals ein Esel war, als ich
Ihnen die SO Mark pumpte!"
— Ein Praktikus. „Haben Sie Ihren Töchtern denn zu
Weihnachten auch endlich Zweiräder geschenkt, Herr Lehmann?"
— „Nee so wat mache ick überhaupt nich! Ick verzürne mir
jedet Jahr acht Tage vor Weichnacht' mit meine janze Fa-
milie! Da komm' ick am billigsten bei weg! Nach Neujahr ver-
tragen wir uns denn wieder."
 
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