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Heidelberger Zeitung (43) — 1901 (Januar bis Juni)

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Nr. 126 - 149 (1. Juni 1901 - 29. Juni 1901)
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mettag, 14. Juui 1901.

Erstes Blatt

43. Jahrgang. — Ar. 136.


schein

t täglich, Sonntags ausgenovimen.

Preis mit Familienblättcrn monatlich 50 Pfg. frei in's Haus gebracht, bei der Expedition und den Zweigstellen abgeholt 40 Pfg. Durch die Post be-
. zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.
^°igenpreis: 20 Pfg. für die Ijpaltige Petitzeile oder deren Raum. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Anschlag der Inserate ans den Plakattafeln der Heidelberger Zeitung
und den Plakatsäulen. — Fernsprech-Anschluß Nr. 82.

^ie Militärausgaben der Großstaaten.
^Die Militärausgaben von fünf europäischen
k^bstaaten innerhalb der letzten 20 Jahre sind nach
im „üournal ok tbs Ro^al Statistioal Loeiet)-"
^teilten Zusammenstellung gewesen:
E^ßbritannien .
Frankreich . .
!«d . . ^
Lallen . . .
ratschland .... .»>-
^ ^80 trug also Rußland die schwerste Rüstung bei
Ausgabe von 678 Millionen Mark, gegenwärtig
Großbritannien dieselbe bei einer Ausgabe von
^!ni Unionen Mark, während Rußland in die vorletzte
^ gerückt ist, hinter Frankreich und Deutschland und
Italien steht. Die Steigerung der Militäraus-
"lan"' ' ..

1880
1890
1900
Millionen Mark
. 570
656
885
. 600
625
766
. 678
767
720
. 200
390
348
. 405
596
756

^ ist am stärksten in Deutschland gewesen. Wenn

schaff ^ ^rgleichen wollte, was jede Macht für ihr Geld
dann würde Deutschland sehr günstig ab-
^ilitö^' Auffallend ist das- Mißverhältnis zwischen dem
aufwand Englands und seiner Militärmacht.
Deutsches Reich.
Der für die Enthüllungsfeier des Bismarck-
dex ?Ualdenkmals in Berlin nunmehr gewählte Tag,
»User .2uni, ist das Datum, au welchem vor 30 Jahren
siegreichen Truppen in Berlin einzogen. Der Einzug
ijxyiete fich besonders volkstümlich. Man sah da, als
hg "udwebr einrückte, ein merkwürdiges Bild: die Landwehr-
!h^ hatten es sich nämlich nicht nehmen lassen, daß
^>e rr ^ entgegengeeilten Frauen mit in Berlin einzogen.
^js^Aaubnis dazu war sehr schwererlangt worden; denn
.Wilhelm machte Miene, einen solchen Einzug, der
tzg die militärische Ordnung verstieß, nicht zu dulden,
tzr^stgte sich „Unser Fritz", des deutschen Reiches und
djx ^tls Krolipnn,, ius Mittel und setzte es durch, daß
Qr^udwehrmänner, soweit es sich mit der einzuhaltenden
"Ug vertrug, mit ihren Frauen einziehen durften.
i>er st" Die Uniform für die Offiziere und Mannschaften
^dteil" 1- Oktober d. I. zu errichtenden Maschinengewehr-
^vrüx^en ist von graugrüner Farbe mit ponceau-roten
stoben und Kragen und Aufschlägen.
Hchst" Der „Vorwärts" hebt hervor, daß die für den
sozialdemokratischen Parteitag geplanten geheimen
Visiten durch die Beseitigung des Koalitionsverbots für
ljx '^Vereine ermöglicht worden sind. Das veranlaßt
eh^'^ichskorrespondenz" zu folgendem Weheruf: „Wir
s°lg-/^ ^ Anfänge der Zeit, in welcher die vollen
!t st ""gen aus jenem Gesetze gezogen werden, und es
''Agen st^ voreilig, behaupten zu wollen, daß es üble
ggf' Vicht gezeitigt habe. Große geheime Ver-
eh^iungeri einer Partei, welche den Umsturz der be-
^ge > Gesellschaftsordnung erstrebt, sind auf gesetzlichem
mehr zu hindern, und damit ist dem ganzen
" Verschwörun;

lgswesen ein Beihätigungs-

feld eröffnet, für das es praktisch keine Grenze giebt." -
Diesen gruselnerregenden Klagen gegenüber sei doch darauf
hingewiesen, daß große geheime Versammlungen immer
weniger gefährlich sind als kleine. Und an solchen hat es
selbst zur Zeit des Sozialistengesetzes bei der Sozial-
demokratie nicht gefehlt.
St. Wendel, 13. Juni. Bei der gestrigen Reichs-
tagsersatzwahl im Wahlkreise Ottweiler - St. Wendel-
Mei'enheim erhielt Geh. Bergrot Prietze (nationallib.)
15 724 Stimmen. Kaufmann Fuchs (Zentrum) 14952
Stimmen. Zersplittert sind 107 Stimmen. Prietze ist
somit gleich im ersten Wahlgang gewählt worden. Sein
Vorgänger v. Stumm gekörte den Freikonservativen an.
Das Zentrum, das sich auf die Eroberung des Wahlkreises
Hoffnung machte, will die Wahl anfechten.
Wilhelmshaven, 13. Juni. Der Dampfer
„Andalusia" mit 500 aus China heimkehrenden Offizieren
und Mannschaften der Seebataillone ist heute Mittag auf
der Reede eingetroffen.
Görlitz, 12. Juni. Hierselbst wurde eine von
40 Personen besuchte Anar ch ist en-Ver samm-
ln n g nach halbstündiger Dauer wegen Beschimpfung der
polizeilichen Einrichtungen behördlich anfgelöst.
Baden.
L.6. Karlsruhe, 12. Juni. Das statistische
Land es amt hat die Ergebnisse der letzten Volks-
zählung gemäß den Angaben der Zählungskommissionen
nach oorausgegangener rechnerischer Prüfung zusammen-
gestellt. Die Gesamtbevölkerung Badens betrug
hiernach am 1. Dezember v. I. 1866 384 und hat gegen
die letzte, am 2. Dezember 1895 vorgenommene Zählung
um 141120 Köpfe oder 8.18 Prozent, also durch-
schnittlich in einem Jahre um 1,586 Proz. zugenommen.
Diese Zunahme ist die größte, die seit dem Jahre 1828
fcstgestellt wurde. Im Einzelnen ist zu bemerken, daß
auch jetzt wieder die Orte unter 2000 Einwohnern im
Bevölkerungsstand' abgenommen haben und zwar fünfmal
so stark als in der letzten Zählpcriode, nämlich um 2 Proz.,
während alle anderen Orte eine Zunahme und zwar jene
zwischen 2000 und 5000 Einwohnern eine solche von
13,88 Proz. und so fort bis zu der Großstadt Mannheim,
die nun 33,19 Proz. zu verzeichnen hat, aufweisen. Ander-
seits zeigen die Orte mit einer Industrie bis herab zu den
kleinsten Dörfern (z. B. Nollingen, Amt Säckingen, von
918 auf 1666) ganz erhebliche Zunahmen. Orte mit nur
Landwirtschaft treibender Bevölkerung befinden sich in
einer ständigen Abnahme ihrer Bewohncrzahl. Die
1489 Landgemeinden weisen eine Vermehrung ihrer Ein-
wohnerzahl von 1062845 auf 1098 972 oder von 3,4
Prozent auf, ohne die Industrie wäre sie ganz
unerheblich. Die 119 Städte dagegen hatten eine
Vermehrung von 662619 auf 767 612 oder von
15,85 Prozent und darunter die 9 Städte der Städle-
ordnung eine solche von 27,66 Prozent. Im ganzen sind
883 Gemeinden an Einwohnerzahl gewachsen, 704 ge-
fallen, während 21 unverändert geblieben sind.
Karlsruhe, 11. Juni. Nach dem Singer'schen
Vortrag in der Festhalle ergriff Redakteur Kolb das

Wort ,um über die bad. Landtagswahlen zu sprechen.
„Soweit er unterrichtet sei", behauptete Kolb, „seien die
bürgerlichen Parteien gewillt, den Soz.-Dem. die 3 Land-
tagsmandate von Karlsruhe zu entreißen. Die Nat.s
Lib. seien bereit, sich mit ihren Gegnern zu einem
Kompromiß zu vereinigen, insbesondere den Freisinni-
gen ein Mandat abzutreten; darnach würden also die
Nat.-Lib., das Zentr. und die Freist je 1 Mandat erhalten.
Kolb fügte bei: Er zweifle nicht, daß die Mandate von
der Soz.-Dem. würden behauptet werden, aber das Knne
nur mit Einsetzung aller Kräfte geschehen." Letz-
tere Bemerkung enthält, wie der „Schwäb. Merkur" her-
vorhebt, einen Hinweis auf den Zweck der Kolb'schen
Rede: Er wolle die „Genossen" scharf machen, damit
sie bei der Landtagswahl gehörig ins Zeug gehen. Die-
ser Wunsch ist wahrscheinlich auch der Vater des Ge-
dankens. Wir haben kein Anzeichen dafür, daß unter
den bürgerlichen Parteien bereits verhandelt wurde, und
dann ist natürlich auch die Art der Mandatsverteilung
aus der Luft gegriffen. Aber allerdings, es liegt so
etwas in der Luft; Kolb, der das Politische Gras wachsen
hört, und dessen Spezialität es ist, die von den andern
Parteien geschmiedeten schwarzen Pläne zu enthMen,
hielt Ort und Zeit für geeignet, seine Leute aufzurütteln.
Wenn er mit seiner Befürchtung nur Recht behält; er
unterschätzt von seinem Standpunkt aus die Schwierig-
keiten, die einer Einigung der bürgerlichen Parteien ent-
gegenstehen. Sie gehen hauptsächlich von einer Partei
aus, deren Ansprüche wir des öftern dargelegt haben.
Hessen.
— Die hessischen Landtags-Abgeordneten
hatten früher, ehe die preußisch-hessische Eisenbahngemein-
schaft bestand, Freikarten auf den hessischen Bahnen.
Nach Abschluß derselben sind diese Freikarten den Abge-
ordneten entzogen und trotz wiederholter Vorstellungen
auch nicht wieder gewährt worden. Das ist recht bitter,
zumal für diejenigen hessischen Abgeordneten, welche für
die Gemeinschaft gestimmt haben.

Aus der Karlsruher Zeitung.
Karlsruhe, 13. Juni. Gestern, Mittwoch Abend
halb 9 Uhr, sind der Grobherzog und die Großherzogin von
Kiel wieder abgereist. Der Kaiser, sowie Prinz und Prinzessin
Heinrich von Preußen gaben denselben das Geleit zum
Bahnhof, wo eine herzliche Verabschiedung stattfand. Die
Großherzoglichen Herrschaften trafen heute Mittag nach
halb 1 Uhr hier ein. Die Großherzogin reiste unmittelbar
nach Schloß Baden weiter, um baldmöglichst mit der Kron-
prinzessin Victoria wieder zusammenzutreffen, während der
Großherzog hier blieb und sich nach dem Großherzoglichen
Schlosse begab. Seine Königl. Hoheit empfing heute Nach-
mittag 3 Uhr den Präsidenten des Ministeriums des In-
nern Geheimerat Dr. Schenkel, um 4 Uhr den Geheimen
Legationsrat Dr. Frhrn. von Babo, um 5 Uhr den Staats-
minister Dr. Nokk und um 6 Uhr den Präsidenten Dr.
Nicolai. Der Großherzog gedenkt heute Abend nach Schloß
Baden zu reisen. Die Kronprinzessin von Schweden und
Norwegen wünscht den Geburtstag des Kronprinzen
Sonntag, den 16., sowie den Geburtstag ihres Sohnes,
des Prinzen Wilhelm, am 17. noch bei ihren Eltern zuzu-
bringen und wird dann am 18. oder 19. d. M. die Heim-

oyH Rittmeister v. Krosigk,
der Gumbinner Mordthat, beschäftigt die
Presse. So lesen wir in der „Voss. Ztg.": Es
Atex ^richtet, v. Krosigk habe sich darüber erregt, daß ein
sth eisernen Kreuz geschmückter Wachtmeister
schnell und gelenkig genug gebückt habe, um
der Rittmeister fallen gelassen hatte,
stfg Uim^'.Herr v. Krosigk nahm den Bleistift, warf ihn
befahl dem Wachtmeister, ihn aufzuheben. Dies
n ^ Atzest/" dreißig Mal. Es ist ferner im Reichstage
M ^sthnert (Soziald.) behauptet worden, v. Kro-

chrtest"^l897 den vom Erholungsurlaub zurückge-
^ Hg.,??6chtmeister Martens (also Wohl der Vater
''^ehxL„wtangeklagten im Gumbinner Prozeß) so lange
j'^tt Aachen lassen, bis dieser umfiel und in das La-
fragen werden mußte. Der Rittmeister, habe
^ Mnst der Allensteiner Gegend an einem Sonntag
d^ens bis abends Pferdeappell abgehalten, so-
P ganze Bevölkerung empört gewesen sei.
?veralleutnant v. Viebahn glaubte da-
i> ^ Reichstag seine Entrüstung da-
k>°^er -^brechen zu müssen, daß ein „pflicht-
kst ^dig/^ggedienter Offizier" über das Grab hinaus
stadest x i?^de, schränkte aber spater als nachgewiesen
dPiwgZatz er wegen Mißhandlung von Mannschaften
Bll" er erlitten hatte, seine Erklärungen dahin ein,
ststst.h?be sagen wollen: Laßt die Toten ruhen!
ballte „li-.üder von Krosigk erzählt: Seine Umgebung
holo., aufs Blut. Er ließ Sand aus der Reit-
die Rekruten bei strenger Kälte am Brun-
ei festest Mt Sand warf er in der Reitbahn
Zenten. Er machte die Sporen los und schlug

sie den Leuten auf die steifgewordenen Kniee.EinenMann
mißhandelte er derart, daß dieser sich erhängte. Solche
und andere Erzählungen gehen durch die Blätter. Auf
ihre Richtigkeit sie zu Prüfen, ist unmöglich, jedenfalls
nimmt sich die amtliche Mitteilung diesen Erzählungen
gegenüber etwas dürftig aus. Wenn letztere auch nur
mit Vorbehalt wiedergegeben werden sollen, so ist es doch
nicht verwunderlich, daß sie vielfach geglaubt werden,
wenn man bedenkt, daß in dem Gumbinner Prozeß die
Oeffentlichkeit regelmäßig ausgeschlossen wurde, so oft
auf das Verhalten des Rittmeisters gegen seine Unter-
gebenen die Rede kam, .und daß ferner das Gehirn des
Toten untersucht wurde, weil man vermutete, er sei gei-
steskrank gewesen. Jedenfalls wird deshalb vielfach die
Frage aufgeworfen, warum v. Krosigk solange in seiner
Stellung belassen wurde. Und da ist es bemerkenswert,
daß der streng konservative „Reichsbote" mit dürren
Worten sagt, daß Krosigk nur darum nicht entlassen
wurde, weil er der Sohn eines Generals ist. Hat man
solche Rücksicht genommen, so wird man gehofft haben,
die schlimmen Erfahrungen werden den Rittmeister dazu
führen, sich beherrschen zu lernen, eine Hoffnung, die
sich allerdings nicht erfüllt zu haben scheint. Wenn von
amtlicher Stelle der Versuch, Krosigks Verhalten als
nicht so gravierend darzustellen, nicht fortgesetzt wer-
den sollte, so würde das kaum etwas schaden. Denn au-
ßer der Sozialdemokratie ist man doch darüber einig,
daß für unsere deutschen Militärverhältnisse solche ein-
zelne Fälle durchaus keine typische Bedeutung haben.
Der Krosigk'sche Mordprozeß dürfte, wie
der „Königsb. Hart. Ztg." aus Gumbinnen berichtet wird,
in der Berufungsinstanz im Lause der nächsten Wochen
vor dem Königsberger O b e r k r i e g s g e r i ch t zur

Verhandlung kommen. Wegen der zahlreichen Zeugen
und der notwendigen Ortsbesichtigungen wird voraus-
sichtlich die neue Verhandlung wieder in GumO.nnen
stattfinden. Den Vorsitz wird diesmal ein Oberst oder
Oberstleutnant führen.

Kleine Zeitung.
Tic Pcnsionsanstalt deutscher Journalisten und
Schriftsteller hat ihre diesjährige Hauptversammlung in
der Pfingstwoche in Eisenach abgehalten. Dem vom Ob-
mann des Vorstandes, W. Prager-München, erstatteten
Geschäftsbericht ist zu entnehmen, daß die An-
stalt zur Zeit ein Vermögen von 615 000 Mark besitzt.
Von dieser Summe wurden 476 000 Mark von den Mit-
gliedern aufgebracht. 140 000 Mark stammen aus den
Ueberschüssen, die sich durch das finanzielle Resultat der
von den Ortsverbänden veranstalteten Festlichkeiten, aus
Schenkungen rc. ergaben. Der Zuschuß, den die An-
stalt zu den selbsterworbenen Renten den Mitgliedern
gewährt, wurde für das Jahr 1902 auf 80 Mark festge-
setzt. Die Versammlung beschäftigte! sich ferner Mit
der Frage der Unterstützung von Hinterbliebenen verstor-
bener Mitglieder. — In den letzten Monaten hatte die
Anstalt einen erfreulichen Zugang an ordentlichen und
außerordentlichen Mitgliedern zu verzeichnen. Ein vom
Ortsverbande Dresden — Vorsitzender Chefredakteur
G. Mäder — veranstaltetes Frühlingsfest erzielte eisten
großen künstlerischen und finanziellen Erfolg. — Das
Protokoll der Hauptversammlung sowie die übrigen
Drucksachen der Anstalt sind jederzeit kostenlos vom
Bureau — München, Max Josephstraße 1—0 — zu be-
ziehen.
 
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