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Heidelberger Zeitung (43) — 1901 (Januar bis Juni)

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Nr. 77-100 (1. April 1901 - 30. April 1901)
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Erscheint täglich, Sonntags ausgenommen. — Preis mit Familienblättern monatlich 60 Pfg. frei in's Haus gebracht, bei der Expedition und den Zweigstellen abgeholt 40 Pfg. Durch dießPostH be-
..... ^gen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.
Anzeigenpreis: 20 Pfg. für die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum- Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Anschlag der Inserate auf den Plakattafeln der Heidelberger Zeitung
und den Plakatsäulen. — Fernsprech-Auschluß Nr. 82.

43. Jahrgang. — ür. 93.

Montag, 22.

Erstes Blatt.

Deutsches K e i ch.
Kiel, 20. April. Der Kaiser verblieb heute Bor-
mittag an Bord des Linienschiffes „Kaiser Wilhelm II."
und erging sich längere Zeit mit dem Kommandanten
am Achterbord. Um 11s4 Uhr begab sich der neue Kom-
mandeur der 18. Division, Generalleutnant v. Collani,
Zur Meldung beim Kaiser an Bord. Die Kaiserin un-
ternahm heute Vormittag bei herrlichem Frühlings-
wetter mit der Prinzessin Heinrich eine Wagenfahrt
durch Düsternbrook nach dem kaiserlichen Jachtklub und
besichtigte dessen Räume. Um 1014 Uhr reiste die Kai-
serin nach Ploen ab.
Deutscher Reichstag. Berlin, 20. April. Be-
ratung der Resolutionen zum Urheberrecht.
Die erste Resolution, die beantragt, die Berner
Litteraturkontion vom 9. September 1886 dahin aus-
zudehnen, daß Uebertragungen von Musikstücken auf solche In-
strumente, die zu deren mechanischer Wiedergabe dienen, ohne
Erlaubnis des Urhebers nicht zulässig sind, wird gegen die
Stimmen einiger Freisinnigen angenommen. Die zweite Re-
solution besagt, den Reichskanzler zu ersuchen, zu erwägen, ob
nicht bei der neuen Herausgabe von Werken der Litteratur und
Tonkunst deren Urheberrecht wehr geschützt werde, sowie bei der
Aufführung solcher Werke von den Verlegern eine Abgabe er-
hoben werden kann, deren Ertrag bedürftigen Schriftstellern und
Komponisten des Inlandes, sowie deren Hinterbliebenen zukomme.
Die Resolution wird mit großer Mehrheit abgelehnt. Die
dr itte Resolution betrifft die Neubearbeitung der Gesetze über
den Schutz des Urheberrechtes an Werken der bild-nden Kunst
und Photographieen, sowie dos Urheberrecht an Modellen und
Mustern. Die Resolution wird einstimmig angenommen.
Abg. Dr. Büsing (natl.) beantragt eine Resolution betreffs
Aufhebung des fliegenden Gerichtsstandes der Presse.
Die Resolution wird gegen die Stimmen der Freisinnigen und
Sozialdemokraten angenommen.
Es folgt die Beratung des Gesetzentwurfes betreffend das
Verlagsrecht.
Die 88 16—27 werden in Kommissionsfassung angenommen.
§ 28 handelt von der Uebertragbarkeit des Verlagsrechts. Die
Regierungsvorlage gibt dem Verleger das unbedingte Verlags-
recht. Die Kommission sucht diese durch eine andere Fassung
einzuschränkcn: Die Rechte des Verlegers sind übertragbar, so-
bald die Uebertragung nicht ausgeschlossen ist.
Der Paragraph wird in Kommissionsfassung angenommen.
Die 29 bis 38 werden angenommen. Die übrigen Para-
graphen des Gesetzes werden debattelos erledigt, ebenso die von
der Kommission gestellte Resolution betreffend baldiger Vor-
legung des Verlagsrechtes über Werke der bildenden Kunst und
Photographie.
Abg. Dr. Arendt (Rp.) beantragt eine Resolution, welche
besagt: Soweit die Abgabe von Pflichtexemplaren an die Biblio-
theken des Landes gesetzlich vorgeschrieben ist, ist eine angemessene
Entschädigung für wertvolle Veröffentlichungen an die Verleger
zu zahlen.
Nach kurzen Bemerkungen der Abgg. Spahn (Zcntr.) und
Müller-Meiningen (fr. Vp.), sowie des Geh. Rats Müller wird
die Resolution Arendt angenommen.
Das Haus vertagt sich hierauf auf Montag. Tagesordnung:
Süßstoffgesetz.
ix Hessen.
Darmstadt, 20. April. Das „Frks. Journal"
meldet: Der Abgeordnete Köhler-Langendorf brachte
heute in der Zweiten Ständekammer einen Antrag auf
Abänderung der hessischen Verfassung
dahingehend ein, die Erbfolge der Hessen-Kasseler Lime
auszuschließen, die Erbverbrüderungsverträge zwischen
Hessen, Sachsen und Brandenburg aufzuheben und die
Tochter des Großherzogs, Prinzessin Elisabeth von
Hessen, als Tbronfolgerin zu erklären.

Konzert des Kölner MännersGesangvereins.
Heidelberg, 21. April.
Ein Zusammenhang zwischen edlem Trank und ge-
fügiger Kehle muß eben doch bestehen! Oder wäre es
Zufall, daß der weinfrohe Rhein auch der sangesfrohe ist I
So ist beinahe Naturbestimmung, daß die Perle des Rheins,
das „große heilige Köln", dem Vaterland den besten
reichsdeutschen Männergesangverein schenkt.
Früher zog ein fahrender Sänger allein durch die
Lande, heute begeben sich auch die großen Sängerscharen
auf die Sängerfshrt. Weit über die Grenzen des Reichs
ging die der Kölner, und ehrenbeladen kehren sic heim.
Anderes sammeln ja die Glücklichen nicht. Im Dienste
der Wohlthätigkeit fingen sie, sich zur Freude und Andern
zur Wohlthat, den Armen wie den Hörern. Dank sei
ihnen gezollt im Namen der Bedürftigen und im Namen
der Kunst.
Unter Leitung des vortrefflichen Dirigenten, Prof.
Schwärtz, ist da ein wundervolles Dilettantenmatcrial
Sur höchsten Vollendung geformt. Die Schulung der Masse
Mit der Wirkung, daß aus ihr ein vielköpfiger Solosänger
Wird, feiert hier ihren höchsten Triumph. Was wir so
vst in unserem berechtigten Kirchthurmstolz am „Lieder-
kranz" rühmen konnten, das gilt hier in vielfacher Potenz,
dieser Gesangverein hat nichts — Gesangvereinsmäßiges.
Hier ist kunstgemäße Tonbildung und Textbehandluug,
Sleichmäßiges Vokalisieren und Athmen, einheitliche Dyna-
mik, prächtige Ausgeglichenheit der Stimmen, kein Hervor- >

Sachsen-Weimar.
Weimar, 20. April. Der Grotzherzog hat,
der „Weim. Ztg." zufolge, den Staatsminister Rothe
von der Leitung der Finanzabtetlnng des Staatsmini
steriums entbunden und ihm die Leitung der Kultus-
abteilung übertragen, mit der die Angelegenheiten des
großherzoglichen Hauses und die Geschäfte der Justiz-
verwaltung verbunden sind. Ministerialdirektor
Hannius wurde unter Verleihung des Titels eines
großherzoglichen Finanzrates zum Chef der Ftnanzab-
teilung ernannt.

Aus der Karlsruher Zeitung.
— Seine Königliche Hoheit der Grobherzog haben dem
sandeskommissär für die Kreise Karlsruhe und Baden, Geheimen
Oberregierungsrat Braun, die Erlaubniß zur Annahme und
zum Tragen des ihm verliehenen Sterns zum Königlichen Reichs-
Kronenorden zweiter Klasse erteilt; die etatmäßige Stelle des
katholischen Hausgeistlichen an der Heil- und Pflegeanstalt
Jllenau dem Pfarrer Michael Alles daselbst übertragen: den
Notar Dr. Max Schwarzschild in Adelsheim in den Amts-
gerichtsbeztrk Rastatt und den Notar Max Fürst in Zell a. H
in den Amtsgerichtsbezirk Adelsheim versetzt.
— Daß Justizministerium hat dem Notar Dr. Max Schwarz-
schild das Notariat Rastatt IV und dem Notar Max F ü r st
das Notariat Adelshetm I zugewiesen.
— Seine Großherzogliche Hoheit Prinz Maximilian
von Baden haben den Vorstand des Rentamts Salem, Rech-
nungsrat August Scherrcr, zum Vorstand der Revision bei
der Dowäneukanzlei der Bodenseifideikommisse in Karlsruhe und
den Finanzasscssor Emil Ehrenmann von Ueberlingen unter
Verleihung des Titels „Rentamtmann" zum Vorstand des Rent-
amts Salem ernannt.
— Es wurden die Expeditionsassistenten Ludwig Schultz
(Rechtspraktikant), Karl Bitlerich, Franz Hauser und Georg
Häfele (Eisenbahnpraktikanten) zu Betriebsassistenten ernannt.
— Steuerkommissär Georg Kern wurde zum Revisor bei
Großh. Steuerdirektion ernannt.
— Amtsregistrator Wilhelm Leiter in Schönau wurde zu
Großh. Bezirksamt Donaueschingen versetzt.
Karlsruhe, 20. April. Der Großherzog
und die Groß Herzogin sind gestern Abend halb 6
Uhr von Schloß Friedrichshos zurückgekehrt. Heute
Vormittag 9 Uhr 32 Minuten begaben sich Ihre König-
lichen Hoheiten nach Baden zum Besuch des Großfürsten
Michael Nicolajewitsch, welcher die Großherzoglichen
Herrschaften am Bahnhof empfing. Ihre Königlichen
Hoheiten besuchten sodann den Prinzen und die Prin-
zessin Moritz von Sachsen-Altenburg sowie den Prinz
Albrecht von Preußen, Regent des Herzogtums Braun-
schweig. Hierauf nahmen die Höchsten Herrschaften das
Frühstück bei der Prinzessin Wilhelm und der Prin-
zessin Eugenie von Oldenburg, bei welchem auch Prinz
Albrecht von Preußen erschien und reisten dann von dem
Großfürsten Michael zum Bahnhof begleitet, um 2 Uhr
nach Karlsruhe zurück. Um 8 Uhr empfing Seine Kö-
nigliche Hoheit den Professor Dr. Hensel von der
Universität Heidelherg, der dann vor einer zahl-
reich eingeladenen Gesellschaft einen Vortrag über
Carlyle und Macaulay hielt. Später folgten mehrere
Vorträge.
Ausland.
Oesterreich-Ungarn.
Wien, 20. April. Die „Grazer Tagespost" meldet
ans Märzzuschlag, der Erzherzog- Thronfolger habe

mit Gemahlin dort geweilt und beabsichtigt, bis Sonntag
zu bleiben, sei jedoch heute Mittag im Aufträge des Kai-
sers abberufen worden und sofort abgereist. Der
Kaiser soll, einer anderen Mitteilung zufolge, sehr böse ge-
wesen sein, später aber den Erzherzog mit Unerfahrenheit
entschuldigt haben. Der katholische Volksverein für Ober-
österreich, an dessen Spitze der — heute mit dem Komthur-
kreuz des Franz Josefsordens ausgezeichnete — Landes-
hauptmann Ebenhoch steht, veröffentlicht einen Aufruf,
worin es heißt: „Ein rasender Orkan droht unser Vater-
land heimzusuchen. Der Thronfolger wußte was und warum
er sprach; mannesmutig sah er dem Sturm entgegen.
Rom und Oesterreich — das ist die Devise, die aus
seinen herrlichen Worten spricht. Das katholische Volk
möge die Treue m dieser Zweiemheir neuerdings mit den
heiligsten Schwüren bekräftigen." — Der Wiener social-
politische Verein beschloß gestern einen Einspruch gegen den
Klerikalismus.
Frankreich.
— In Frankreich hat am 24. März eine Volkszäh-
lung stattgefunden. Noch kann man das Resultat nicht
genau überblicken, aber im allgemeinen weisen die bisheri-
gen Ergebnisse darauf hin, daß die Apostel der Wieder-
bevölkerung Frankreichs noch bedenklicher als bisher
das Haupt schütteln werden, denn mit der Lösung ihres
Problems scheint es mit jedem Jahre schlimmer auszusehen.
England.
London, 20. April. Der Schatzkanzler empfing
gestern Abend eine Abordnung von Parlamentsmitglie-
dern aus Wahlkreisen, die besonders am Kohlen-
handel beteiligt sind. Die Abordnung legte dar,,
welche Härte der Ausfuhrzoll aus Kohle für die von
der Vorlegung des Budgets abgeschlossenen
Lieferungsverträge bedeute. Sir Michael
Hicks-Beach versprach, Weisungen ergehen zu lassen,
wonach die Abgabe für die vor dem 18. April abge-
schlossenen Kohlenlieserungen in Schuldverschreibungen
entrichtet werden könne, und sobald das Parlament end-
gültig entschieden habe, welcher Zoübetrag zurückerstattet
werde, solle dieser Betrag in Anrechnung kommen. Dis
Aeußernng, daß das Gesetz die Lieferanten ermächtigen
werde die abgeschlossenen Verträge zu brechen, ist
damit zurückgenommen. Es wäre solche Untreue auch
eine Ungeheuerlichkeit gewesen.
London, 20. April. Ein Zug mit Vieh, Kohlen
und Vorräten wurde am 19. ds. in der Nähe von
Molteno (Kapland) von den Buren genommen. Dig
vorn am Zuge befindliche Lokomotive konnte von dem
Zug losgetrennt werden und gelangte nach Stormberg.
' ' s die englischen Trupepn aus dem Schauplatz des
Ueberfalles eintrafen, fanden sie den Zug in Flammen^
Asien.
— Generalfeldmarschall Gras Waldersee meldet aus
Peking: Es gelang, den Brand auf die sechs großen
Gebäude des eigentlichen Winterpalastes und das As-
besthaus zu beschränken, aus denen nichts zu retten
möglich war. Die wirksamste Hilfe, leisteten unter
Führung des Obersten Marchand französische Truppen.
Auch Japaner, Engländer und Italiener erschienen auf
der Brandstätte. Böswillige Brandstiftuna scheint nicht

drängen übereifriger Tenöre, keine groteske Wichtigthuerei
tiefer Kellerbässe, — da ist ein vornehmes, zusammen
wirkendes Kehlenorchester. Von den Vereinen mit Weltruf
kann nur der Wiener neben ihm genannt werden Da
wir auch diesen als Gast begrüßen durften, drängt sich
ein Vergleich zwingend auf.
Die Wiener sind in ihrer Art noch größere Künstler,
aber sie sind auch mehr zu Künstelei geneigt. Die Kölner,
ihrerseits Meister in dynamischer Abschattierung, finden
vielleicht nicht solch raffinierte Effekte, wie die von den
Wienern gehauchten xxp's, sie sind vielleicht etwas robuster,
aber darum auch natürlicher, weniger weichlich, als die
vortrefflichen, genußfrohen Oesterreicher. Sonst ist er sich
ja so innig verwandt, der Kölnische und der Wiener Typus,
beide, trotz de'' großen geographischen Entfernung, so aus-
geprägt südlich-lebensfroh.
Ein besonderes Paradestück besitzen die. Kölner in
ihren Tenören. Wenn das Falsett bei den Wienern manch-
mal vielleicht noch sammtweicher klang, so muß man be-
denken, daß bei den Oesterreichern Heidelberg die erste
Station war, bei den Kölnern die letzte. Die Ermüdung
bei diesen war —, wie zuletzt im „Choral von Leulheu" —
unverkennbar, und das sehr erklärlicher Weise, denn was
haben die überall enthusiastisch begrüßten Gäste an Liebe
und Liebestrank über sich ergehen lassen müssen. Auch von
Sängern läßt sich nichts so schwer ertragen, als eine Reihe
von guten Tagen.
Ihr Meisterstück zeigten die Meistersinger in Hegar's
bekanntem „Totenvolk". Da haben sie die Wiener über-

trumpft. Dieses sturmartiz anwachsende Crescendo, dieses
erschütternde Klagen in der Septime, dieses dumpfe toten-
glockenartige Piano der Bässe, das war gesungene Malerei.
Unseren Herzen am nächsten stand dann das einfache
Volkslied, das mit Anderem auf's liebenswürdigste als
Zugabe gespendet wurde, und Zöllner's „Wanderschaft" —
sozusagen gesungene Violinpizzicati.
Sehr duftig klang auch Brahms allbekanntes „Wiegen-
lied", obgleich es mich im Prinzip nur humoristisch an-
mutet, wenn hundertundsünfzig Männcrkehlen ein Baby
einlullen. Aeußerst frisch zog Breu's „Frühling am Rhein"
ein und poetisch-weich stieg das Nnris," von
Schwach auf.
Heuser's „Sommernacht" wirkt anmutig, namentlich
durch die hübsche Klangfarbe, wenn die Komposition auch
nicht eben tief genannt werden kann. Bestrickend bewies
sich wie zu erwarten war, der Vortrag von „Der Reiter und
sein Lieb".
Endlos wurde den Meistersingern vom Rhein zugejubelt,
es war ein Enthusiasmus, der von Herzen kam. Sie
mögen „Alt Heidelberg" zu anderen, stolzeren Namen auf
ihre Rnhmestasel setzen, und der Stätte nicht vergessen,
wo sie nicht vergessen werden.
Der Liederkranz, der gastliche Freund der berühmten
Wandersänger, wird den ruhmgekrönten Rheinländern ein
würdiges Wanderheim mit Sang und Klang und Lorbeer
bereiten.
„Die gold'ne Kette gieb' ihm nicht", kann man aus
die Kölner nicht anwendcn, aber den Becher, den Goethe
 
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