Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Zeitung (43) — 1901 (Januar bis Juni)

DOI Kapitel:
Nr. 51-76 (1. März 1901 - 30. März 1901)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.37096#0381

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Cvstes Blsrtt

43. Jahrgang. — Ar. 58

Samstag, 9. März 1901.


Erscheint täglich, Sonntags ausgenommen. — Preis mit Familienblättern monatlich 50 Pfg. in's Haus gebracht, bei der Expedition und den Zweigstellen abgeholt 40 Pfg. Durch die Post be.
zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.
Anzeigenpreis: 20 Pfg. für die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Anschlag der Inserate ausAen Plakattafeln der Heidelberger Zeitung
und den Plakatsäulen. — Fernsprech-Anschluß Nr. 82.

Die Vorgänge in China.
Wie weit die Differenzen zwischen Rußland und den
übrigen Mächten wegen der Mantsch urei gehen, ist
auch heute noch nicht genau zu übersehen, sagt doch Ruß-
land, daß es nichts wolle, als die Mantschurei den
Chinesen zurückzuerstatten, sodaß die Mächte keinen Anlaß
hätten, sich aufzurcgen. Wie dem auch sei, das Vorkomm-
nis hat genügt, um die Chinesen sogleich wieder
dreister zu mache». Ein Bericht der „Morning Post"
aus Paotingfu vom 5. März meldet:
Die Deutschen hatten jenseits Fouphing zwei Ge-
fechte mit kaiserlich chinesischen Truppen. Letztere feuer-
ten in beiden Fällen auf deutsche Aufklärungstruppen und
einmal auf die Parlamentärflagge. Drei Deutsche fielen,
Mehrere wurden im Gefecht verwundet. (Fouphing liegt
westlich von Paotingfu, 45 Kilometer diesseits der Grenze
von Schansi). Der General v. Kettler erhielt gestern
ein anmaßendes Schreiben Siliaugs, des
Gouverneurs von Schansi, das einen neuen kaiserlichen
Erlaß ankündigt, der den chinesischen Truppen befiehlt,
innerhalb der Grenzen Schansis zu bleiben, und den
fremden Truppen, sich auf Tschili zu beschränken.
General v. Kettler hob in der Erwiderung hervor, daß
dreimal in den letzten 14 Tagen chinesische Truppen die
Deutschen in Tschili angegriffen hätten. Der chinesische
General hatte vorher in einem unverschämten Schreiben
den Deutschen „verboten", gegen das 35 Kilometer dies-
seits der Grenze von Schansi gelegene Kuangtschang Vor-
drucken. Mittlerweile haben in Hwailu Chinesen auch
vuf französische Patrouillen geschossen. Obwohl die
Chinesen Befehl haben, innerhalb der Grenzen von Schansi
öu bleiben, sind sie in Tschili eingefallen, um die franzö-
sischen und deutschen Truppen zu hindern, die nach Schansi
führenden Pässe zu besetzen. Es ist daher irrig, anzu-
v eh men, die Deutschen veranlaßen absichtlich
Leibungen. Es liegt vielmehr die unbedingte Notwendig-
'ett vor, die Bergpässe von Tschili zu besetzen. Heute
dingen Verstärkungen nach Fouphing ab, um die Chinesen
öurückzutreiben. Die Boxerbe weg» ng ist unter der
Anregung von buddhistischen Priestern wieder im Zu-
üehmen. Zehn auf frischer That ertappte Boxer wurden
dsstern hingerichtet. Der plötzliche Abzug der ausländischen
puppen wäre daher verderblich. Die Franzosen müssen
°vm Schutze der nunmehr bis Tingtschau, 75 Kilometer
Mdllch von Paotingfu fertigen Bahn bleiben. Ein aus
schansi eingetroffener mantschurischer Christ meldet, der
^of treffe Vorbereitungen, eine neue Haupt-
ü«d t in Kaisen gfu, der Hauptstadt Honans, südlich
Mn gelben Flusse, einzurichien. Dieses Gerücht wird be-
üarkt durch die Ueberführung des Schatzes der Pro-
?uz Tschili nach Taming, dem äußersten südlichen Be-
mk der Provinz. Ein Zweck der Entfernung des Schatzes
offenbar dahin, ihn in die Nähe von Kaifengfu zu
*Mgen. Hauptzweck ist indessen wohl, ihn aus dem Be-
von Paotingfu wegzuschaffen. — Nach einer Meldung
„Morning Post" aus Peking vom 7. ds. verlautet,
^ chinesischen Behörden seien bemüht, die Erlaubnis zu
*1?vgen. 3000 Mann chinesischer Truppen unter

dem Befehl des Gouverneurs von Schantung Juanschikai
nach Peking zu bringen. Die Kommandeure der
ausländischen Truppen wollen indessen von der Gegenwart
chinesischer Truppen in der Hauptstadt erst dann hören,
wenn die Zentralregierung die Bedingungen des Friedens-
protokolls erfüllt hat und der Friedenszustand gesichert ist.
Das Befinden desMaisers.
Berlin, 8. März. Das Befinden des Kaisers
am gestrigen Tage war befriedigend, der Schlaf in
der Nacht gut. Die Wunde zeigte sich beim Verbandwechsel
reizlos. Es besteht mäßige Schwellung an den Augenlidern
und der rechten Wange. Fieber ist keines vorhanden.
Zahlreiche Glückwunschdepeschen sind am Berliner Hofe
eingetroffen u. a. von dem dänischen Hof, dem Papst und
der französischen Regierung.

Deutsches Reich.
— In der Budgetcommission des Reichstages fragte
am Donnerstag bei der Beratung des Marineetats der
Abgeordnete Bebel an, welche Strafe den Prinzen Pros-
per Arenberg wegen der seiner Zeit vielbesprochenen Tö-
tung eines Eingeborenen in Südwestafrika getroffen habe.
Der Kolonialdirektor, 1)r. Stübel, erwiderte darauf, eine
vor kurzem durch die Blätter gegangene Nachricht bestäti-
gend, daß der Prinz wegen Mordes zum Tode ver-
urteilt worden sei. Diese Strafe sei zuerst auf dem Gnadenwege
in fünfzehn Jahre Zuchthaus und demnächst in fünfzehn
Jahre Gefängnis nebst Ausstoßung aus dem Heere gemil-
dert worden. Der Prinz verbüßt diese Strafe gegenwärtig
in Hannover.
— Die kriegsministerielle Verfügung betreffs Auf-
hebung der Stadt Spandau als Festung steht
nahe bevor.
— Das ostasiatische Expeditionskorps hat nun auch
einen Armee-Postdirektor erhalten. Unter dieser Amtsbe-
zeichnung hat der Feldpostmeister Schell Horn die Ge-
schäfte als oberer Leiter des Feldpostdienstes zu führen.
Bremen, 8. März. Bei der Eröffnung der hiesigen
Börsenversammlung hielt der Präsident der Handels-
kammer eine Ansprache an die versammelte Kaufmann-
schaft, in der er die Anwesenden aufforderte, den heißen
Wünschen für schnelle Wiederherstellung des
Kaisers durch folgendes Telegramm Ausdruck zu geben:
„Ew. Majestät bittet die in der Börsenhalle versammelte
Kaufmannschaft Bremens, den Ausdruck ihres Schmerzes
und ihrer tiefen Trauer über den in unserer Stadt auf
Ew. Majestät verübten Angriff, zugleich aber auch die
Versicherung ihrer hohen Freude darüber allergnädigst e»t-
gegenzunehmen zu wollen, daß die unglückselige That ohne
ernste Folgen geblieben ist. Gott schütze Ew. Majestät
weiterhin zum Heile des deutschen Volkes." Unter allge.
meiner Zustimmung wurde von der Börsenversammlung so-
dann ein dreimaliges Hoch auf den Kaiser aufgebracht.
Deutscher Reichstag. Berlin, 8. März. Der heutige
Reichstem beschäftigte sich mit dem Gesetzentwurf betreffend

Stadl-Theater.
Heidelberg, 9. März.
»Die Stumme von Portici", große historische
Üer jn 5 Akten von Eugen Scribe. Musik von Auber.
H Man erzählt, es sei im Jahre 1830 das Brüsseler
v^ülikum durch die Aufführung von Auber's „Revolutions-
h/r" derart erregt worden, daß es aus dem Theater
sy ^nte, das in den Straßen versammelte Volk mitriß und
2 küse Empörung verursachte, welche in erster Linie die
sz^örung von Wohnungen verschiedener mißliebiger Pec-
^uchkeiten, später als indirekte Folge die gewaltsame
^nung Belgiens von Holland herbeiführte,
h-, Knd wahrhaftig, man kann auch heute noch beim An-
dy^" dieser Musik, die seit nun bald 100 Jahren ihre
de^ Frische bewahrt hat, gut begreifen, daß sie in einer
sgk, üterschnMen Zeit die Wirkung des Funkens am Pulver-
ty, ^üen kann. Es liegt ein bestrickender Zauber
üiüu ^ Melodien, etwas Faszinierendes, dem man sich
stx-7. Entziehen kann. Hat doch selbst Wagner den unwider-
ttz^'chsn Reiz der Auber'schen Musik anerkannt. Und
beruht die hinreißende Wirkung dieser Oper? Vor
h"ben wir den Eindruck eines aus einem Gusse ent-
stch E^en Ganzen, eines Werkes, das aus einer einheit-
i>j^ Stimmung hervorgewachsen und von dieser Stimmung
üisch^ Ende erfüllt ist. Sowohl melodisch wie harmo-
auch der anspruchsvolle Hörer volles Genügen,
^sell E dramatische Gewalt, welche das Ganze belebt,
dns vom ersten bis zum letzten Ton. Nicht zum
>wn ist das genial geschaffene Lokalkolorit, welches

einen eigentümlichen Zauber ausübt, und die Instrumentation
kann auch uns Modernen, die wir doch in diesem Punkte
„mit allen Hunden gehetzt sind", immer noch etwas
imponieren.
Es war ein lebhaft zu begrüßender Versuch, die
„Stumme" unserem Repertoir einzuverleiben, doppelt zu
begrüßen, da er so gut ausgefallen ist. Wir konstatieren
mit Vergnügen, daß die gestrige Vorstellung eine der besten
der Saison, vielleicht der ganzen bisherigen Opernepoche
an unserm Theater war. Musikdirektor Radig hatte sein
Bestes geleistet und die ganze Aufführung bewies, welch
emsige und energische Thätigkeit derselben vorausgegangen
war. Orchester und Chor — das Gebet wurde wirklich
schön gesungen! — standen auf anerkennenswerter Höhe
ihrer Aufgabe.
Den Hauptanteil des Interesses nimmt natürlicherweise
das Geschwisterpaar Masaniello und Fenella in Anspruch.
Herrn Sariden gelangen die lyrischen Stellen seiner Partie
recht gut, das Schlummerlied sogar sehr gut. Weniger
konnte er das Heldenhafte derselben zum Ausdruck bringen.
Seine schwachen, durch arges Tremolieren sehr beeinträch-
tigten Stimmmittel reichen kaum aus und zwingen ihn zu
unschönem Forcieren derselben. Die Textaussprache ist ganz
ungenügend. Die rührende Mädchenfigur Fenella wurde
vou Frl. Koppen höfer in durchaus angemessener Weise
verkörpert, Spiel und Maske waren ausgezeichnet. Die
Schablonenrolle der Prinzessin lag in den bewährten
Händen des Frl. Hesch, welche die schwierige Gesangs-
partie mit trefflichem Gelingen absolvierte; die Koloraturen

die Unfallfürsorge für Soldaten und nahm sie in
erster Lesung an.
Es folgt die zweite Beratung des Bundesratsbeschlusses,
betreffend eine Aenderung im Verzeichnis der besonderer
Genehmigung bedür fe nden l g ew e rbli chen An-
lagen.
Nachdem Staatssekretär Dr. Graf v. Posadowsky
erklärt hat, der Bundesrat werde die Frage nochmals ein-
gehend prüfen und er hoffe, demnächst eine Erklärung ab-
geben zu können, wodurch eine Einigung mit dem Hause
bezüglich des Bundesratsbeschlusses herbeigeführt wird, wird
der Gegenstand auf Antrag des Abg. Dr. Spahn (Ztr.)
von der Tagesordnung abgesetzt.
Das Haus erledigt sodann eine Reihe von Wahl-
Prüfungen.
Präsident Graf Balle st rem erbittet und erhält die
Ermächtigung, dem Kaiser anläßlich des schweren Unfalles,
der ihn betroffen, die das Haus beseelenden Gefühle im
Namen des Reichstags auszudrücken. (Lebhafter Beifall.)
Nächste Sitzung: Montag.
Baden.
L. 0. Karlsruhe, 8. März. Abg. Kirchenbauer
erläßt im „Durl. Wochbl." folgende Erklärung: „Mit
dem 1. Juli ds. Js. läuft mein Mandat als Abgeord-
neter zur 2. Kammer für den 38. Wahlbezirk ab. Ich
fühle mich deshalb veranlaßt, jetzt schon zu erklären, daß
ich mit Rücksicht auf meine sehr angegriffene Gesundheit
eine weitere Kandidatur nicht mehr annehmen
könnte." Kirchenbauer gehörte seit 20 Jahren der Kam-
mer an und trat bekanntlich auf dem letzten Landtag
wegen Differenzen mit seinen Parteigenossen aus der kon-
servativen Partei aus.
Württemberg.
Stuttgart, 7. März. Jn der gestrigen Sitzung der
Stuttgarter Handelskammer wurde der Antrag gegen
jede Erhöhung der Gctrcidczölle mit großer Mehr-
heit abgelehnt, dagegen eine Resolution angenommen,
wonach die Erhöhung keinesfalls fünf Mk. überschreiten
und langfristige Handelsverträge ausschließen darf.

Aus der Karlsruher Zeitung.
— Mit Entschließuna Großh. Generaldircktion der Staats-
einenbahnen vom 2. März dS. Js. wurden die Expeditions-
assistenten August Naegele in Basel, Theodor Werber in
Offenburq, Jakob Hirn mele in Mannheim, Otto Kuttruff
in Schaffhausen, Theodor Joachim in Mannheim, Otto Koch
in Villingen, Karl H arter in Bruchsal, Johann Haller in
Konstanz und Julius Blust in Offenburg zu Betriebsassistenten
ernannt.
Karlsruhe, 8. März. Der Großherzog empfing
heute Vormittag den Minister Dr. Buchenberger zu längerem
Vortrag. Darnach erteilte Seine Königliche Hoheit dem
Dr. Erdmannsdörffer, Sohn des verstorbenen Geheimen
Hofrats in Heidelberg, zur Entgegennahme der Orden seines
Vaters eine Privatandienz. Um 4 Uhr empfing Seine
Königliche Hoheit den Professor Dr. Troeltsch von der
Technischen Hochschule hier, welcher dann vor den Höchsten
Herrschaften einen Vortrag über „die wirtschaftlichen Fort-
schritte der arbeitenden Klassen" hält. Zu diesem Vortrag

ihrer ÄufMttSarie erfreuten durch Reinheit uno Sicher-
heit. Ihr Partner, Herr Schade, stellte die traurig
Rolle des Alfonso, mit der ihm eigenen Trockenheit dar,
und brachte die Trostlosigkeit dieser Figur vollkommen zur
Geltung. Herr v. Keller wußte als Pietro wie immer
interessant zu wirken und traten feine gesanglichen Vorzüge
wieder angenehm hervor. — Um die äußere Ausstattung
halte sich die Regie sehr verdient gemacht und die Mit-
wirkung vou 8 Damen des Mannheimer Hofballet-Korps
trug wesentlich dazu bei, die Gesamtwirkung der Auf-
führung glänzend zu machen. Das zahlreich erschienene
Publikum belohnte mit reichem Beifalle die gebotenen
Leistungen. _ 0. 8.

Kleine Zeitung.
— München, 8. März. Die „Neue freie. Volksztg."
schreibt nach Mitteilungen, die der schweroerwundete Räuber
Kneißl seiner Mutter gemacht habe, daß Kneißl nicht,
wie bisher erzählt wurde, bei seiner Verhaftung geschossen
und sich auch nicht gewehrt habe. Er erhielt bekanntlich
4 Schüsse aus nächster Nähe und einen Kolbenstoß ins
Gesicht.
— Wien, 8. März. Durch infolge des Schneefalles
zerrissene Drähte der elektrischen Oberleitung wurden heute
fünf Pferde in den Straßen getötet.
— Arg gekränkt. — Mann (elnlenkend, nachdem er mit seiner
jungen Frau einen Streit gehabt): „Hm! Wir werden wohl
heute wieder schönes Wetter bekommen?" — Frau (noch immer
schmollend): „Ach. laß' mich in Ruh'! . . Ich will mir Dir
überhaupt nichts mehr gemeinsam haben."
 
Annotationen