Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Zeitung (43) — 1901 (Januar bis Juni)

DOI Kapitel:
Nr. 51-76 (1. März 1901 - 30. März 1901)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.37096#0335

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Freitag, 1. Mrz 1901. Erstes Blatt. 43. Jahrgang. - Ir. 51.


Erscheint täglich, Sonntags ausgenommen. — Preis mit Familienblättern monatlich 50 Pfg. frei in's Haus gebracht, bei der Expedition und den Zweigstellen abgeholMO Pfg. Durch die Post be-
zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.
Anzeigenpreis:«) Pfg. für die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum- Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Anschlag der Inserate auf den Plakattafeln der Heidelberger Zeitung
und den Plakatsäulen. — Fernsprech-Anschluß Nr. 82.

Aestessungen
auf die
„Heidelberger Zeitung"
für den Monat
IM" März "MW
Kölle man sofort bei unseren Trägern, in den Zweig-
stellen, bei den kaiserlichen Postanstalten oder bei den Post-
boten machen.
Der Preis der „Heidelberger Zeitung" für den Monat
beträgt 5V Pfg. von unseren Trägern in's Haus ge-
bracht, 4V Pfg. bei Abholung im Verlage oder bei
Unseren Zweigstellen.
Der Vertag.

Ein Gedenktag.
Heute vor dreißig Jahren, am 1. März 1871,
^vgen deutsche Truppen als Sieger in die H a u p t-
Uadt Frankreichs ein. Fast ein Menschenalter ist
seitdem verflossen. Die Machtstellung Frankreichs und
Deutschlands hat sich seitdem noch weiter zu Gunsten
Deutschlands verschoben. Damals gewannen wir Elsaß-
Lothringen mit etwa IV- Millionen Einwohner. Seitdem
Mt Deutschland um 15 Millionen Einwohner zugenommen,
^lso zehn weitere Reichslande gewonnen, während die Be-
völkerung Frankreichs auf der damaligen Zahl stehen ge-
geben ist. Dort 37, hier 56 Millionen Einwohner;
b>ir besitzen also heute das iV-fachs der Volkszahl Frank-
skichs. Dazu kommt, daß das engere Zusammenleben der
Bevölkerung Deutschlands, der damit verbundene schwierigere
^ampf ums Dasein, die Spannkraft, die Leistungsfähigkeit
Unserer Nation naturgemäß steigert. Deutschland kann auf
dreißig Jahre seiner Entwicklung, die seit dem Einzug
deutschen Truppen in Paris verflossen sind, mit Genug-
bimng zurückblicken.

Hat Botha kapituliert?
London, 28. Febr. Mehrere Abendblätter
Melden, Louis Botha habe sich Lord Kitchener
'eute Vormittag kurz vor 10 Uhr formell er-
geben.
, London, 28. Febr. Die Regierung erhielt bisher
^ine Nachricht von der Uebergabe Louis
Gothas. (Gestern hieß es bekanntlich, Botha habe die
^elagoabahn überschritten und sich nach Middelburg ge-
endet. Eine andere Nachricht erzählte, es sei ihm durch
^schickte Bewegungen gelungen, die Engländer zu trennen
Kd den General French einzuschließen. Man hat also
^hrere einander widersprechende Lesarten zur Auswahl.)

Die Hinrichtungen in Peking.
2 Dem „Berliner Lokalanzeiger" wird aus Peking,
Februar telegraphirt:
e, Ans derselben Stelle, wo im Juli vergangenen Jahres
^Minister TsÄi sin und Hsutschengyu der Hin-

Kleine Zeitung.
L Herzog Heinrichs Jagd-Debut aus Schloß Loo.
Mzvg Heinrich von Mecklenburg, Gemahl der Königin
^Khelmina, hat die intimere Bekanntschaft von einem
Unterthanen seiner Gattin auf nicht gerade gewöhn-
Wege gemacht. Als eifriger Jäger pflegt er in den
^krgenstunden in Begleitung dreier Forstaufseher den Fa-
in der Umgebung des Schlosses Het Loo nach-
jvsbllen, wo jetzt das junge Paar seine Flitterwochen ver-
Demselben Vergnügen gingen dieser Tage auch zwei
k 'wdiebe nach, die noch nicht wußten, daß der Gemahl
^ Königin sich dieselbe Beschäftigung erlaubte wie sie,
!>^üiit etwas größerer Berechtigung. Ihre Begegnung war
^Mr die höflichste von der Welt. Der Prinz nahm sich
^ Freiheit, die Wilddiebe zu bitten, ihnen ihre schweren
beehre tragen lassen zu dürfen, und ersuchte sie, wie es
^ Vorstellungen üblich ist, um ihre Namen. Als die
Offenen heimkehrten, harrten ihrer bereits 2 Gendarmen,
es gern übernahmen, alle sonstigen Formalitäten zu
^>gen.
>,^ Die internationale Ballonfahrt am 7. Februar hat
" Kenige Ergebnisse von allgemeinem Interesse geliefert.
^ M Krakau aufgestiegene Ballon fuhr 400 Kilometer
und erreichte 4000 Meter Höhe, wo eine Temperatur
""24°C. angctroffen wurde. Ein vom aeronautischen
djtz^batorium I in Berlin aufgelassener Papierballon kam
90 Meter Höhe und traf dort — 55° C. Der in
"PPes bei Paris ausgelassene Ballon erreichte 6600

Achtung der fremdenfreundlichen Würdenträger beiwohnten,
fiel heute Nachmittag halb 4 Uhr ihr eigenes Haupt
unter dem Richtschwert des Henkers. Zahlreiche Offiziere
aller Truppenkontingente, hohe chinesische Würdenträger,
sowie eine ungeheure Menschenmenge, die den Richtplatz
umdrängte, wohnten der Hinrichtung bei. Als Vertreter
des Grafen Waldersee fungierte Major Lauenstein, während
die chinesische Regierung den jetzigen Justizminister als
Delegierten entsandt hatte. Japanische Truppen eskortierten
die beiden Delinquenten nach dem Richtplatz, wo ihnen
das Todesurteil noch einmal vorgelesen wurde. Etwa
zwanzig Schritte entfernt lagen zwei kleine Matten, davor
stand der Scharfrichter. Tschifm wurde zuerst vorgeführt,
und zwar von fünf Henkersknechten. Der in seinem Amts-
kleid stattlich aussehende, graubärtige alte Mann von hoch-
gewachsener Figur war bereits ganz gebrochen. Er kniete
sofort nieder, sein Hals wurde freigclegt, und eine Sekunde
später rollte sein Haupt in den Sand. Hierauf begab
sich der Scharfrichter zur zweiten Matte, wohin Hsut-
schengyu gebracht worden war. Auch dieser hatte ein sehr
vornehmes Aussehen, schien aber auch schon halbtot zu
sein, als er kam. Seine Augen waren geschlossen, und er
machte den Eindruck, als ob er Opium genommen hätte,
das ihm wahrscheinlich zugesteckt worden war. Unmittelbar
nach vollzogener Hinrichtung zog das Militär ab, während
die Menge auf den Platz losstürmte. Die Henkersknechte
nähten die Köpfe wieder an die Leiber an, die hierauf in
bercitgestellte prachtvolle Särge gelegt und von den Ver-
wandten der Hingerichteten weggeiragen wurden. Die
Exekution hatte ersichtlich einen tiefen Eindruck sowohl auf
die Mandarinen wie auf die versammelte Menge gemacht.

Deutsches Reich.
Cronberg (Taunus), 28. Febr. KZmg Eduard be-
schäftigte sich heute früh mit Regierungsangelegenheiten.
Am Nachmittag besuchte er mit der Kronprinzessin
von Griechenland und seinem Gefolge die Burg
Cronberg, das Krankenhaus und die evangelische Stadt-
kirchc.
Deutscher Reichstag. Berlin, 28. Februar. Weiter-
beratung des Militäretats.
Bei Kapitel „Militärjustizverwaltung" bemängelt Abg. Beckh-
Koburg (freis. Volksp.) die Einrichtung der Gerichtsherren, deren
Befugnisse den modernen Rechtsanschaunngen widersprächen.
Ungeheuerlich sei auch, daß die Befugnisse des obersten Kriegs-
herrn, Bestätigung und Strafmilderung, den Gerichtsherren über-
tragen werden könnten. Auch sei noch nicht festgestellt worden, ob
im Mörchinger Prozeß die Oeffentlichkeit nicht ausgeschlossen ge-
wesen sei oder nicht.
Kriegsminister v. Goßler: Er hätte nicht geglaubt, daß die
Militärstrafgerichtsordnung, nachdem sie erst ein Zahr bestehe, so
scharf kritisiert werden würde. Die Disziplin verlange, daß auch
im Gerichtsverfahren das Ansehen des Vorgesetzten gewahrt bleibe.
Im Mörchinger Fall sei die Oeffentlichkeit nicht ausgeschlossen
gewesen, sondern nur bei einzelnen Vernehmungen. Uebrigens sei
sowohl von dem Gerichtsherren, als von dem Angeklagten Revision
angemeldet worden.
Das Kapitel wird bewilligt.
Abg. Jacobskoctter (kons.) wünscht Abschaffung der
Oekonomiehandwerker, die ohne Waffe dienen. Die umfangreichen
Arbeiten für die Chinaexpedition seien wieder nicht an Zivilhand-

Meter mit einer Minimaltemperatur von —42" C. Ein
gleichzeitig dort aufgelassener Sondierballon stieg bis zu
12 700 Meter und notierte als tiefste Temperatur
—55° C. Die nächste internationale Ballonfahrt findet
am 7. März statt.
— Auch ein Diebstahl. In Wien sollte jüngst in
einem Konzert eine neue Komposition von Gustav Mahler
aufgcführt werden. Das Orchester halte, so erzählt das
„Femdenbl.", kaum einige Minuten gespielt, da entstand
in den ersten Parlerreihen eine heftige Unruhe. Irgend
Jemand hatte sich erhoben, die Nachbarn wollren ihn
beschwichtigen, kurz, es war eine „Szene". Der Kritiker
einer Wiener Zeitung, ein alter Herr von lebhaftem Tem-
perament, hatte sich nämlich, kaum daß Mahler den
Taktslock erhoben hatte, mit wachsender Unruhe auf seinem
Sitz hin und her bewegt. Schließlich sprang er von
seinem Sitz auf und rief aus: „Das dulde ich nicht
länger! Das kann ich nicht länger ertragen! Das
ist eine Gemeinheit!" u. s. w. Seine Nachbarn
wiesen ihn erregt zur Ruhe. „Beruhigen Sie sich doch!"
hieß es von allen Seiten. „Nein ich kann mich nicht
beruhigen", erwiderte der Kritiker. Ich kann das nicht
länger anhören, ich habe einen so unverschämten
Diebstahl in meinem ganzen Leben nicht gesehen. Das
ist ein gemeines Plagiat —" „Ja, wie so denn?"
fragten nun die Nachbarn mit ängstlicher Stimme. „Ja,
Sie wissen's nicht, aber ich weiß es: Diese angebliche
Mahlerische Komposition erinnert ja stellenweise ganz an
die „Faust"-Ouvertüre von Richard Wagner.

Werker gegeben worden, sondern man habe zahlreiche ausgediente
Oekonomiehandwerker herangezogen.
Kriegsminister v. Goßler: Der Vorwurf sei unberechtigt.
Die Zahl der Oekonomiehandwerker nehme beständig ab. Bei der
Chinaexpedition waren wir in einer Notlage.
Nach einer kurzen Erwiderung des Abg. Jacobskoetter
begründet Abg. Graf Carm er (kons.) eine Resolution, über die die
Abstimmung ausgesetzt wird.
Zu Kapitel Naturalverpflegung liegt eine Resolution der
Kommission vor: 1) Normalsätze für die Vergütung der Natural-
verpflegung entsprechend dem heutigen Stande der Naturalpreise
einer Revision zu unterziehen; 2) hierbei diejenigen Gegenden zu
berücksichtigen, wo außergewöhnlich häufig eine Naturalverpflegung
zu verabreichen ist. Die Resolution wird nach längerer Debatte
angenommen.
Auch eine Resolution betr. die Aufbesserung der Apotheker wird
angenommen.
Morgen 1 Uhr Fortsetzung: Etat der Zölle und Verbrauchs-
steuern. ^
Preußen.
— Der „Reichsanzeiger" veröffentlicht einen Erlaß
des Kultusministers vom 26. Februar, wonach alle
Abiturienten, nicht bloß deutscher Gymnasien, sonder»
auch deutscher Realgymnasien, deutscher Oberrealschuleu
gleichmäßig zur Prüfung für das Lehramt an de»
höheren Schulen ohne Einschränkung auf bestimmte Fächer
zuzulassen sind.

Aus der Karlsruher Zeitung.
— Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben dem
Assistenten der chirurgischen Klinik und Privatdozenten für Chirurgie
in Heidelberg Dr. Walther Petersen und dem Verwalter des
akademischen Krankenhauses in Heidelberg, Oberrechnungsrat
Heinrich Trunzer, das Ritterkreuz II. Klasse mit Eichenlaub
des Ordens vom Zähringer Löwen, dem Feldwebel Sebastian
Kästner, den Gefreiten Albert Schwanz und Hejnr. Scherer,
sowie den seesoldaten Adolf Schreiber, Leopold Kappler
und Reinhold Ratz er vom III. Seebataillon die silberne Ver-
dienstmedaille am Bande der militärischen Karl Friedrich-Ver-
dienstmedaille und dem evangelischen Pfarrer Wilhelm Ewald
in Ueberlingen das Ritterkreuz des Ordens Berthold des Ersten
verliehen.
— Seine Königliche Hoheit der Groß her zog haben dem
Privatdozenten Dr. Friedrich Affolter in der juristischen Fa-
kultät der Universität Heidelberg den Charakter als außerordent-
licher Professor verliehen und den Revisor Josef Hemm er ich
beim Bezirksamt Karlsruhe zum Revisor beim Verwaltungshof
ernannt.
Karlsruhe, 28. Febr. Der Großherzog nahm
heute Vormittag 11 Uhr den Vortrag des Präsidenten des
Ministeriums des Innern Geheimerats Dr. Schenkel ent-
gegen. Später empfing Seine Königliche Hoheit de«
Grafen Fritz von Schwerin aus Wendisch-Wilmecsdorf bei
Berlin, Vizepräsidenten der Dendrologischen Gesellschaft,
welcher Seiner Königlichen Hoheit seine Schrift „Mono-
graphie der Gattung ^vsr" überreichte. Abends 6 Uhr
erteilte der Großherzog dem Königlich Sächsischen Gesandten
Geheimerat Freiherrn von Friesen Privataudienz, wobei
derselbe den Königlich Sächsischen Oberleutnant von
Watzdorf, L In suits des Königin-HusareN-Regiments Nr. 19,
kommandiert zur Königlich Sächsischen Gesandtschaft, vor-
stellte. Zu Ehren des Königlich Sächsischen Gesandte«
findet heule Abend eine Hoftafel statt, zu welcher ver-
schiedene Einladungen ergangen sind. Der Prinz und die
Prinzessin Max werden an der Tafel teilnehmen.

Das ist ja beinahe abgeschrieben!" entgegnete der Kritiker
in höchster Erregung. „Aber beruhigen Sie sich," flüsterten
nun die Beschwichtiger, „es ist doch die Wagnersche
„Faust"-Ouvertüre!" Der Kritiker beruhigte sich
sofort; er hatte nämlich vergessen, das Programm ein-
zusehen, in dem das Wagnersche Werk als erste Nummer
angeküudigt war. Dann erst kam Mahler an die
Reihe . . .
— Die Dummen werden nicht alle. Ein junger
Mann las in einem auswärtigen Blatte ein Inserat, in
dem gegen Einsendung von 1,25 Mark in Briefmarken
eine „neue Methode" zu haben sei, wie man sich aus
reellem Wege bis zu 150 Mark täglich und mehr Neben-
verdienst verschaffen könnte. Das war es gerade, was
dem Betreffenden imponierte, denn wenn man täglich als
Nebenverdienst 150 Mark einstreichen kann, braucht man
kaum noch eine Hauptbeschäftigung. Schnell wurden also
1,25 Mark abgesandt und bald kam „die Methode" an.
Aus dem mittelst Hektograph vervielfältigten Schriftstück
ohne Unterschrift war zu ersehen, wie schnell Vorkommnisse
aus dem täglichen Leben von den Berufsschwindlern „aus-
geschlachlet" werden. Das Schriftstück hatte folgenden
Wortlaut: k. Wenn Sie sich täglich 150 Mark und
mehr verdienen wollen, so machen Sie es wie jener junge
Angestellte eines Tilsiter kaufmännischen Geschäfts, der vor
kurzer Zeit für seinen Prinzipal einen Tausendmarkschein
wechseln sollte. Der junge Mann ging schnell zum Markt,
kaufte ein Pferd, veräußerte es schleunigst wieder und
kehrte dann mit einem Verdienst von 150 Mark ins Ge-
 
Annotationen