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Heidelberger Zeitung (43) — 1901 (Januar bis Juni)

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Nr. 27-50 (1. Februar 1901 - 28. Februar 1901)
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https://doi.org/10.11588/diglit.37096#0197

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Montag, 4. Februar 1901.

Grstes Blatt.

MM. Jahrgam. - 29.






"^^cheint täglich, Sonntags ausgenommen. — Preis mit Familienblättern monatlich SO Pfg. in's Haus gebracht, bei der Expedition und den Zweigstellen abgeholt 40 Pfg. Durch die Post be-
!> zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.
^igenpreis: 20 Pfg. für die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Anschlag der Inserate auf ven Ptakattafeln der Heidelberger Zeitung
^ und den Plakatsäulen. — Fernsprech-Anschluß Nr- 82.

^ie Beisetzurrgsfeierlichkeiterr in England.
^. Der Bericht in unserer Samstagsnummer beschrieb den
K,. EN Teil der Lcichenfeierlichkeiten für die verstorbene
^"'gin Victoria, den Zug von Schloß Osborne nach
H hxrab und die Aufstellung des Sarges auf der
fak --Alberta", lieber den weiteren Verlauf, die See-
»ach Portsmouth, die Fahrt nach London, den Zug
die britische Hauptstadt und die Trauerfeier in Windsor,
EN die nachfolgenden Berichte Auskunft.
^ Portsmouth, 1. Febr. Kurz vor 5 Uhr kam die
^nu er fl o tille auf der Höhe von Gosport au, wo die
^ 'berta" heute Nacht verbleibt. Die Fahrt über den
°lent durch die stattliche Reihe der großen Kriegsschiffe
^Hte einen überaus großartigen und feierlichen Eindruck.
^E Manöver waren sorgfältig vorbereit t worden und

"Alb
E>>ie

en mit der größten Genauigkeit ausgeführt. Sobald
erta" sich einem Kriegsschiffe näherte, feuerte letzteres
^ Salve ab. Die Mannschaft präsentierte das Gewehr
° kehrte dann die Gewehre um, während das Musik-
bs einen Trauermarsch spielte. Während der ganzen
H. brt harte man nur den Donner der Geschütze und die
.^erweisen, welche von den Musikkorps der verschiedenen
^'Egsschjffe gespielt wurden. Das Wetter und die See
stn überaus günstig.
^ London, 2. Febr. In Portsmouth war das
H?kter heute Vormittag trüb und regnerisch. Auf der
IttK "Alberta" fand in Gegenwart des Königs, des Kai-
sta>e ^ königlichen Familie ein kurzer Gottesdienst
^ Die Jacht „Alberta" legte in Gosport gegenüber
k "smouth E>"' Der Sarg wurde über die. Pontonbrücke
b ^ dem kleinen Bahnhof getragen, den die Königin zu
hg.tzEN pflegte. Während dessen wurde Chopins Trauer-
gespielt. Die Kränze und die königlichen Jnsigien
bcn dem Sarg nachgetragcn.

Der Sarg wurde in
, Passend ausgeschmückten Salonwagen gestellt. Der
jh "s6, der Kaiser und die anderen Fürstlichkeiten nahmen
Ewern anderen Wagen Platz. Der Zug fuhr um 9 Uhr
Hb ^ den Salutschüssen der Geschütze und Trauergeläute
ßivn ^ fiel strömender Regen. Hier ist das Wetter
^übe, aber soweit nicht regnerisch. Die Straßen,
die der Leichenzug kommen wird, sind bereits seit
d'Ehk besetzt, der Verkehr ist eingestellt. Polizei
Aiililär bilden Reihen.
s,H London, 2. Febr. Der Trauerzug der aus
Wagen bestand, traf etwas verspätet um 11 Uhr


'Nuten im Viktoria-Bahnhof zu London ein. Der
stieg zuerst aus, dann der Kaiser, beide in eng-
Ij^.EE Feldmarschallunisorm. Sie und die anderen Fürst-
six "sn begaben sich sofort zum Empfangspavillon, wo
^ ">>t dxrc größten Herzlichkeit den König der Belgier,
!>jh ^önig von Griechenland, den Erzherzog Franz Fer-
Hz, ' den Großfürst-Thronfolger, den Kronprinzen von
Eirk, den Kronprinzen von Schweden und Nor-
tz^- den Herzog von Aolla unv die übrigen Gäste begrüßten.
Heischen trugen 12 Gardcsoldaten den Sarg aus die
stijg kte, die vor dem Bahnhofe stand. Großwürden-
djx ^ des Hofes legten Krone, Szepter, Reichsapfel und
^^chignien des Hosenbandordens auf dem Sarge nieder.

Die Lafette wurde von 8 isabellenfarbenen Pferden ge-
zogen, denselben, die im Jahre 1897 bei der festlichen
Auffahrt der Königin nach der Paulkathedrale an ihren
Wagen gespannt waren. Der Trauerzug setzte sich um
11 Uhr 25 Minuten nach dem Paddingtonbahnhofe in
Bewegung. Langsam zogen die vielen tausend Mann aller
Waffengattungen, die um den linken Arm Trauerflor
trugen, dahin. Als erste hinter dem Militär ritt die
glänzende Gruppe der fremden Militärattaches. Ihnen
folgte der Hauptgeneralstab der Armee, an der Spitze
Lord Roberts. Den nun herannahenden Teil des Trauer-
zugs führte der Herzog von Norfolke zu Pferde. 18 Offi-
ziere der Armee und einige Marineoffiziere, die Adjutanten
der verstorbenen Königin waren, schritten zur Seite der
einfachen Lafette. Unmittelbar vor dieser gingen zu Fuß
der Lordkammerherr und der Lord-Stewart. Die Lafette
war von 8 Pferden gezogen; auf den Pferden saßen
Postillone in goldgestickten Livräen. Der Sarg war mit
einem seidenen weißen Bahrtuche bedeckt, an dessen Ecken
königliche Wappen in Gold und Silber gestickt waren;
auf den Pferden saßen Postillone in silbergestickten Livreen.
Königliche Stallknechte schritten neben den Pferden einher.
Hinter dem Leichenwagen trug ein Sergeant der Leibgarde
die königliche Standarte. In kleinem Abstande kamen
nun die hohen Leidtragenden; an der Spitze König
Eduard, ihm zur Rechten Kaiser Wilhelm, zu seiner
Linken der Herzog von Connaught. Der Kaiser, der
auf einem weißen Pferde ritt, trug die scharlachrote Uni-
form eines englischen Feldmarschalls. In Gruppen folgten
die anderen Fürstlichkeiten und Abordnungen der fremden
Regimenter. Den Schluß des Zuges bildeten Unteroffiziere
und Mannschaften der deutschen Regimenter der Königin
Viktoria.
Ungemein siel auf, daß der König seinen
Schmerz nur mit Mühe bemeistern konnte. Auch
der Kaiser sah tiefbetrübt, leichenblaß und fahl
aus. Der Kronprinz ragte unter den übrigen
Fürstlichkeiten durch seine schlanke angenehme Erscheinung
hervor, die aus die dichtgedrängte Zuschauermenge
unverkennbar einen vorteilhaften Eindruck machte. Die
Spitze des Zuges erreichte die Padding-Station um 12
Uhr 55 Minuten. Die Menge zeigte überall eine ehr-
furchtsvolle teilnehmende Haltung; den berittenen Fürstlich-
keiten folgten übrigens die Königin, die Prinzessinnen, der
König der Belgier u. s. w. im Wagen. Die Menschen-
menge in den Straßen entlang, durch die der Trauerzug
kam, wird auf über zwei Millionen geschätzt, doch sind nur
wenige, nicht ernstliche Unfälle zu verzeichnen.
Windsor, 2. Febr. Der Bahnzug mit der Leiche
und den Fürstlichkeiten traf in Windsor 2 Uhr 24 Minuten
ein. Als der Leichenzug bereits im Begriffe stand, sich
vom Bahnhofe in Bewegung zu setzen, wollten die
Pferde, welche vor die Lafette gespannt waren und lange
Zeit im Winde und der Kälte vor dem Bahnhofe gestanden
hatten, durchaus nicht anziehe n. Der König war
durch diesen Zwischenfall sehr peinlich berührt. Der Herzog
von Norfolk wußte nicht, was er thun sollte. Da traten
die Matrosen vor und boten ihre Dienste an. Die

Ltadt-Theater.
lü Heidelberg, 4. Februar.
tz, "Dje Fledermaus", komische Operette von Joh.
>ß.
Vierteljahrhundert ist vergangen und noch immer
'Cd ^"se Perle aller Operetten in unverminderter Frische
siihs.Lugendkraft. Wie manche ihrer Nachfolgerinnen, ja
Töchter desselben Vaters, sind seitdem nach kurzem
Htz "Hetzen wieder ins Grab der Vergessenheit gesunken!
stich '"6s hat auch Strauß selber in keinem seiner zahl-
E" Bühnenwerke diesen Gipfel, den er mit der
sitz, ^11,^8" erstiegen, nur annähernd wieder erreicht,
'st ^.Eiligsten in seinen „komischen Opern". Neuerdings
6>,ch 'ES liebenswürdige Werk „hoffähig" geworden und
st zhöchsten Pflegestätten der ernsten Kunst, die sonst
L>b "Eich ihre Thore hüten, haben sich ihm erschlossen.
- Eii zu seinem Besten? Das bleibe dahingestellt.
4iist^?^s ist man seitdem in Bezug auf Ausstattung und
sj verwöhnter geworden und auch kleinere Büh-
Egkch ° seither gezwungen, etwas mehr Wert darauf zu
^.i>ls es früher der Fall war.
^Cie ^ ^n guten Erfolg der Operette kommt in erster
Besetzung von drei Hauptpersonen in Betracht.
?ädch°' Eisenstein, dessen Frau Rosalinde und das Stuben-
"ikd^" Adele. Man konnte in dieser Hinsicht recht zu-
i, - iinö Runsky sang seine Partie ausgezeich-
Elstig^" spielte sie mit vielem Humor und großer Leb-
Wie immer, so wußte er auch gestern wieder !

durch den Elfer und die sichtliche Hingabe an seine je-
weilige Aufgabe zu wirken. Ein klein wenig mehr Ruhe
im Spiel, besonders das Vermeiden des häufigen Wiegens
in der Kniekehle und auf einem Beine Stehens, würde ihm
sehr zu statten kommen. Sonst aber Bravo! Fräulein
Hesch erfreute als Rosalinde besonders gesanglich. Die
tüchtige Sängerin zeigte sich auch dieser nicht eben leichten
Partie gewachsen, obwohl ihr deren Stil wohl etwas
ferner liegt. Daher bot sie auch da ihr Bestes, wo der-
selbe sich mehr dem der Oper nähert, wie in dem
Czardas des zweiten Aktes. In jeder Beziehung im rich-
tigen Fahrwasser war Fräulein Koppenhöfe r. Wie
kürzlich ihre Helene, so war auch ihre Adele eine
Prachtleistung, trefflich im Gesangspartc, und mit jener
lustigen Pikanterie ausgestattet, die gerade so weit zu gehen
weiß, daß die Grenzen der Grazie nicht überschritten
werden. — Die andern wichtigen und unwichtigen Rollen
waren im allgemeinen ebenfalls recht befriedigend. So be-
sonders der Dr. Falke des Herrn ».Keller, der damit
ein äußerst günstiges Zeugnis für seine Vielseitigkeit ab-
legte und dabei diese Figur gesanglich durchführen konnte,
wie man es leider bei derselben nicht immer gewohnt ist.
Herr Meltzer spielte den Gefängnisdirektor recht und
schlicht, ließ jedoch etwas zu sehr die Verve und den
chevaleresken Ton des eleganten Lebemannes vermissen, der
hier nicht fehlen dürfte. Herr Schade befriedigte ge-
sanglich wie immer; die Steifheit und Trockenheit seines
Spieles fiel gestern noch beängstigender auf als sonst. Das
war denn doch ein gar zu fischblütiger Liebhaber. Fräulein

l Pferde wurden schnell ausgespannt und die Matrosen zogen
I die Lafette die Anhöhe hinauf nach dem Schloß und der
Georgskapelle, die man um 2 Uhr 50 Minuten erreichte.
Beim Eintreffen des Bahnzuges in Windsor begannen die
in dem Park aufgestellten Geschütze Salutschüsse ab-
zugeben. Die dicht gedrängte Menge benahm sich durch-
aus würdig und teilnahmsvoll. Der König, der Kaiser,
die Prinzen, die Gesandten u. s. w. folgten dem Sarg
zu Fuß. den Zug schlossen „Ieomen of the Guard" in
ihrer mittelalterlichen Tracht. Der Sarg wurde von
dem Dechanten und dem Kapitel und von den Erzbischöfen
von Canterbury und Jork und dem Bischof von Winchester
empfangen und das Schiff der Georgskapelle hinauf
geleitet. Der voranschreilende Chor sang dabei den Choral
„Ich bin die Auferstehung und das Leben". Krone, Scepter
und Reichsapfel, sowie die Insignien des Hosenbandordens
wurden hinter dem Sarge getragen, dann folgten der
König, der Kaiser u. s. w. Die glänzenden Uniformen und
Amtstrachten lieferten ein farbenprächtiges Bild. Der
Gottesdienst war verhältnismäßig kurz, dann machte ein
Wappenherold die förmliche Verkündigung des Ablebens
der Königin Victoria und der Thronfolge Eduards VII.
Der Bischof von Canterbury sprach den Segen, der
Tranermarsch Beethovens schloß die erhebende Feier.
In London sind, soweit bekannt, 24 Unfälle vorge-
kommen; ein Schutzmann und mehrere Soldaten sind in
dem Gedränge ziemlich ernst verletzt worden. Beim
St, James-Palast durchbrach der Druck der Menge das
Truppenspalier, sodaß dieses verstärkt werden mußte, mehrere
ähnliche Fälle kamen in Edgware-Road vor.
Nachdem alles beendet, begaben sich die Fürstlichkeiten
nach dem Schloß Windsor. Die Leiche der Königin
Victoria verbleibt bis Montag in der neben der St. George-
Kapelle gelegenen Albert-Gedächtniskupelle und wird als-
dann zur Beisetzung nach Frogmore gebracht.. Der
deutsche Kaiser bleibt bis dahin in England.

Deutsches Reich.
— Ueber die geplante neue Bekleidung des Heeres
wird von unterrichteter Seite mitgeteilt, daß außer
Mannschaften der Jnfanterie-Schießschule in Spandau,
welche die neue Kleidung seit einigen Wochen probeweise
tragen, binnen kurzem auch noch andere Truppenteile in
größeren Verbänden damit ausgestattet werden sollen.
Von dem Ergebnis der weiteren Versuche wird es ab-
hängen, ob diese neue Tracht oder in welcher Art über-
Haupt eine neue Bekleidung eingeführt werden soll. Daß
eine andere Tracht nach Maßgabe der gesammelten Er-
fahrungen und der bei den jetzigen Versuchen gemachten
Beobachtungen, eingeführt wird, steht fest. Bei der Jn-
fanterie-Schießschule bewegen sich die Mannschaften mit
der neuen, erdfarbenen Bekleidung zwischen andern mit der
bisherigen Uniform, damit der Unterschied möglichst her-
vortrete. Wie die blanken Knöpfe des Rockes durch
dunkelfarbige ersetzt sind, so ist auch der blitzende Helm-
beschlag verschwunden. Der Helm, dessen Kopfrundung
aus hartem Filztuch von der Farbe des Rockes besteht.

Graichen fand sich mit dem Prinzen Orlosski uv, so gut
eö ging. Man sieht und hört diese Rolle, aus der doch
recht viel zu machen wäre, so selten gut dargestellt, daß
man wirklich nicht verwöhnt ist. Herr Kallenberger
sorgte als Gefängniswärter ausgiebig für die allgemeine
Heiterkeit und ebenso waren die übrigen kleinen Rollen gut
besetzt. Die Regie ließ wenig zu wünschen übrig. Bei
einer Wiederholung müßte auf eine bessere Ausarbeitung
des Dialoges gesehen werden, manche Stellen blidben für
das Publikum absolut unverständlich. Chor und Orchester
(Dir. Waliczek) gebührt ein ehrenvoller Anteil am Erfolge
des Abends, doch war letzteres bei der Begleitung bis-
weilen zu stark. 0. 8.

Kleine Zeitung
— „Preßkohlen" aus Sägespähnen sind jetzt in Berlin
ein gesuchtes Heizmaterial. Man berichtet darüber: Unter
den mancherlei Arten Heizmaterial, die zu Beginn der
Kohlenteuerung in den ärmeren Bevölkerungsklassen als
wohlfeileres Ersatzmittel für die Steinkohlen versucht wurden,
haben sich die „Preßkohlen aus Sägespähnen" am besten
bewährt. Wenn nun auch diese „Kohlen" nicht denselben
Brennwert haben wie die „echten", so sind sie dafür auch
bedeutend billiger. Ein Vorzug dieses Heizmaterials ist
noch, daß cs leicht zu transportieren ist, keinen Schmutz
macht und wenig Asche hinterläßt. Während früher auf
den großen Schneidemühlen die Sägespähne meistens monate-
lang im Freien blieben, bis sie verfault waren, haben
 
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