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Heidelberger Zeitung (43) — 1901 (Januar bis Juni)

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Nr. 101 - 125 (1. Mai 1901 - 31. Mai 1901)
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Montag, 13. Mai 1901.

Erstes Blatt.

43. Jahrgang. — Ar. 111.

Ersch eint täglich. Sonntags ausgenommen. — Preis mit Familienblättern monatlich SV Pfg. frei in's Haus gebracht, bei der Expedition und dm Zweigstellen abgeholt 40 Pfg. Durch die Post b«.
zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.
Anzeigenpreis: 2V Pfg. für die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Für hiesige Geschäfts-und Privatanzeigen ermäßigt. — Anschlag der Inserate auf den Plakattafeln der Heidelberger Zeitung
und den Plakatsäulen. — Fernsprech-Anschluß Nr. 82.

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Unfern verehrlichen Lesern bringen wir zur
Kenntnis, daß wir auch in diesem Jahre während
der Reisezeit ein Reiseabonnement einrichten.

d

Wir senden die „Heidelberger Zeitung" an M
M jede uns aufgegebene Adresse täglich unter Kreuz-

band nach, wofür wir folgende Gebühren fest-
A setzen:
A Für Illllmdssellduugen die Woche 3V
Auslandssrudrmgell „ „ 45
Aufenthaltsveränderungen, sowie die


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Aufhebung des Reisebezugs bitten wir,
uns immer rechtzeitig Mitteilen zu wollen.

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Verlag der Heidelberger Zeitung. K



Die Eisenbahn-Debatte im württembergischen
Abgeordnetenhause«
In der am Freitag fortgesetzten Debatte
Nahm Minister v. Soden zu einer längeren Ausführung
das Wort. Nach dem Bericht des „Schwöb. Merk."
sagte er:
Der Abg. Haußmann habe ihm einen Vorwurf
daraus gemacht, daß er nicht zu der Frage einer wllrtt.-
dreuß. Gemeinschaft Stellung genommen, sondern sich
hinter die Stellungnahme des Staatsministariums ver-
schanzt habe. Er glaube, daß es auf seine persönliche An-
sicht jetzt nicht ankomme. Er nehme aber keinen An-
stand, sie hier klarzulegen. Nach seiner Ansicht sei es
ausgeschlossen, daß Württemberg von der durch Art. 20
des preuß.-hess. Vertrags gegebenen Möglichkeit Ge-
brauch machs, weil die Einbuße an wirtschaftlicher und
politischer Selbständigkeit durch die finanziellen Vor-
teile nicht ausgewogen wird. (Beifall.) Im allgemeinen
Und wesentlichen teile er den Standpunkt des Abg. v.
Kiene und auch den des Abg. Haußmann. Der Un-
terschied zwischen ihm und dem Abg. Haußmann sei
Usir der, daß für ihn (Redner) die Frage, ob sich eine
EormderGemeinschaftmitPreußen oder
den anderen Staaen finden lasse, so lange eine
offene sei, als sie ihm nicht in b e st i m m t e r F o r m
dor Auge trete. Diese Form zu finden, überlasse er an-
deren Herren. Erst dann könne man Stellung nehmen.
Die sympathischste Form sei ihm freilich eine
Reichs gümei ns chaft und er wäre dem Frhrn.
d- Wöllwarth dankbar, wenn er sein agitatorisches La-
tent dazu verwenden wollte, nicht die Schwaben in die
hess.-preutzische Gemeinschaft, sondern Preußen in die
Gemeinschaft mit dem Reich zu lotsen. Haußmann habe
8>rn auch einen Vorwurf gemacht wegen der rechnerischen
Aufstellung, die er in der Finanzkommission gegeben
habe, die Haußmann als eine Denkschrift für die Ge-
meinschaft bezeichnet habe. Es sei dies eine private Auf-
hellung für ihn. Der Hergang in der Finanz-Kommis-
sion sei der: Nach Art. 20 des hess.-preuß. Vertrags sei
tnr Württemberg ein Anschluß an Preußen möglich.
-Nan könne dann doch verlangen, daß die Regierung sich
^nsehe, wie die finanz. Wirkungen wären, wenn Würt-
temberg je in die Gemeinschaft eintreten wolle. Er selbst
habe die Ausrechnung nicht machen können, darum Habs
M es sich von einem anderen machen lassen, der es besser
Erstehe. Wenn er gesagt hätte, er habe kein Ma-
terial gesammelt, so hätte man ihm Vorwürfe gemacht
und wenn er geschwiegen, hätte, so hätte man vermutet,
Ae- finanziellen Vorteile seien zu kolossal, daß er sie
Fernanden Mitteilen wolle, deshalb habe er es für besser
gehalten, sie mitzuteilen. Haußmann habe weiter ge-
jagt, man sage immer, man wolle verbilligen, aber nur
totzt nicht. Thatsächlich habe er gesagt, man sei jetzt in
Mer Zeit des wirtschaftlichen Niederganges. Es sei ja
eme Krisis da, aber es „krisle" doch und man wisse nicht,
o es nicht doch noch schlimmer komme. Dafür könne
; Natürlich nicht garantieren. Mehr habe er nicht ge-
jagt. Es sei nicht gut, diese 2 Ausfälle, schlechte Zeit und
^arrfherabsetzung, Zusammenkommen zu lassen. Er be-
greife nicht von der Volkspartei, daß sie, die Gegnerin
wes Anschlusses an Preußen, nicht auch höchste Vorsicht
Md nicht Pekuniäre Not zu vermeiden suche, die
ur Wasser auf die Mühle der Freunde des hess.-preuß..
Vertrags wären. Unsere Ueberschüsse reichen ja noch

nicht einmal zur Tilgung aus. Gerade vom kauf-
männischen Standpunkt aus müsse man vorsichtig sein.
Haußmann habe gestern dar Verwaltung vorgeworfen,
wenn sie die neuen Güterarife schon vor Jahren einge-
führt hätte,dann hätten sie demLandeMillionen vonMehr-
einnahmen eingetragen. Haußmann habe eigentlich der
Verwaltung Verschwendung von öffentlichen Geldern
vorgeworfen. Er habe geglaubt, Haußmann werde da-
mit schließen: Also jetzt Herr v. Mittnacht, Herr v.
Soden Herr v. Balz: raus mit den Millionen! (Große
Heiterkeit.) Umgekehrt müßten, wenn die schlecht ren-
tierenden Bahnlienien, die Herabsetzung der Personen-
tarife einen Ausfall herbeiführen würden, eigentlich der
Abg. Haußmann und seine Freunde sagen: Wir ver-
zichten auf unsere Diäten und werden dem Staate die
Sache, wenn auch nur in Raten ersetzen. Haußmann
habe sodann gestern gesagt, er, der Minister, scheine über
die bahr. Absichten nicht richtig orientiert zu sein. Er
wiederhole, was er gestern erklärt habe, daß Bayern
zur Zeit nicht daran denke, die 4. Klasse einzuführen,
und wolle bei der gegenwärtigen Lage sich auf eine Ver-
billigung der Tarife nicht einlassen. Er hoffe im übri-
gen, daß wir uns auch später vielleicht mit den südd.
Staaten verständigen können. Dies könnte ihm aber der
Abg. Haußmann erleichtern, wenn er seine Kritik auf
ihn und die Württemberg. Verwaltung beschränken!
würde. Haußmann habe dann von einer gewissen,
wohlbekannten Stelle gesprochen, die Württemberg keine
Antwort gegeben habe. Das sei aber seine, des Mi-
nisters, persönliche Sache und seine eigenen Hände hätten
derartiges immer selbst ausgepaukt. (Heiterkeit.)
Ilebrigens sehe er darin eine Unentschlossenheit, aber
keine Unhöflichkeit. Einverstanden sei er mit Hauß-
mann darin, daß es für die Herabsetzung der Tarife
keinen Unterschied mache, ob wir allein Vorgehen oder
nicht. In den Personenzügen sei vielfach eine 1. Klasse
unnötig, aber auf 10—12 Wagen komme ja nur ein
einziges Abteil und es gebe eben doch Fälle —- der
Abg. Haußmann habe ja gestern selbst davon gesprochen
'— in denen man gerne obninbre separäe fahre.
(Heiterkeit.) Was die 4. Klasse betreffe, so könne man
doch nicht alles mit dem Pinsel machen, wie der Abg.
Haußmann gemeint habe. Schließlich müsse man doch
neue Wagen kaufen, 3. oder 4. Klasse. Was die zu bil-
dende Kommission über die Herabsetzung der Tarife be-
treffe, so habe er dagegen nichts. Eine Spitze, eine Ver-
waltung müsse aber doch da sein. Man könne sich aber
mit der Kommission darüber verständigen; es werden
sich da auch die Schwierigkeiten klarer machen lassen,
als im Plenum. Es komme nicht auf den Mut an,
sondern auf die Verantworlichkeit. Ihm sei eine geteilte
Verantwortlichkeit ein wohlthuendes Gefühl.
Der nachfolgende Redner, Prälat v. Sandbcrger zeigte
sich gleichfalls dem Reichseisenbahn-Gedanksn geneigt.
An das Zustandekommen einer Tarifreform erklärte er,
nicht recht glauben zu können.
Der Sozialdemokrat Hildebrand begründete dann
in lebhaften Worten den Antrag seiner Partei auf Ein-
führung einer Reichsbetriebsgemeinschaft
und trat ebenso warm für die Herabsetzung der Perso-
nentarife ein.
Nach ihm sprach der Präsident der Staatsbahnen
Staatsrat v. Balz: Wenn man Hildenbrand höre, wäre
es sehr einfach, zu der Einheitlichkeit zu kommen, die
wir alle wünschen. Wir wissen gar nicht, welche
Wirkung die Einführung des Zweipfennig-Tarifs haßen
wird. Das von Hildenbrand vorgeschlagene rasche Vor-
gehen kann geradezu das Gegenteil bewirken; haben
wir starke finanzielle Einbußen, so wird
das geradezu abschrecken. Die württembergische Eisen-
bahnverwaltung habe gern Anregungen aus dem Hause
entgegengenommen. Erst jetzt, da eine Verständi-
gung mit den Nachbarn vorläufig ausge-
schlossen sei, könne man an eine selbständige Tarif-
reform gehen. Dis Sonntagskarten seien keine allgemeine
Einrichtung in Preußen; der gegenwärtige Sonntags-
verkehr, wie wir ihn haben, könne sich sehen lassen.
Diesen Verkehr noch besonders zu heben, haben wir keine
Veranlassung; anderwärts dränge man auf die Herab-
setzung des Verkehrs an Sonntagen, wir wollen aller-
dings das nicht nachmachen, halten vielmehr eine starke
Notwehr für notwendig. Dem Arbeiterverkehr wird
die größte Sorgfalt zugewendet. Ein Arbeiter fährt
für 1 Pfg. Pro Kilometer während der allgemeine Satz
3,4 Pfg. ist. Bezüglich einer Tarifherabsetzung ist es
fraglich, ob sie eine Vermehrung der Staatseinnahmen
bringen wird. Die Stimmung des Hauses ist offenbar
nicht für die Schaffung der vierten Wagenklasse. Es
kommt hauptsächlich darauf an, eine Verbilligung
des Nahverkehrs zu schaffen und da werden
wir Wohl zum Zweipfennigtarif kom-
men. Die erste Klasse wird heute schon, wo angängig,
eliminiert wir sind also heute schon auf dem besten
Wege zum Zweiklassensystem. Falls bei den Arbeiter-
zügen sich Mißstände ergeben- wolle die Verwaltung gern
abhelfen. Bei der Tarifherabsetzung sei Vorsicht gebo-
ten, weil man wohl den Ausfall, nicht aber die Ver-
kehrszunahme berechnen könne.

Zum Schluß sprachen die konservativen Abgg. Kraut
und Rembold. Der elftere zeigte sich dem Beitritt zur
preußisch-hessischen Gemeinschaft geneigt, stellte aber folgende
Bedingungen auf: 1) Württemberg soll die Beamten-
ernennung selbständig behalten, 2) ein Mitwirkungsrecht
besitzen, 3) den Bau von neuen Linien auf allgemeine
Kosten vornehmen und 4) bei Konzessionen und bei der
Festsetzung der Tarife mitbestimmen dürfen. Der andere
meinte dagegen sehr richtig, wenn Württemberg der preußisch-
hessischen Gemeinschaft beitrete, so würde es nie zu einer
Reichsgemeinschaft kommen. Als einen Schritt zu dieser
würde er eine süddeutsche Gemeinschaft ansehen.
Am Samstag wurde die Debatte fortgesetzt.
Bei der Abstimmung wurde der Antrag der Deut-
schen Partei auf Ermittlung über den Anschluß an dis
preuß.-hess. Eisenbahngemeinschaft mit 51 gegen 26
Stimmen abgelehnt. Ebenso wurde der Antrag den
Sozialdemokraten zu gunsten einer Reichsbeitriebsver-
waltung mit 44 gegen 34 Stimmen abgelehnt, wobei
sich unter den Zustimmenden auch ein Mitglied der
Volkspartei befand. Mit 63 gegen 26 Stimmen wurds
der Antrag des Zentrums und dsr Volkspartei gegen den
Anschluß an die preußisch-hessische Eisenbahngemein-
schaft angenommen. Der Zusatzantrag auf Erlaß eines
Reichseisenbahngesetzes, das dem Reiche
gesteigerten Einfluß aus den Betrieb der
deutschen Bahnen verschaffen soll, wurde einstimmig
angenommen, ebenso der Antrag auf Verbilligung«
insbesondere des, Nahverkehrs.

Deutsches Reich.
— Generalfeldmarschall Graf Waldersee meldet un-
ter dem 9. Mai aus Peking: Die in der Gegend von
Hsiwu-Mathou entsandte Kolonne Arnstedt ist nach
Tientsin zurückgekehrt, ohne auf größere Räuberbanden
gestoßen zu sein. Die Brücke bei Hankau ist seit gestern
im Eisenbahnbetrieb.
— Die „Frkf. Ztg." schreibt: Die vielfach ausge-
sprochenen, allerdings naheliegenden Vermutung, daß dis
plötzlich und im Widerspruch zu unmittelbar vorherge-
gangenen Dispositionen beschlossene Vertagung
des Reichstags den Wünschen der Reichsregierung
entspreche und wenigstens zum Teile aus deren Initiative
hervorgegangen sei, wird von verschiedenen seiten wider-
sprochen. Es scheint danach wirklich, daß die andauernde
BeschlußUnfähigkeit des Reichstags und die Aussichts-
losigkeit, sihn nach Pfingsten arbeitsfähig zu erhalten,
den wesentlichen Grund für die Vertagung bilden. —
Der König von England hat nunmehr dem Lord
Robertsdie Erlaubnis zur Annahme des Schwar-
zen Adlerordens erteilt. Man wird dadurch
daran erinnert, daß weder im „Staatsanzeiger", noch
sonst amtlich etwas über die besprochene Ordensver-
leihung publiziert worden ist.
Deutscher Reichstag. Berlin, 11. Mai. Dem Antrag
auf Vertagung des Reichstags bis den 26. November
wird in einmaliger Lesung ohne Debatte angenommen.
Desgleichen wird der Nachtragsetat und die Novelle be-
treffend das Flaggenrecht der Kauffahrteischiffe in erster
und zweiter Lesung ohne Debatte genehmigt. Endlich
werden Rcchnungssachen erledigt.
Zur ersten Beratung des Gesetzes betreffend die Handels-
beziehungen zu Großbritannien erklärt Abg. Dr. v.
Levetzow (kons.), daß die Konservativen ihre Bedenken gegen die
Vorlage jetzt nicht geltend machen und für die Vorlage stimmen
würden.
Abg. Münch-Ferber (ntl.) erklärt, seine Partei wurde dem
Handelsprovisorium zustimmen. Die Handelsverträge liefen doch
bald ab- Die Abgg. Dr. Bachem (Ztr.), Dr. Pachnicke (freis.
Ver-), v. Tiedemann (Rp.) und Müller-Sagan (freis. Vp.) sprechen
sich ebenfalls für die Vorlage aus. Darauf wird ein Schluß-
antrag angenommen. Der Entwurf wird in erster und zweiter
Lesung in der Regierungsfassung genehmigt.
Die erste Beratung der Verordnung betreffend den Zoll auf
Blauholz und den Zollzuschlag auf Kaffee und Kakao aus Haiti
wird ohne Debatte durch Kenntnisnahme erledigt. Ebenso die
zweite Lesung.
Montag 1 Uhr kleine Vorlagen, Branntweinsteuervorlage.
_Baden. _
/ä Heidelberg, 13. Mai. Die deutsch-soziale
(antisemitische) Partei hat das Reich neuerdings in „Marken"
eingeteilt. Die Südmark besieht aus Baden, dem Reichs-
land und der Rheinpfalz; Markgraf ist hier Herr Lieber-
mann v. Sonnenberg, der sich in Gernsbach nieder-
gelassen hat. Gestern ließ sich Herr Liebermann v. Son-
nenberg hier in Heidelberg im „Zwinger" hören. Er
sprach vor einer ziemlich zahlreichen Versammlung, die zum
großen Teil aus jungen Leuten bestand. Redner erinnerte
daran, daß er vor 11 Jahren mit seinem Freunde Hentschel
die erste Versammlung in Heidelberg abhalten wollte, daß
ihnen aber der Saal damals abgetrieben wurde. Die
antisemitische Bewegung habe seitdem geflutet und geebbt;
gegenwärtig fei wieder eine Flutwelle bemerkbar (?). Herr
v. Liebermann hielt dann eine zweistündige Rede über die
nationalen und sozialen Aufgaben des Volkes. Ein er-
heblicher Teil seiner Ausführungen war so gehalten, daß
 
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