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Heidelberger Zeitung (43) — 1901 (Januar bis Juni)

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Nr. 1-26 (2. Januar 1901 - 31. Januar 1901)
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Samstag, 26. Januar 1901.

Grstes Blatt.

XXXXHI. Jahrgang. — Air. 22.




Erscheint täglich, Sonntags ausgenommen. — Preis mit Familienblättern monatlich 50 Pfg. in's Haus gebracht, bei der Expedition und den Zweigstellen abgeholt 40 Pfg. Durch die Post be-
zogen vierteljährlich 1.85 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.
^Nzeig enpreis: 20 Pfg. für die Ispaltige Petitzelle oder deren Raum. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Anschlag der Inserate auf den Plakattafeln der Heidelberger Zeitung
und den Plakatsäulen. — Fernsprech-Anschluß Nr. 82. _

Zum Thronwechsel in England.
. London, 25. Jan. Es steht fest, daß die Lei chen-
ltierlichkeiten für die Königin Victoria mit
^vßer Pracht veranstaltet werden; der Sarg wird dem
Wunsche der Königin gemäß auf einer Kanonenlafette von
^sborne nach Cowes gebracht. Von Cowes bis Ports-
^outh werden die Kriegsschiffe in zwei Reihen aufgestellt,
Zischen denen die Jacht mit der Leiche die Ueberfahrt
^cht. In Portsmouth werden Marineunteroffiziere den
E<trg vom Hafen in den Bahnhof tragen. Der Trauer-
!?"gen wird mittels Sonderzuges nach der Victoriastation
^ergefghrt; der Sarg wird hier wiederum auf eine Ge-
Mtzlasttte gestellt und auf besonderen Befehl des Königs
fügsam durch die Straßen Londons nach dem Padding-
wn-Bahnhof gefahren, von wo der Zug nach Windsor ab-
Mt. In der St. Georgskapelle in Windsor wird
^ Trauer fei er stattfinden. Ob die sterbliche Hülle
^rläufig in Windsor verbleibt oder an demselben Tage in
"us Mausoleum zu Frogmore übergeführt wird, bleibt
^bestimmt. Während der Ueberführung der Leiche über
das Meer werden alle Schiffe jede Minute Salven ab-
öeben. Gegenwärtig ruht die Königin im Speisesaal im
dsbornchause, der in eine Trauerkapclle nmgewandelt ist.
Beisetzung wird der Sarg in einen Metallsarg und
dieser wiederum in einen solchen aus Holz eingeschloffen.
, Eine feierliche Aufbahrung der Leiche
Königin mit Zulaß des Publikums soll, wie
flautet, nur in Osborne stattfinden, da in Windsor bei
voraussichtlich mächtigen Zudrange keine Zeit und
Räum wäre. Der Beisetzung in Frogmore würden
Wenfalls aus Nau«irückfichten nur die fremden Fürsten
die Prinzen des königlichen Hauses beiwohnen. Pro-
visor Herkomer hat im Auftrag des Königs ein nicht
die Ocffentlichkeit bestimmtes Bildnis der verewigten
Monarchin auf dem Totenlager in Aquarell aus-
^führt. Die Leiche bleibt bis morgen.im Sterbezimmer
ü»d wird dann in den daMnterliegenden, bisher als
?deistsaal benutzten, nach der Ausschmückung sogenannten
Zischen Saal getragen. Die Leibkompagnie der Garde-
^enadiere, sämtlich über sechs englische Fuß große Leute,
Rht heute nach Osborne, um die Totenwache zu über-
"chlnek. Die hauptstädtischen Theater werden meist morgen
dder Montag wieder eröffnet und nur am Beisetzungstage
Wieder schließen. Für Montag ist der Beginn der großen
tarier angesetzt. Der König traf nach der gestern hier
^folgten Ausrufung an einem durchweg trüben Tag
Cowes bei Mein SonAenschein ein und wurde von
Herzogen von Jork und Conuaught, dem Prinzen
Mistian von Schleswig-Holstein, dem Herzog von Koburg,
^ Herzogin und der Prinzessin von Albany und dem
Herzog von Argyll empfangen und von dm zahlreichen
^schauern still begrüßt. Der Kaiser, der mit der Prin-
Miu Beatrice die Kirche von Whippingham und das Grab-
?ul ihres Gemahls, des Prinzen Heinrich von Battenberg,
,!U Laufe des Tages besucht hatte, erwartete seinen könig-
'Hen Oheim, mit der kleinen Prinzessin Elisabeth von
Men-Darmstadt an der Hand, im Park zu Osborne zu
^Usr sehr herzlichen Begrüßung. Der Kaiser bringt mög-

lichst viel Zeit im Freien zu, beschränkt sich aber auf die
weit ausgedehnten Parkanlagen, sodaß die zahlreichen Neu-
gierigen, die unter den Fürstlichkeiten ihm ein besonderes
Interesse schenken, seiner kaum ansichtig werden. Heute
wird der deutsche Kronprinz über Vlissingen in Port
Victoria erwartet. Er setzt die Reise ohne Unterbrechung
nach Osborne fort.
Kiel, 25. Jan. Auf kaiserlichen Befehl soll eine
Anzahl der im Dienste befindlichen Schiffe von der
1. Division des 1. Geschwaders (das Küstenpanzerschiff
„Hagen" und eventuell der Kreuzer „Victoria Louise" und
einige Torpedoboote) nach England abgehen, um an der
Flotten Parade teilzunehmen. Die Parade findet aus
Anlaß der Beisetzung der Königin Victoria am 2. Februar
auf der Reede von Spithead statt. Prinz Heinrich
von Preußen ist zum Befehlshaber dieser Flotte
ernannt. Die Küstenpanzer „Odin" und „Hagen" erhielten
laut „Kieler Ztg." die telegraphische Ordre, sofort von
Danzig nach Kiel zu dampfen.

Der Krieg in Südafrika.
London, 25. Jan. Nach einer Kabelmeldung, die
dem Sekretär der Rand Zentral Elektric Works von dem
Betriebsleiter in Johannesburg heute morgen zuging,
haben die Buren in der Nacht vom letzten Samstag
ans Sonntag die Werke angegriffen. Die Dynamo-
maschinen wurden durch Dynamit beträchtlich beschädigt.
Der Materialschaden, den die Anlage erlitten hat, ist nicht
genau bekannt. Die Kessel, Kondensatoren und Trans-
formatoren, Vorräte und Gebäude sind nicht beschädigt.
Der Betrieb mußte eingestellt werden. Von den Ange-
stellten ist keiner verletzt. (Durch diesen Angriff auf die
Elektrizitätswerke bei Johannesburg zeigen die Buren aufs
neue, wie wenig die Engländer das Land bemeistern. Zu-
gleich genügen sie einem Antrieb ihres Herzens, der sie
die Zndustriewerke am Rand hassen läßt, denn diese legen
Zeugnis ab von der Überflutung Transvaals durch Fremde).

Deutsches Reich.
— Der Reichstag ist zur Zeit über die Maßen
mangelhaft besucht. Das macht sich nicht nur im
Plenum geltend, sondern wird nachgerade auch zu einer
Kalamität für die Kommissionen. Die wenigen im Hause
anwesenden Mitglieder einzelner Fraktionen genügen nicht
mehr für die volle Besetzung aller Kommissionen seitens
der Fraktionen, und so müssen sie dieselben Mitglieder
gleichzeitig in verschiedene Kommissionen entsenden. Aus
diesem Grunde mußte beispielsweise, wie die „Freist Ztg."
berichtet, die Justizkommisston am Dienstag nach ein-
stündigem Warten ergebnislos auseinandergehen; es war
nicht möglich, die beschlußfähige Zahl von Mitgliedern
zusammenzubringen, da die meisten Mitglieder dieser Kom-
mission durch gleichzeitig tagende andere Kommissionen in
Anspruch genommen waren. Wenn das so weiter geht,
wird mau nächstens die Herren Reichstagsabgeordneten
noch mit der Laterne suchen müssen.

— Fürst Münster ist nunmehr unter Abberufung
von dem Botschafterposten in Paris und unter Gewährung
der gesetzlichen Pension seineni Anträge gemäß in den
Ruhestand versetzt worden.
— Die „Voss. Ztg." macht folgende Zusammenstellung:
Nach den vorliegenden 7 Verlustlisten hat das ostasiatische
Expeditionskorps bisher 103 Offiziere und Soldaten durch
den Tod verloren. Davon sind nur 4 im Gefecht gefallen,
während die übrigen 99 durch Unglücksfälle oder Krank-
heiten hingerafft sind. Unter den Verstorbenen befinden
sich 3 Offiziere, der Oberst Graf Jork v. Wartenberg,
der Oberleutnant im Pionierkorps Seelbach und der Haupt-
mann Haenel v. Cronenthal vom 3. Inf.-Regt. Unter den
verstorbenen Mannschaften befinden sich 1 Feldwebel, ein
Zahlmeisteraspirant, 1 Sergeant, 2 Unteroffiziere, 7 Ge-
freite und 84 Gemeine. Die meisten Verluste hatte das
3. Jnf.-Regt. mit 21, dann folgen das 2. Jnf.-Regt. mit
17, das 1. mit 15, das 6. mit 11, die Feldartillerie
mit 7, die Pioniere mit 7, die Munitionskolonnen mit 6,
das Oberkommando und die Stäbe mit 3 und das 5. Jnf.-
Regt. mit 3, die Fußartillerie mit 3, das 4. Jnf.-Regt.
mit 2, das Reiterregiment mit 2, die Proviantkolonnen
Nlit 2. die Jäger, die Eisenbahntruppen und die Feld-
lazarette mit je einem Verstorbenen. Die 4 im Gefecht ge-
fallenen Soldaten gehören sämtlich dem 2. Jnf.-Regt. an.
Vermißt werden 3 Soldaten, von denen 2 schon während
der Ueberfahrt abhanden gekommen sind.
Wilhelmshaven, 25. Jan. Die Panzer „Sach-
sen" und „Württemberg" und ein Kreuzer erhielten
Befehl, am Montag nach England in See zu gehen.
Sämtliche deutsche ^Kriegsschiffe im Auslände sind an-
gewiesen, aus Anlaß der Beisetzung der Königin Victoria
Salut zu geben und Halbmast zu flaggen.
Deutscher Reichstag. Berlin, 25. Januar. Die erste
Beratung des Entwurfs über die Reliktenversorgung
für die Chinakrieger wird fortgesetzt.
Abg. Schädler (Ztr.) erklärt, daß seine Freunde im großen
und Ganzen mit der Vorlage einverstanden snen, doch müsse auch
die Schlechterstellung der Invaliden aus den früheren Kriegen
beseitigt werden, und er danke dem Reichskanzler für seine ent-
gegenkommende Erklärung. Abg. von Vollmar (Soz.) ver-
langt ebenfalls die Gleichberechtigung der früheren Invaliden,
die aber auch alsbald erfolgen müsse. Ebenso Graf Oriola,
(nat.-lib.), der die Sympathie seiner Freunde für die Vorlage
ausfpricht, ober zugleich einheitliche Revision der Militär-Pen»
stonsgesctze fordert.
Zn der weiteren Debatte erklärt auf eine Anregung von
Tie-d e mann S (Rp.) der Reichsschatzsekretär Freiherr von
Thielmann, daß die Regierung dem in der Kommission ge»
stellten Antrag Oriola auf Gewährung des Ehrensoldes an an-
erkannt hilfsbedürftige Kriegsveteranen sympathisch gegenüber-
stehe und zu seiner Verwirklichung beitragen werde. Auch die
Abgeordneten Pachnicke (freis. Ver.) und Müller-Sagan
(freist Vp.) bekunden ihre Sympathie für die Vorlage und ihre
Freude über die Erklärung des Reichskanzlers, aus der sich er-
gebe, daß der Volkswille die widerstrebende Regierung über-
wunden habe; sie wünschen Neuordnung der ganzen Pensions-
und Relcktengesetzgebung, Dem schließt sich auch Abg. Graf
Noon (tonst) an. Prinz Schönaich-Carolath wünscht, daß allen
dekorierten Kriegsveteranen der Ehrensold unverzüglich gewählt
werde.
Darauf wird die Vorlage an die Budgetkommission verwiesen
und dann die Beratung des Etats des Reichsamts des
Innern fortgesetzt.

Kleine Zeitung.
8-Zeitgemäße Betrachtungen. (Nachdruck verboten.) Ist
Wrnler schon vorüber? Fotgt der kurzen Frostperiode —
der Lenz, soll Frühlingslieder — dichten man, 'ne Lenzes-
— Oder kehrt er noch zurücke — streng und ernst der kalte
— Schwelgen rn verfrühtem Glücke — wir, der Hoff-
Schmerzenskinder? — Ach, die Zukunft ist verschlossen —
gyllru blöden Menschenaugen; — was da kommt, es muß ge-
gchlln werden, mag es dienlich taugen — unsrer Freude, mag
iO Schmerzen — es beladen uns aufs Neue; — leg' es auf
b>. -Nenschenherzen — Wonne, Kummer, Frieden, Reue. — Doch
tz», wollen drob nicht schelten — denn der Menschen inn'res
sj^n — und umfaß' es Welt und Welten, — an der Hoffnung
»j.v Man's kleben. — Wohl dem der noch hoffen kann; — so ge-
Ei» st/r in Gedanken, — die ihm niemand rauben kann, — doch
Mück, und sei's im Schwanken. — Arg ins Schwanken ist
" — Englands Hoffnung, zu beerben — jene kleinen
djx Nstaaten, — sie in Raubgier zu verderben. — Schon schied
Königin — aus dieser Welt im Leide, — schon bleichen
iy,^ dicht Wenigen — die Bein' auf Kaplands Haide. — Und
tzjn/k sieht kein Ende man — des Kriegs noch, doch manch
^ spricht schon von Ueberdruß, wie kann — noch siegen
"Sland? Gr ein er.
ich ^ Frankfurt, 25. Jan. Baron Willy von Roth-
ß. ist heule Mittag im Alter von 72 Jahren ge-
Der Verblichene hing mit aller Hingebung an
Glauben seiner Vorfahren. Seine Talmudstudien, die
H ^sneirisam mit dem von ihm für diesen Zweck berufenen
tz , °Mer Fromm betrieb, gingen »ach der wissenschaftlichen
ghx ^er das bloß religiöse Bedürfnis hinaus. Daneben
^"b er seine Befriedigung in Werken der Wohl-
sg, 'Ükeit, und es ist notorisch, daß er getreu den Bor-
sten des altjüdischen Gesetzes den „Zehnten" entrichtete,

d. h. den zehnten Teil seines geiamten Einkommens mit
aller Genauigkeit für milde Zwecke abzweigte und auf-
wendcte. Mil Baron Willy verliert das Haus den letzten
Chef des Frankfurter Zweiges. Ob und welche Be-
stimmungen über die Fortführung des Frankfurter Hauses
getroffen find, darüber ist bisher nickts bekannt. Man
glaubt indes annehmen zu dürfen, daß die Häuser Roth-
schild in London-Paris-Wien Wert darauf legen werden,
das Frankfurter Stammhaus aufrecht zu halten.
— Mülhausen i. E., 25. Jan. Der um 1 Uhr nachts
von Straßbnrg hier ankommende Personenzug ent-
gleiste gestern Nacht mit seinen drei vordersten Wagen
in der Nähe der Altkircher Brücke. Personen wurden nicht
verletzt. Der Materialschaden ist ziemlich erheblich.
— Berlin, 24. Jan. Der frühere Oberbürger-
meister von Berlin, Zelle, ist gestern gestorben.
— Die englische Königskrone. Der Nachfolger der Königin
Victoria wird eine neue Krone brauchen. Die gegenwärtige
Staatskrone Großbritanniens ist nämlich eigens für die
Königin Victoria zu deren Krönung angefertigt worden
und paßt nicht auf das mächtige Haupt des seitherigen
Prinzen von Wales. Sie wiegt 39 Unzen und hat einen
Wert von mehr als sieben Millionen Mark. Die Juwelen,
die sie schmücken, wurden zumeist der alten Krone Georg IV.
entnommen, die sich für die junge Königin Victoria zu
schwer und zu weit erwiesen hatte. Die Krone der Königin
enthält einen großen Rubin, einen großen Saphir, 16 kleine
Saphire, 4 mittelgroße Rubine, 1363 Brillanten, 1273

Rosendiamanten, 147 Diamanten a jour, 4 außergewöhnlich
große und 273 mittlere und kleine Perlen. Sie ist mit
weißer Seide gefüttert und mit Hermelin garniert. Sie
hat vier ein Kreuz bildende Spangen, an jeder Spange
auf dem Reifen ein breitendiges Kreuz, dazwischen Lilien.
Außer dieser großbrrtannischen Staatskrone, die von der
Königin Victoria nur in außerordentlichen Fällen getragen
wurde, ist noch eine besondere Krone von England vorhanden,
die weniger prunkvoll ist. In Edinburg wird auch noch
die Krone von Schottland aufbewahrt, die aus dem 14. Jahr-
hundert stammt und zuletzt von Maria Stuart getragen
wurde. Berühmt ist die kostbare Krone des Königs
Heinrich IV. (auf seinem Grabdenkmal zu sehen), bestehend
aus einem reich mit Edelsteinen und großen Perlen nebst
Goldschmiedewerk verzierten Reifen, über welchem sich breit
ausladende Blätter erheben, zwischen denen je eine Lilie
angebracht ist.
— Feuerbestattung in Oesterreich. Das erste Krematorium
in Oesterreich soll in Graz erstehen. Der bekannte Wiener
Architekt Frhr. v. Ferstl wurde mit der Ausarbeitung des
Projektes beauftragt.
— Der „Naturmensch" Gustav Nagel bittet das „Bert.
Tagbl." um Richtigstellung einer Nachricht bezüglich seiner
Person. Es war mitgeteilt worden, daß der seltsame
Mann im Harz mit erfrorenen Gliedmaßen aufgefunden
und in ein Krankenhaus gebracht worden sei. Dies erklärt
Nagel als nicht zutreffend. Er wandert vielmehr in seiner
bekannten „Kleidung" trotz der winterlichen Jahreszeit
 
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