Mittwoch, 13. Februar 1901. Erstes Blatt. XXXXIII. Jahrgang. - Xr. 37.
^scheint täglich, Sonntags ausgenommen. — Preis mit Familienblättern monatlich 50 Pfg. frei in's Haus gebracht, bei der Expedition und den Zweigstellen abgeholt 40 Pfg. Durch die Post)be-
zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.
Anzeigenpreis: 20 Pfg. für die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Anschlag der Inserate auf den Plakattafeln der Heidelberger Zeitung
und den Plakatsäulen. — Fernsprech-Anschluß Nr. 82.
Die Vorgänge in Spanien.
In Spanien hat der Jesuitismus seinen Anfang ge-
kommen. Wie ein Mehltau liegt er seit Jahrhunderten
M dxx unglücklichen Bevölkerung, deren natürliche An-
^geri so beschaffen sind, daß sie dem gefährlichen Seelen-
nur geringen Widerstand zu bieten vermögen. Manch-
mal hat der spanische Volkskörper durch ein Fieber auf
.'e jesuitische Infektion reagiert und sich ihrer zu erwehren
^sucht. Immer vergeblich! Auch jetzt wieder ist das
Md von Fieberschauern ergriffen. Unruhen und Aus-
Mche der Volksleidenschaft sind da und dort vorgekommen.
Kenner des Landes, wie Sagasta, bezeichnen die Lage als
Ernst.
Wie bekannt, ist in Frankreich gegenwärtig eine Gesetz-
^bung gegen die Kongregationen im Gang. Die Folge
^selben wird vermutlich die sein, daß eine Anzahl von
Wonnen und Mönchen Frankreich verlassen werden. Manche
°rr Kongregationen haben ihr Auge auf Spanien geworfen
?dd sind dabei, sich dort Quartier zu machen. Alles was
^ Spanien liberal ist, bäumt sich auf bei dem Gedanken
^ diese geistliche lleberschwemmung.
Demonstrativ beklatscht worden ist unter den gegen-
wärtigen Umständen ein Drama von Galdos, das der
Jesuiten Ränke und Erbschaftskniffe geißelt. Nun trifft
^ sich gerade so, daß ein Fall vor Gericht verhandelt
^ird, der genau in den Rahmen jenes Dramas paßt. Ein
Jesuit hatte ein24jähriges reiches Fräulein, das mit einem
Bürgermeister verlobt war, in seine Seelsorge genommen
^d hatte es dahin gebracht, daß es seiner Mutter durch-
°Mnte und in ein Kloster ging. Die Mutter prozessiert
M um die Herausgabe ihrer Tochter. Diese Vorgänge
Klären die Demonstrationen gegen die Jesuiten, die sich
?EUte in manchen Orten Spaniens nicht auf der Straße
'Ehen lassen dürfen und auch in ihren Klöstern nicht
^rhr sicher sind.
^ Deutschland darf sehr froh sein, daß es dieser
Gesellschaft die Thüre gewiesen hat!
Ein weiteres Moment zur Erklärung der gereizten
Stimmung in Spanien ist die bevorstehende Vermählung
^r Prinzessin Mercedes mit dem Sohne des Grafen von
Mserta. Die Infantin Maria de las Mercedes ist bei
?Er überaus zarten Gesundheit des jungen Königs vielleicht
Meinst zur Regentschaft, vielleicht sogar zu Höherem be-
Eufen. Damit würde auch der in bigottester Knechtseligkeit
?Egen das jesuitische Pfaffentum schwelgende Graf von Ca-
^ta ans Ruder gelangen. Ist heute unter dem schwachen
Miment der Königin der Ultramontanismus in der Re-
glung schon obenauf, so würde, falls der junge Graf
?>i Caserta zu Einfluß käme, Spanien völlig in die
Mchtschaft des Ultramontanismus geraten. Das Volk
Mt, daß dies mit dem völligen Untergang des schon sehr
^Eruntergekommcnen spanischen Staates gleichbedeutend wäre;
?"her diese Siedehitze in der Nation, daher diese Zuckungen
E2 Volkskörpers.
^ Madrid, 12. Febr. Das republikanische Blatt „El
MHZ" jst suspendiert worden. Der Jahrestag der
. Eklärung der Republik in Spanien wurde gestern
^Saragossa, Pamplona, Cadiz, Valencia und anderen
Stadt-Theater.
/X. Heidelberg, 13. Februar.
.. „Gringoire", Schauspiel in 1 Akt von Th. Ban-
ale. «Der Geizige", Lustspiel in 5 Akten von
vliäre. Benefiz für Herrn Birnbaum.
^ Herrn Birnbaums Benefiz-Vorstellung ist in guter
E'wmung vor einem vollen Haus schnell von statten ge->
Mgen. Fünf Akte Moltore, die nur um ein Weniges
^8er dauerten als ein Akt Banville. Die Haltung des
Mblikums hatte etwas von mildem Wohlwollen, zwischen
^ hervor manchmal etwas von Lachen wetterleuchtete,
d Bekannt ist die Szene aus Hauptmanns Webern, wenn
hE heimgekehrte Soldat Jäger bei Baumerts das Weber-
dorliest: „Hier in dem Ort ist ein Gericht noch
Muinier als die Nehmen." Eine verwandte Stimmung
hervor, wenn Gringoire seine Ballade „von den
senkten in König Ludwigs Garten" rezitiert. Er weiß
zM, xx vor dem König steht, den er in seinem
senden Liede gebrandmarkl hat. Wie Ludwig dann
hMe stbt au dem halbverhungerten Straßendichter, und
dez ^'irrgoire's edler Sinn belohnt wird durch die Hand
1^ schönen Kaufmannstöchterleins, das macht die Hand-
des hübschen Schauspiels aus. Es hat etwas Er-
^ llendes, daß Gringoire in dem Moment, wo er der
tzMredung goldene Zunge gebrauchen sollte, nur edle
si»d ^iner Betrachtung und enthusiastischen Mitgefühls
Städten durch Bankette gefeiert. In Saragossa hielten
die Republikaner Zeinen Umzug mit der republikanischen
Fahne und schossen auf die Gendarmerie. Ein Unter-
offizier und mehrere Ruhestörer wurden verwundet. In
Valencia und Barcelona dauern die Kund-
gebungen fort.
Madrid, 12. Febr. Die Republikaner hielten
gestern mehrere Versammlungen ab, die ohne Zwischen-
fall verliefen. Nach der „Franks. Zeitung" berichtet der
„Imperial", der oberste Gerichtshof habe entschieden
und ungeordnet, daß Fräulein Urboa, die gegen den
Willen ihrer Mutter Nonne geworden war, aus dem
Kloster genommen werde.
Madrid. 12. Febr. Nach Mitternacht gelang
es den vereiniglen Anstrengungen der Gcndarm°rie und
Polizei, die Ruhe hier einigermaßen wieder herzustellen.
Der Gouverneur veröffentlichte einen Erlaß, der zur Ord-
nung mahnt. Die Presst verlangt die Einstellung aller
Festlichkeiten, sie verzeichnet Krisengerüchte.
Die letzten Stunden Milans.
Nach einem der „Köln. Ztg." auS Wien zugehenden
zuverlässigen Bericht war Milan vor vier Wochen an
Influenza erkrankt. Es stellte sich Fieber und
Bronchitis mit beiderseitiger Ohrenentzündung ein. Nach
zwölf Tagen traten die krankhaften Erscheinungen zurück
und Milan schien genesen. Am 3. Februar erkrankte er
abermals an Schüttelfrost, eine rechtsseitige Lungen-
entzündung wurde festgestellt, die sich bald auf beide
Lungenflügel ausdehnte. Sonntag Nacht trat in der ent-
zündlichen Erkrankung die Krisis ein, gleichzeitig traten
aber die ersten Symptome von Herzschwäche mit bedenk-
licher Atemnot auf; es stellten sich Erstickungsanfälle und
Schwellung beider Füße ein, dabei quälte ihn die Atem-
not sehr. Er behielt das Bewußtsein bis in die letzten
Minuten da er den Aerzten schon verloren schien, und war
keineswegs beunruhigt von Todesgedanken, wie unrichtig
gemeldet worden ist. Er empfing auch noch Sonntag abend
den aus Belgrad von König Alexander nach Wien ge-
sandten Generaladjutanten Obersten Petrowitsch, doch bat
er ihn, da er sich zu erschöpft fühlte, Montag Msttag zur
Audienz zu kommen. Montag Mittag wurde Petrowitsch
abermals von Milan empfangen, und lange blieben der
sterbende König und der Generaladjutant in angelegent-
lichstem Gespräch allein. Noch in den Nachmittagsstunden
war Milan ahnungslos. Bald darauf, etwa 3 Uhr
40 Min., schwand ihm das Bewußtsein und nach halb-
stündigem Todeskampf verschied er.
Wie schon mitgeteilt, hat Milan angeordnet, daß er im
Kloster Kruschedal beigesetzt werde. Nach einer ander-
weitigen Meldung will König Alexander seinen Vater in
Serbien begraben lassen; er habe den Gesandten in Wien
angewiesen, von der Leiche Besitz zu ergreifen.
Deutsches Reich.
— Der Senioren konvent des Reichstages hat be-
schlossen. vorOsternnurnochMn Etat und die China -
„Erbarmt Euw des Volks, kas Euch erhält,
Die gut zum Säen, Pflüaen und gut zum Graben sind
Und gut für Euch, ihr Herrscher, in den Krieg zu ziehn!"
Herr Birnbaum sprach die Verse sehr schön, echte
Stimmung kam leis empor, und etwas wie ein feuriger
Kontakt zwischen Bühne und Auditorium kam zu stände.
Sonst zeigte Herrn Birnbaums Gringoire alle Vorzüge
seines Narciß. Herr Wein mann sah als Ludwig XI.
prachtvoll aus und zeigte einen König, der ein feiner und
untadeliger Edelmann ist. Sehr schön spielte Fräulein
Kögl das Kaufmannstöchterlein, daS einen Gatten möchte,
der mutig ist wie ein Krieger und doch sanft wie ein
Weib. Träumerische Mädchengestalten weiß Frl. Kögl in
der Darstellung immer mit einem gewissen holden Reiz
zu umspinnen. Sehr brav und sicher gab Frl. Paulsen
die junge Witwe Nikole. Man sollte Frl. Paulsen öfter
Herausstellen. Die Herren Großmann und Brecher
führten ihre Aufgaben angemessen durch.
Das Verlobungsmahl des geizigen Harpagon wird
noch lange auf der Bühne Wirkung haben. Gestern wurde
das Stück geradezu heruntergeschnatiert und heruntergeflucht.
Ein Tempo! Man fuhr nur so ordentlich mit dem Hand-
schlitten den Königsstuhl hinunter. Hinken ist ja vom
Nebel. Ein selbstbewußter Männerschritt ist doch wohl
das Beste. Es giebl ja doch keine Schäden bei
Moliöre, die man durch beschleunigtes Sprechen
verdecken müßte und könnte. Wie wundervoll ist das
Ganze. Es liegt doch komische Gewalt darin, wenn
alle Welt den Geizhals ironisiert, wenn der Reiche über
Vorlage zu erledigen und am 22. März in die Ferien zu
gehen. Um dies zu erreichen, fallen alle Schwerinstage
fort. Nach Ostern soll der Zolltarifentwurf, von dem
man annimmt, daß er dann dem Hause zugegangen sein
wird, beraten werden.
— Die Justizreformkommission des Reichstages nahm
am 12. ds. mit 10 gegen 8 Stimmen die durch den Zu-
satzantrag Beckb-Koburg abgeänderte, von Rintelen
beantragte Fassung des Z 77 des Gerichtsverfassungsgesetzes
an. Danach entscheiden die Civilkammern und Strafkam-
mern in einer Besetzung von drei Mitgliedern. Hingegen
entscheiden die Strafkammern bei Aburteilung von Ver-
brechen und in der Berufungsinstanz für Vergehen in einer
Besetzung von fünf Mitgliedern, wovon zwei
Schöffen sind.
— Nach einem vorgestern bei der Schantung-Eisen-
bahngesellschaft in Berlin eingetroffcnen Telegramm aus
Tsingtau ist die Gleisverbindung der Strecke Tsingtau—
Kiautschoumit 74 Kilometer Länge am 9. ds. vollendet
worden. Die Betri e b s e r ö ff n ung dieser Strecke wird
im Frühjahr d. I. erfolgen.
— Der Genosse Eduard Bernstein ist ans der Ver-
bannung zurückgekehrt und hat sich in Berlin niederge-
lassen. Der „Vorwärts" widmet ihm ein lebhaftes Will-
kommen, ob aus vollem Herzen,-das muß in Erinnerung
an die Bernstein'sche vernichtende Kritik des sozialdemo-
kratischen Programmes dahingestellt bleiben.
Homburg, 12. Febr. Der Kaiser unternahm heute
früh 9 Uhr einen Spaziergang. Ins Schloß zurückgekehrt,
hörte er den Vortrag des Kriegsministers. Für
halb 3 Uhr ist eine große Schlittenfahrt mit dem
Hofstaate nach der Saalburg geplant. Von da begibt
sich das Kaiserpaar durch den Taunus nach Schloß
Friedrichshof.
Deutscher Reichstag. Berlin, 12. Februar. Fort-
setzung der Beratung des Etats der Retchseisen-
b a h n v e r w a l t u n g.
Abg. Hug (Zentr.) erkennt die treffliche Verwaltung der
Reichseisenbahnen an. Er weist darauf hin, daß man in Baden
etwaige Ueberschüsse aus den Bahnen nicht zu allgemeinen Staats-
zwecken, sondern zu besonderen Zwecken der Eisenbahnoerwaltung
verwendet. Redner wünscht, daß der Antrag Paasche-Schlum-
berger zur Förderung der Kleinbahnen im Reichslande ange-
nommen werde.
Auf Anregung des Abg. Lurz (Zentr.) erklärt Slaats-
minisrer v. Thielen, daß der Frage angemessener Uebernach-
tungs- und Aufenthaltsräume für Beamte andauernde Fürsorge
gewidmet werde. Die Sonntagskarten mit ermäßigten Preisen
gelten nur für Fahrten aus der Stadt auf das Land und zu-
rück. Die 4. Klasse in Elsaß-Lothringen einzuführen, sei deshalb
nicht ratsam, weil dadurch die Frage der Tarifeinigung mit den
anderen süddeutschen Staaten völlig über den Haufen geworfen
würde. Die Ermäßigungen für Vereine seien im Reichsland viel
Wcilergchend bewilligt als irgendwo anders.
Abg. Graf L-tolberg-Wcrnigerode (kons.) meint: Wenn
überhaupt noch die Tarifreform angefangen werden solle, dann
müsse das bei dem Gütertarif geschehen. Der Reform der Per-
sonentarife widerspreche seine Partei nicht prinzipiell. Wenn
Schlumberger mit seiner Resolution betreffend die Kleinbahnen
in dem Reichslande das Reich nicht zu den Kosten herangezogen
wissen will, so stimme seine Partei der Resolution zu.
Abg. Prinz Schönaich-Carolath (witd-lib.) kommt auf
den Eisenbahnunfall bei Bischweiler und Olkenbach zurück und
die schlechten Zeilen zetert, auf die Verschwendung schimpft
und immer fürchtet, daß ihm ein Schatz gestohlen werden
könnte. Und gar, wenn der alte Kerl ein junges Blut
freien will, und des Nachts, wie man sich erzählt, vom
eigenen Kutscher ertappt wird, wie er im Begriff ist, seinen
eigenen Pferden den Hafer zu stibitzen, so ist das sehr
komisch. Am besten gelang Herrn Birnbaum die Dar-
stellung der Verzweiflung nach der Entdeckung des Dieb-
stahls. Er brachte im klebrigen alle Züge des Geizigen
im ganzen wirksam heraus. Gefallen hat mir dann vor
allem der Koch und Kutscher des Herrn Meltzer, Herrn
Kallenbergers komischer La Fläche und der Vater des
Herrn Rudolph. Großen Beifall fand die ausgezeichnete
Darstellung der alten Heiratsvermittlerin Frossne durch
Frau Jelly. Wie Harpagon sprach auch Cläant (Herr
Bernau) zu hastig und verdarb sich dadurch viel, im
klebrigen konnte er sich sehr wohl sehen lassen. Fräulein
! v. Pommer war eine muntere Elise, Fräulein Schön-
berg eine anmutige Marianne.- Im ganzen hinterließ
der Abend einen wohlthnenden Eindruck und konnte einen
bei guter Laune erhalten.
X. XV.
Kleine Zeitung
— Bon den Universitäten. Sehr bemerkt wird in
letzter Zeit der Zudrang russischer Studentinnen
zum Studium der Medizin an deutschen Universitäten.
Die Betreffenden gehören fast ausschließlich dem Judentum
^scheint täglich, Sonntags ausgenommen. — Preis mit Familienblättern monatlich 50 Pfg. frei in's Haus gebracht, bei der Expedition und den Zweigstellen abgeholt 40 Pfg. Durch die Post)be-
zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.
Anzeigenpreis: 20 Pfg. für die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Anschlag der Inserate auf den Plakattafeln der Heidelberger Zeitung
und den Plakatsäulen. — Fernsprech-Anschluß Nr. 82.
Die Vorgänge in Spanien.
In Spanien hat der Jesuitismus seinen Anfang ge-
kommen. Wie ein Mehltau liegt er seit Jahrhunderten
M dxx unglücklichen Bevölkerung, deren natürliche An-
^geri so beschaffen sind, daß sie dem gefährlichen Seelen-
nur geringen Widerstand zu bieten vermögen. Manch-
mal hat der spanische Volkskörper durch ein Fieber auf
.'e jesuitische Infektion reagiert und sich ihrer zu erwehren
^sucht. Immer vergeblich! Auch jetzt wieder ist das
Md von Fieberschauern ergriffen. Unruhen und Aus-
Mche der Volksleidenschaft sind da und dort vorgekommen.
Kenner des Landes, wie Sagasta, bezeichnen die Lage als
Ernst.
Wie bekannt, ist in Frankreich gegenwärtig eine Gesetz-
^bung gegen die Kongregationen im Gang. Die Folge
^selben wird vermutlich die sein, daß eine Anzahl von
Wonnen und Mönchen Frankreich verlassen werden. Manche
°rr Kongregationen haben ihr Auge auf Spanien geworfen
?dd sind dabei, sich dort Quartier zu machen. Alles was
^ Spanien liberal ist, bäumt sich auf bei dem Gedanken
^ diese geistliche lleberschwemmung.
Demonstrativ beklatscht worden ist unter den gegen-
wärtigen Umständen ein Drama von Galdos, das der
Jesuiten Ränke und Erbschaftskniffe geißelt. Nun trifft
^ sich gerade so, daß ein Fall vor Gericht verhandelt
^ird, der genau in den Rahmen jenes Dramas paßt. Ein
Jesuit hatte ein24jähriges reiches Fräulein, das mit einem
Bürgermeister verlobt war, in seine Seelsorge genommen
^d hatte es dahin gebracht, daß es seiner Mutter durch-
°Mnte und in ein Kloster ging. Die Mutter prozessiert
M um die Herausgabe ihrer Tochter. Diese Vorgänge
Klären die Demonstrationen gegen die Jesuiten, die sich
?EUte in manchen Orten Spaniens nicht auf der Straße
'Ehen lassen dürfen und auch in ihren Klöstern nicht
^rhr sicher sind.
^ Deutschland darf sehr froh sein, daß es dieser
Gesellschaft die Thüre gewiesen hat!
Ein weiteres Moment zur Erklärung der gereizten
Stimmung in Spanien ist die bevorstehende Vermählung
^r Prinzessin Mercedes mit dem Sohne des Grafen von
Mserta. Die Infantin Maria de las Mercedes ist bei
?Er überaus zarten Gesundheit des jungen Königs vielleicht
Meinst zur Regentschaft, vielleicht sogar zu Höherem be-
Eufen. Damit würde auch der in bigottester Knechtseligkeit
?Egen das jesuitische Pfaffentum schwelgende Graf von Ca-
^ta ans Ruder gelangen. Ist heute unter dem schwachen
Miment der Königin der Ultramontanismus in der Re-
glung schon obenauf, so würde, falls der junge Graf
?>i Caserta zu Einfluß käme, Spanien völlig in die
Mchtschaft des Ultramontanismus geraten. Das Volk
Mt, daß dies mit dem völligen Untergang des schon sehr
^Eruntergekommcnen spanischen Staates gleichbedeutend wäre;
?"her diese Siedehitze in der Nation, daher diese Zuckungen
E2 Volkskörpers.
^ Madrid, 12. Febr. Das republikanische Blatt „El
MHZ" jst suspendiert worden. Der Jahrestag der
. Eklärung der Republik in Spanien wurde gestern
^Saragossa, Pamplona, Cadiz, Valencia und anderen
Stadt-Theater.
/X. Heidelberg, 13. Februar.
.. „Gringoire", Schauspiel in 1 Akt von Th. Ban-
ale. «Der Geizige", Lustspiel in 5 Akten von
vliäre. Benefiz für Herrn Birnbaum.
^ Herrn Birnbaums Benefiz-Vorstellung ist in guter
E'wmung vor einem vollen Haus schnell von statten ge->
Mgen. Fünf Akte Moltore, die nur um ein Weniges
^8er dauerten als ein Akt Banville. Die Haltung des
Mblikums hatte etwas von mildem Wohlwollen, zwischen
^ hervor manchmal etwas von Lachen wetterleuchtete,
d Bekannt ist die Szene aus Hauptmanns Webern, wenn
hE heimgekehrte Soldat Jäger bei Baumerts das Weber-
dorliest: „Hier in dem Ort ist ein Gericht noch
Muinier als die Nehmen." Eine verwandte Stimmung
hervor, wenn Gringoire seine Ballade „von den
senkten in König Ludwigs Garten" rezitiert. Er weiß
zM, xx vor dem König steht, den er in seinem
senden Liede gebrandmarkl hat. Wie Ludwig dann
hMe stbt au dem halbverhungerten Straßendichter, und
dez ^'irrgoire's edler Sinn belohnt wird durch die Hand
1^ schönen Kaufmannstöchterleins, das macht die Hand-
des hübschen Schauspiels aus. Es hat etwas Er-
^ llendes, daß Gringoire in dem Moment, wo er der
tzMredung goldene Zunge gebrauchen sollte, nur edle
si»d ^iner Betrachtung und enthusiastischen Mitgefühls
Städten durch Bankette gefeiert. In Saragossa hielten
die Republikaner Zeinen Umzug mit der republikanischen
Fahne und schossen auf die Gendarmerie. Ein Unter-
offizier und mehrere Ruhestörer wurden verwundet. In
Valencia und Barcelona dauern die Kund-
gebungen fort.
Madrid, 12. Febr. Die Republikaner hielten
gestern mehrere Versammlungen ab, die ohne Zwischen-
fall verliefen. Nach der „Franks. Zeitung" berichtet der
„Imperial", der oberste Gerichtshof habe entschieden
und ungeordnet, daß Fräulein Urboa, die gegen den
Willen ihrer Mutter Nonne geworden war, aus dem
Kloster genommen werde.
Madrid. 12. Febr. Nach Mitternacht gelang
es den vereiniglen Anstrengungen der Gcndarm°rie und
Polizei, die Ruhe hier einigermaßen wieder herzustellen.
Der Gouverneur veröffentlichte einen Erlaß, der zur Ord-
nung mahnt. Die Presst verlangt die Einstellung aller
Festlichkeiten, sie verzeichnet Krisengerüchte.
Die letzten Stunden Milans.
Nach einem der „Köln. Ztg." auS Wien zugehenden
zuverlässigen Bericht war Milan vor vier Wochen an
Influenza erkrankt. Es stellte sich Fieber und
Bronchitis mit beiderseitiger Ohrenentzündung ein. Nach
zwölf Tagen traten die krankhaften Erscheinungen zurück
und Milan schien genesen. Am 3. Februar erkrankte er
abermals an Schüttelfrost, eine rechtsseitige Lungen-
entzündung wurde festgestellt, die sich bald auf beide
Lungenflügel ausdehnte. Sonntag Nacht trat in der ent-
zündlichen Erkrankung die Krisis ein, gleichzeitig traten
aber die ersten Symptome von Herzschwäche mit bedenk-
licher Atemnot auf; es stellten sich Erstickungsanfälle und
Schwellung beider Füße ein, dabei quälte ihn die Atem-
not sehr. Er behielt das Bewußtsein bis in die letzten
Minuten da er den Aerzten schon verloren schien, und war
keineswegs beunruhigt von Todesgedanken, wie unrichtig
gemeldet worden ist. Er empfing auch noch Sonntag abend
den aus Belgrad von König Alexander nach Wien ge-
sandten Generaladjutanten Obersten Petrowitsch, doch bat
er ihn, da er sich zu erschöpft fühlte, Montag Msttag zur
Audienz zu kommen. Montag Mittag wurde Petrowitsch
abermals von Milan empfangen, und lange blieben der
sterbende König und der Generaladjutant in angelegent-
lichstem Gespräch allein. Noch in den Nachmittagsstunden
war Milan ahnungslos. Bald darauf, etwa 3 Uhr
40 Min., schwand ihm das Bewußtsein und nach halb-
stündigem Todeskampf verschied er.
Wie schon mitgeteilt, hat Milan angeordnet, daß er im
Kloster Kruschedal beigesetzt werde. Nach einer ander-
weitigen Meldung will König Alexander seinen Vater in
Serbien begraben lassen; er habe den Gesandten in Wien
angewiesen, von der Leiche Besitz zu ergreifen.
Deutsches Reich.
— Der Senioren konvent des Reichstages hat be-
schlossen. vorOsternnurnochMn Etat und die China -
„Erbarmt Euw des Volks, kas Euch erhält,
Die gut zum Säen, Pflüaen und gut zum Graben sind
Und gut für Euch, ihr Herrscher, in den Krieg zu ziehn!"
Herr Birnbaum sprach die Verse sehr schön, echte
Stimmung kam leis empor, und etwas wie ein feuriger
Kontakt zwischen Bühne und Auditorium kam zu stände.
Sonst zeigte Herrn Birnbaums Gringoire alle Vorzüge
seines Narciß. Herr Wein mann sah als Ludwig XI.
prachtvoll aus und zeigte einen König, der ein feiner und
untadeliger Edelmann ist. Sehr schön spielte Fräulein
Kögl das Kaufmannstöchterlein, daS einen Gatten möchte,
der mutig ist wie ein Krieger und doch sanft wie ein
Weib. Träumerische Mädchengestalten weiß Frl. Kögl in
der Darstellung immer mit einem gewissen holden Reiz
zu umspinnen. Sehr brav und sicher gab Frl. Paulsen
die junge Witwe Nikole. Man sollte Frl. Paulsen öfter
Herausstellen. Die Herren Großmann und Brecher
führten ihre Aufgaben angemessen durch.
Das Verlobungsmahl des geizigen Harpagon wird
noch lange auf der Bühne Wirkung haben. Gestern wurde
das Stück geradezu heruntergeschnatiert und heruntergeflucht.
Ein Tempo! Man fuhr nur so ordentlich mit dem Hand-
schlitten den Königsstuhl hinunter. Hinken ist ja vom
Nebel. Ein selbstbewußter Männerschritt ist doch wohl
das Beste. Es giebl ja doch keine Schäden bei
Moliöre, die man durch beschleunigtes Sprechen
verdecken müßte und könnte. Wie wundervoll ist das
Ganze. Es liegt doch komische Gewalt darin, wenn
alle Welt den Geizhals ironisiert, wenn der Reiche über
Vorlage zu erledigen und am 22. März in die Ferien zu
gehen. Um dies zu erreichen, fallen alle Schwerinstage
fort. Nach Ostern soll der Zolltarifentwurf, von dem
man annimmt, daß er dann dem Hause zugegangen sein
wird, beraten werden.
— Die Justizreformkommission des Reichstages nahm
am 12. ds. mit 10 gegen 8 Stimmen die durch den Zu-
satzantrag Beckb-Koburg abgeänderte, von Rintelen
beantragte Fassung des Z 77 des Gerichtsverfassungsgesetzes
an. Danach entscheiden die Civilkammern und Strafkam-
mern in einer Besetzung von drei Mitgliedern. Hingegen
entscheiden die Strafkammern bei Aburteilung von Ver-
brechen und in der Berufungsinstanz für Vergehen in einer
Besetzung von fünf Mitgliedern, wovon zwei
Schöffen sind.
— Nach einem vorgestern bei der Schantung-Eisen-
bahngesellschaft in Berlin eingetroffcnen Telegramm aus
Tsingtau ist die Gleisverbindung der Strecke Tsingtau—
Kiautschoumit 74 Kilometer Länge am 9. ds. vollendet
worden. Die Betri e b s e r ö ff n ung dieser Strecke wird
im Frühjahr d. I. erfolgen.
— Der Genosse Eduard Bernstein ist ans der Ver-
bannung zurückgekehrt und hat sich in Berlin niederge-
lassen. Der „Vorwärts" widmet ihm ein lebhaftes Will-
kommen, ob aus vollem Herzen,-das muß in Erinnerung
an die Bernstein'sche vernichtende Kritik des sozialdemo-
kratischen Programmes dahingestellt bleiben.
Homburg, 12. Febr. Der Kaiser unternahm heute
früh 9 Uhr einen Spaziergang. Ins Schloß zurückgekehrt,
hörte er den Vortrag des Kriegsministers. Für
halb 3 Uhr ist eine große Schlittenfahrt mit dem
Hofstaate nach der Saalburg geplant. Von da begibt
sich das Kaiserpaar durch den Taunus nach Schloß
Friedrichshof.
Deutscher Reichstag. Berlin, 12. Februar. Fort-
setzung der Beratung des Etats der Retchseisen-
b a h n v e r w a l t u n g.
Abg. Hug (Zentr.) erkennt die treffliche Verwaltung der
Reichseisenbahnen an. Er weist darauf hin, daß man in Baden
etwaige Ueberschüsse aus den Bahnen nicht zu allgemeinen Staats-
zwecken, sondern zu besonderen Zwecken der Eisenbahnoerwaltung
verwendet. Redner wünscht, daß der Antrag Paasche-Schlum-
berger zur Förderung der Kleinbahnen im Reichslande ange-
nommen werde.
Auf Anregung des Abg. Lurz (Zentr.) erklärt Slaats-
minisrer v. Thielen, daß der Frage angemessener Uebernach-
tungs- und Aufenthaltsräume für Beamte andauernde Fürsorge
gewidmet werde. Die Sonntagskarten mit ermäßigten Preisen
gelten nur für Fahrten aus der Stadt auf das Land und zu-
rück. Die 4. Klasse in Elsaß-Lothringen einzuführen, sei deshalb
nicht ratsam, weil dadurch die Frage der Tarifeinigung mit den
anderen süddeutschen Staaten völlig über den Haufen geworfen
würde. Die Ermäßigungen für Vereine seien im Reichsland viel
Wcilergchend bewilligt als irgendwo anders.
Abg. Graf L-tolberg-Wcrnigerode (kons.) meint: Wenn
überhaupt noch die Tarifreform angefangen werden solle, dann
müsse das bei dem Gütertarif geschehen. Der Reform der Per-
sonentarife widerspreche seine Partei nicht prinzipiell. Wenn
Schlumberger mit seiner Resolution betreffend die Kleinbahnen
in dem Reichslande das Reich nicht zu den Kosten herangezogen
wissen will, so stimme seine Partei der Resolution zu.
Abg. Prinz Schönaich-Carolath (witd-lib.) kommt auf
den Eisenbahnunfall bei Bischweiler und Olkenbach zurück und
die schlechten Zeilen zetert, auf die Verschwendung schimpft
und immer fürchtet, daß ihm ein Schatz gestohlen werden
könnte. Und gar, wenn der alte Kerl ein junges Blut
freien will, und des Nachts, wie man sich erzählt, vom
eigenen Kutscher ertappt wird, wie er im Begriff ist, seinen
eigenen Pferden den Hafer zu stibitzen, so ist das sehr
komisch. Am besten gelang Herrn Birnbaum die Dar-
stellung der Verzweiflung nach der Entdeckung des Dieb-
stahls. Er brachte im klebrigen alle Züge des Geizigen
im ganzen wirksam heraus. Gefallen hat mir dann vor
allem der Koch und Kutscher des Herrn Meltzer, Herrn
Kallenbergers komischer La Fläche und der Vater des
Herrn Rudolph. Großen Beifall fand die ausgezeichnete
Darstellung der alten Heiratsvermittlerin Frossne durch
Frau Jelly. Wie Harpagon sprach auch Cläant (Herr
Bernau) zu hastig und verdarb sich dadurch viel, im
klebrigen konnte er sich sehr wohl sehen lassen. Fräulein
! v. Pommer war eine muntere Elise, Fräulein Schön-
berg eine anmutige Marianne.- Im ganzen hinterließ
der Abend einen wohlthnenden Eindruck und konnte einen
bei guter Laune erhalten.
X. XV.
Kleine Zeitung
— Bon den Universitäten. Sehr bemerkt wird in
letzter Zeit der Zudrang russischer Studentinnen
zum Studium der Medizin an deutschen Universitäten.
Die Betreffenden gehören fast ausschließlich dem Judentum