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Heidelberger Zeitung (43) — 1901 (Januar bis Juni)

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Nr. 1-26 (2. Januar 1901 - 31. Januar 1901)
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Erstes Blatt.

XXXXHI. Jahrgang. — Xr. 23.



Montag, 28. Januar 1901.

Erscheint täglich, Sonntags ausgenommen. — Preis mit Familienblättern monatlich 50 Pfg. in's Haus gebracht, bei der Expedition und den Zweigstellen abgeholt 40 Pfg. Durch die Post be-
zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.
Anzeigenpreis: 20 Pfg. für die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzetgen ermäßigt. — Anschlag der Inserate auf den Plakattafeln der Heidelberger Zeitung
und den Plakatsäulen. — Fernsprech-Anschluß Nr. 82.

Die Krankheit der Königin Bietoria.
Den ärztlichen Bericht über die Krankheit der
Königin veröffentlichen die medizinischen Zeitschriften
^ancct und British Medizinal Journal; er lautet:
Die Gesundheit der Königin war während der letzten
^wölf Monate mangelhaft, es zeigten sich nament-
!'ch Anzeichen von Verdauungsbeschwerden, die von einer
^minderten allgemeinen Nahrungsaufnahme und von zeit-
weiliger Schlaflosigkeit begleitet waren. Später stellten
üch auch gelegentlich leichte und vorübergehende Anfälle
Sprachstörungen ein, die darauf schließen ließen, daß
^ Gefäße des Gehirns angegriffen waren, wenngleich das
Hlluptartcriensystcin auffallend wenige erkennbare Zeichen
hohen Alters auswies. Die beständige Gehirnthätigkeit
fahrend eines langen Lebens voll königlicher Verantwort-
lichkeit, die Ereignisse im Reiche, häusliche Unannehmlich-
ikUen und Sorgen, die in ihren letzten Jahren wuchsen,
^ögen unzweifelhaft teilweise diesen Unterschied in der Er-
i'ährung der Gehirn- und der übrige» Hauptgcfäße ver-
pacht haben. Die Verdauungsbeschwerden, die die ur-
sprüngliche kräftige Körpeibeschaffenheit Ihrer Majestät
^greifen mußten, wurden besonders bemerkt während ihres
ätzten Besuches in Balmoral. Dort war es, wo die Königin
petzt deutliche Anzeichen von Gehirnermüdung zeigte und
Nächtlich an Gewicht verlor. Diese Anzeichen dauerten
Pt in Windsor, wo zuerst im November und Dezember
eichte Sprachstörungen beobachtet wurden, immer noch
vrübergehcnd und ohne von irgendwelcher Lähmung be-
reitet zu sein.
. Obgleich es für das beste erachtet wurde, die Vorbe-
Eitungen für den von Ihrer Majestät beabsichtigten Besuch
dem Festlande im Frühling fortzusetzen, hatten ihre
A^zte und die Personen ihrer nächsten Umgebung deutlich
pnnnt, baß diese Vorbereitungen nur vorläufige waren,
^ es besonders erwünscht schien, Ihre Majestät selbst über
len Zustand nicht dadurch zu beunruhigen, daß man die
^Pckmäßigkeit der von ihr geplanten Reise in Zweifel zog.
pe Uebersiedelung nach Osborne am 18. Dezember ver-
pachte der Königin ungewöhnliche Ermüdung. Es stellten
p Anzeichen von Nervenerregung und Unruhe
die zwei Tage andaucrten. Dann wurde sowohl der
ppelit wie die nervöse Spannkraft bei Ihrer Majestät
was besser, da sie sich mehr Ruhe gönnte, als sie bisher
.beobachten eingewilUgt hatte. Ein paar Tage vor der
. tzte„ Krankheit bereiteten vorübergehende, doch sich wieder-
pcnde Anzeichen von Teilna hml o sigke it und
Hlafsuchtmit Sprachstörungen und wachsender Schwäche
.pn Aerzten große Sorge. Am Mittwoch, 16. Januar,
8te die Königin stärker werdende Zeichen von Gehirn-
Schöpfung, jedoch konnte Ihre Majestät durch eine
»chensanstrengung immer noch zeitweilig ihr Gehirn zur
iökeit zwingen und ein Besucher, der nur wenige
szpriten blieb, hätte keine Anzeichen von geistiger Er-
tzpung bemerken können. Am Donnerstag mar diese
Pchöpfung bemerkbarer, sie war mit beträchtlicher Schläf-
hpit verbunden und un der rechten Seite des Gesichts
^pe eine leichte Verflachung bemerkt. Von da ab
^pn die Leilnahmlosigkeit und die Gesichtserschlaffung,

wenn auch nicht vollständig, so doch fortdauernd. Am
Freitag war die Königin ein wenig lebhafter, aber am
Samstag, den 19. abends, kehrten die schweren Symptome
wieder und hielten mit vorübergehender Erleichterung bis
zum Ende an. Es ist wichtig, zu verzeichnen, daß unge-
achtet der großen körperlichen Schwäche und Gehirn-
erschöpfung die Herzthätigkeit bis zum Ende
gleichmäßig blieb, der Puls zeigte zeitweilig eine größere
Spannung, blieb aber immer regelmäßig und von normalem
Schlag. Ebenso blieb die Temperatur immer normal. In
den letzten Lebensstunden trat eine Erschlaffung der Lungen-
nerven ein, das Herz schlug ständig bis zum Ende. Bis
auf die leichte rechtsseitige Gesichtsverflachung zeigte sich
keinerlei Lähmung und die erwähnten gelegentlichen Zufälle
ausgenommen, kann nicht behauptet werden, daß der Geist
erloschen gewesen sei. Noch ein paar Minuten vor dem
Tod erkannte die Königin die verschiedenen Mitglieder ihrer
Familie.

Aus der Geschichte Englands.
München, 23. Jan. Anläßlich des Thronwechsels
in England erinnert der hiesige Korrespondent der „Köln.
Ztg." daran, daß nach streng legitimistischer Auffassung
nicht Eduard VII. rechtmäßiger Herrscher des Jnselrciches
ist, sondern schon seit dem 20. November 1875 Maria,
die als Königin von England die vierte und als
solche von Schottland die dritte ihres Namens ist. Wer
ist diese in solcher Würde gewiß selbst den meisten Poli-
tikern völlig unbekannte Maria? Niemand anders als die
von König Karl I. von England (der bekanntlich auf dem
Schafott endete) abstammende und nach dem in England
erscheinenden i-IwAitiinist Ealanäar" das derzeitige Ober-
haupt der Familie Stuart darstellende Gemahlin des
bayerischen Thronfolgers Prinzen Ludwig. Aus dem
gleichen Grunde würde der bayerische Prinz Rupprecht den
Titel eines Prinzen von Wales annehmen können. That-
sächlich kann nicht geleugnet werden, daß ohne einige
„wenn" und „aber" Prinzessin Ludwig jetzt an Stelle der
koburgischen Dynastie in England herrschen würde, Das
Wichtigste unter diesen „wenn" und „aber" ist die kleine
Thatsache, daß König Jakob II. von England durch
Parlamentsbeschluß vom 26. Januar 1689 des Thrones
verlustig erklärt und die katholische Linie der Stuarts von
der Regierung ausgeschlossen wurde. Es folgte am 12.
Juni 1701 ein noch weitergehender Parlamentsbcschluß,
der die ganze ältere Linie der Stuarts vom Throne ans-
schloß und die Erbberechtigung den weiblicherseits vom
Stuart-König Jakob I. abstammenden Hannoveranern zu-
sprach. Die Stuarts selbst haben alles dies nie an-
erkannt. Noch 1745 unternahm der damalige stuartische
Prinz von Wales, Karl Eduard, einen anfangs und bis
zu der vernichtenden Niederlage von Culloden erfolgreichen
bewaffneten Einfall in Schottland und England. Mit
Karl Eduards Bruder, dem Kardinal Heinrich von Jork
(die Legitimisten nennen ihn König Heinrich IX.), starb
1807 der letzte männliche Stuart aus der königlichen
Linie. Die von jetzt an nur noch theoretisch und nicht
mehr praktisch bethätigten Thronansprüche gingen nunmehr

Solisten-Konzert.
Carl Perron — Hermann Ritter.
Heidelberg, 26. Jan.
Das Leben und Wirken Hermann Ritters hat etwas
spende? und Ergreifendes. Dieser Mann, dessen Lebens-
ips auch unsere Stadt, wenn auch nur als ziemlich bc-
ppvse Zwischcnstation, streifte, hat sein ganzes Dasein
Ideal, einer einzigen leidenschaftlichen Liebe gewid-
gxi' fciner Viola alta. Dieser Jugendliebe ist er ewig treu
Seh ^en, und blickt, dem Alter nahe, mit gleicher hin-
tz^nder Zärtlichkeit auf sein Instrument, wie in den
djpudtagen. In sein Ringen und Kämpfen mag sich
-^ Bitterkeit gemischt haben. Das Instrument hat trotz
lep Anerkennung und Bewunderung in der klingenden Welt
E Herrschaft zn erringen vermocht,
p zweierlei liegt wohl der Grund. Einerseits an
^schwierigen technischen Handhabung, anderseits daran,
kein neues Klangebiet birgt, sondern nur das
^»ll, Msammenfassend umschließt. Cello und Bratsche
iiiihpi ihre Selbständigkeit für eine neue Verbindung
pufgeberi.
tz^pdljch aber ein drittes: Die Litteralur nahm keine
zu dem Instrument; ein Instrument ohne Litteratur
w^ber Znr Rolle des Stummen verurteilt.

. n konnte man wieder einmal die Vorzüge der
pchi gehörten Altgeige bewundern. Gern lauscht
Pw vollen, weichen Wohllaut des weiblichen Barytons.
Schönheit, und spezielle Eigenart liegt in der aus-

gesprochenen Altlage. Hier birgt es seine fesselnde Indi-
vidualität.
Daß sein Herr und Meister das Instrument vorzüglich
handhabt, — er kann ja übrigens nur an sich selbst ge-
nossen werden, — daß er (nur Flageoletnoten wollten
gelegentlich nicht recht ansprechen) — aus ihm einen großen,
vollen Klang und Wohlklang herausholt, daß er sich auch
mit Glück als Komponist bethätigt, das alles wurde durch
stürmische und dankbare Anerkennung gestern quittiert.
Hermann Ritter durfte erkennen, daß sein langer Lebens-
kampf doch kein vergeblicher war. Der schlicht-innige,
markige Vortrag übte eine große Wirkung; mit Freuden
lauschte man dem edlen Jnstrumentalgesang.
Der Stern des Abends war Perron, einer der
größten deutschen Baritons. Er hatte nie zu kämpfen,
seine Stimme siegte vom ersten Erklingen an. Der
Dresdener Künstler besitzt ein mächtiges Organ, voll Metall
und Kraft, von zwingender Gewalt. Perron ist ausge-
sprochener Bühnensänger, und die Bühne, die ihm zur
Heimstätte geworden, hat auch seinen Sängercharakter ge-
formt. Hier liegt die große dramatische Wirkung, die er
zu erzielen vermag. Auch im Konzertsaal wirkt er mit der
gewaltigen, markigen, echt männlichen Stiimme noch al
trosoo. Es ist eher die große dramatische Wirkung, der
dramatische Wurf, worauf er losgeht, als die feine intime
Wirkung. Freilich hat Wüllner in dieser Beziehung mit
seiner zersetzenden Kunst ein für allemal unsere Ansprüche
krankhaft gesteigert. In dem Großstyligen, wie Franz'
„Herbst", dessen herrliche „Gewitternacht", in „Archibald

auf die weibliche Nachkommenschaft des Stuart-Königs
Karl I. über. Es würde zu weit führen, im einzelnen
darzulegen, wie die Könige Karl Emanuel IV. und Victor
Emanuel I. von Savoyen sowie Herzog Franz V. von
Modena weiblicherseits von König Karl I. von England
abstammen. Das Endergebnis ist, daß Prinzessin Ludwig
als Ururururururur-Enkelin dieses unglücklichen Königs
ohne die erwähnten „wenn" und „aber" auf dem englischen
Throne sitzen würde. Es braucht wohl kaum hinzugefügt
zu werden, daß Prinz Ludwig und seine kluge Gemahlin
der Sache keine andere Bedeutung als diejenige einer
genealogisch-theoretischen Spielerei beilegen.

Graf Bülow und die Getreidezölle.
Berlin, 26. Jan. In der heutigen Sitzung des Ab-
geordnetenhauses erklärte Graf v. Bülow bei Be-
ratung des landwirtschaftlichen Etats: Namens der Staats-
regierung habe ich mit Bezug auf den zur Beratung
stehenden Antrag des Grafen Limburg-Stirum und Genossen
(gesteigerter Zollschutz für die Landwirtschaft) folgende
Erklärung abzugeben: In voller Anerkennung der schwie-
rigen Verhältnisse, in denen sich die Landwirtschaft befin-
det, und von dem Wunsche beseelt, die Lage derselben wirk-
sam zu verbessern, ist die Staatsregierung entschlossen, auf
die Gewährung eines ausreichenden und deshalb zu er-
höhenden Zollschutzes für die landwirtschaftlichen
Produkte hinzuwirken. Die Staatsregieruug ist ferner be-
strebt, die Vorlage des neuen Zolltarifs in jeder
Weise zu beschleunigen. (Lebhafter Beifall.)

Deutsches Reich.
— Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" schreibt
zu den Blättermeldungen über den Anleihebedarf des
Reiches: Die Regierung verfügt noch über einen An-
leihekredit von 30 Millionen. Nach Bewilligung der
Chinavorlage wird der Anleihebedarf 180 Mill. betragen.
Dazu träte dann noch der Bedarf der Chinaexpedition
im Rechnungsjahre 1901 und für die Etatsbilanzierung
von 1901, welcher für beide Zwecke bis jetzt auf 197
Millionen geschätzt wird, keineswegs aber schon für 1901
vollständig in Frage kommt. Der Umfang der nächsten
Reichsanleihe steht somit noch nicht genau fest, ebensowenig
der Emissionszeitpunkt. Von einer Begebung der Reichs-
anleihe in Amerika oder England ist nicht die Rede.
— Der Außenhandel Deutschlands hat sich im ver-
flossenen Jahre günstig gestaltet. Ein- und Ausfuhrwerte
ergeben 1900 zusammen 10,4 Milliarden Mark gegen
10,2 und 9,5 Milliarden Mark in den beiden Vorjahren.
— Der V e rmö g ensbe stan d der Jnvaliditäts-
und Altersversicherungsanstalten betrug am Ende des
Jahres 1899 rund 700 Millionen Mark, er dürfte bis
Ende 1900 auf 750 Millionen und mehr angewachsen
sein. Es ist zweifellos, daß er auch noch eine ganze Reihe
von Jahren steigen wird, so daß die Zeit nicht mehr fern
ist, in der er eine Milliarde Mark ausmachen wird.
— Eine Neuerung am Tornister, die bei mehreren
Regimentern, unter anderem auch beim Alexander-Garde-

Douglas" und „den beiden Grenadieren" (Zugabe) hat
denn auch die elementare Kraft seiner Stimme (nur im
Piano und in der Kopfstimme zeigt sich manchmal, daß
schon etwas Reif auf das herrliche Organ gefallen) eine
fortreißende Wirkung geübt. Das Publikum gab sich mit
Entzücken der gebietenden Herrschaft dieses prächtigen
Stimmgewaltigen hin.
Herr Karl Sicnold jr. hat sämtliche Nummern des
Programms am Klavier begleitet. Er hat bei dieser
schwierigen Aufgabe seine durchaus musikalische Natur,
sein verständnisvolles Anpassungsvermögen aus's schönste
und dankenswerteste bewährt. Or. 8.

Stadt-Theater.
-X Heidelberg, 28. Januar.
„Hofgunst", Lustspiel von Thilo von Trotha.
Das heitere Stück ist vor zwei Jahren als Novität
hier mit großem Beifall ausgenommen worden und hat
auch gestern sehr gefallen. Der muntere Wildfang vom
Lande, der mit einem unfreiwilligen Sprung in die Stelle
einer Hofdame hüpft, dort im Umsehen höchste Gunst und
höchste Ungunst erfährt, schließlich für tapferes Schweigen
belohnt wird und in den Hafen einer hoffentlich glücklichen
Ehe einläuft, ist ein sehr dankbarer Vorwurf. Der Dich-
ter hat den Gegensatz zwischen höfischer, förmlicher. Art
und natürlichem Empfinden recht hübsch ausgemalt; stellen-
weise trägt er wohl etwas stark auf, aber er erzielt doch
einen recht hübschen Gesamteindruck und vor allem: er
bleibt immer unterhaltend.
 
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