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Heidelberger Zeitung (43) — 1901 (Januar bis Juni)

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Nr. 27-50 (1. Februar 1901 - 28. Februar 1901)
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https://doi.org/10.11588/diglit.37096#0281

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Erstes Blatt

43. Jahrgang. — kr. 42

Dienstag, 19. Februar 1901.






Erscheint täglich, Sonntags ausgenommen. — Preis mit Familienblättern monatlich SO Pfg. frei in's Haus gebracht, bei der Expedition und den Zweigstellen abgeholt 40 Pfg. Durch die Post be-
zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.
Anzeigenpreis: 20 Pfg. für die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum- Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Anschlag der Inserate! auf den Plakattafeln der Heidelberger Zeitung
und den Plakatsäulen. — Fernsprech-Anschluß Nr. 82.

Die Vorgänge in China.
Die „Kölnische Zeitung" meldet aus Peking vom
^6. d. Mts.: Angesichts des schleppenden Ganges
Friedensunterhandlungen ersuchte Graf
daldersee als Befehlshaber der verbündeten europäischen
Truppen, für Ende Februar eine neue Expedition in
größerem Maß stabe vorzubereiten, um die Provinz
Tschili endgiltig von den chinesischen Soldaten zu säubern.
Man sollte meinen, daß eine solche durch die Lage der
Tinge gebotene Maßnahme allseitige Billigung finden
^erde. Statt dessen macht die „Times" dem Plane Oppo-
mion. Das Blatt rät dringend davon ab, da eine solche
Expedition nur das Gegenteil des beabsichtigten Zwecks
fielen würde. Es sei allerdings möglich, daß der neueste
Befehl als Druckmittel aufzufasicn sei, da die Chinesen
Augenscheinlich wieder in ihre gewöhnliche Politik des
veilschens zurückfislen, und es sei vielleicht erwünscht, ihnen
risien Wink zu erteilen, daß auf die Dauer die Mächte
dicht mit sich spielen lassen würden; wenn aber der Befehl
"es Grafen Waldersee mehr bedeute, so hätte der Schritt
dicht geschehen dürfen, ohne die Ansicht und die Zu-
"iinmung der Verbündeten vorher einzuholen.
. Eine schöne Zumutung für den Oberkomman-
dierenden, bei jeder größeren militärischen Unternehmung
^st rundum bei allen Mächten anzufragen, ob ihnen die-
'Ube auch genehm sei.
Die Vertreter der Mächte in Peking hatten am
, d. wieder eine Zusammenkunft. Vorher wurde
'Men eine Botschaft von den chinesischen Bevoll-
mächtigten ausgehändigt, die den Inhalt eines Kaiserlichen
Ediktes widergiebt, welches die letzten die Verurteilung
^reffenden Depeschen wiederholt. Tschwang hat danach
Mbstmord zu begehen, Iuehsien soll hingerichtet werden.
Mde Urteile sollen in Gegenwart von hohen Regierungs-
.kurnten vollstreckt werden, um die Fremden zufrieden zu
Men. Bevor der Kaiser die Todesurteile ausspricht, wird
.'e Untersuchung in dem Prozeß gegen Auehfien uud Li-
Mnyu eingeleitet werden. Tungfuhsiang wird seines
Ganges entkleidet, andere Strafen folgen. Ainguin und
^ichaotschuischiao sollen eingekerkert werden. Die nach
Im Tode an die Familien der Gestorbenen verliehenen
^bren sollen anulliert werden. M>t den fremdenfeindlichen
Mellschaften beschäftigt sich ein anderes Edikt. Die Ber-
ater der Mächte beschlossen, beide Erlasse des Kaisers
M China zurückzuweisen. Es wurde die sofortige
^kanntgabe strengerer Erlasse gefordert.
Packetsendungen an die Truppe«.
.. Amtlich wird bekannt gegeben, daß sich Gelegenheit
»'^iet, auf dem vom Reichsmarineamr gecharterten Dampfer
. ddalusia den Angehörigen der Marine, des Ober-
°»ttriandos und des Expeditionskorps in Ostasien Packete
Zufuhren, die das Gewicht von 2.5 überschreiten und
M'Nach von der Beförderung durch die Feldpost ausge-
lassen sind. Die Packete müssen bis spätestens 3.
H.särz seetüchtig verpackt, fracht- oder portofrei unter der
1??sse des Dampfers Andalusta in Wilhelmshaven ein-
^ssen: eintreffende Sendungen werden den Auf-

gebern kostenpflichtig zurückgesandt. Die Sendungen müssen
mit deutlicher Aufschrift nach folgendem Muster
versehen werden: „An Dampfer Andalusta in Wilhelms-
haven. Für Gefreiten Eduard Müller 1. Ostasiatisches
Infanterie-Regiment, 5. Kompagnie." Die Postpacketadressen
oder Frachtbriefe sind mit gleicher Adresse und einer An
gäbe des Inhalts der Sendung auszustattcn; die Befördc
rung der Packete von Wilhelmshaven aus erfolgt gebühren-
frei. Es dürfen gesandt werden: an jeden Offizier und
Oberbeamten Packete im Gesamtgewicht bis zu 50 an
jeden Unteroffizier, Gemeinen und Unterbeamten Packete im
Gesamtpewicht bis zu 30 Vor Uebersendung über-
flüssiger Sachen wird ausdrücklich gewarnt. Sie sind dem
Empfänger nur zur Last; leicht dem Verderben ausgesetztc
Gegenstände werden nicht angenommen. Eine Verantwor-
tung für richtige Beförderung der Packete kann nicht über
nommen werden, wenngleich von den Behörden im Interesse
der Empfänger alles geschehen wird, um sie in den Besitz
ihres Eigentums gelangen zu lassen. Es empfiehlt sich, die
Packete frühzeitig einzusenden, da der Laderaum auf der
Andalusta ein beschränkter und darum die Ablehnung eines
Teiles der zuletzt eintreffenden Packete wegen Raummangels
nicht ausgeschlossen ist.

Deutsches Reich.
— Staatsminister von Miquel soll sich, wie das
„Berl. Tagebl." aus einer sehr zuverlässigen Quelle er-
fährt, für den 1. Mai d. Js. eine Wohnung in Frankfurt
a. M. gemietet haben.
— Dem Chef des Marinekabinets, Vizeadmiral
von Senden-Bibran, ist der Kronenorden erster
Klasse verliehen worden.
— In Berlin wurde am 18. ds. die Postkonferenz
im Sitzungssaale des Reichspostamtes vom Staatssekretär
v, Podbielski eröffnet. Es nahmen daran teil eine
Anzahl hoher Beamten des Reichspostamtes und Vertreter
von Handel und Industrie aller großen Städte. Von den
acht Punkten der Tagesordnung betreffen vier die Ver-
besserung des Telegraphenbetriebes, den letzten Punkt bildet
die Einführung des Postscheckverfahrens, ein Plan, an dem
die Postverwaltung festhält.
Homburg, 18. Febr. Das Kaiserpaar wohnte
gestern Vormittag dem Gottesdienst in der Schloßkirche bei.
Darauf empfing der Kaiser den Ciseleur Rohloff und
halte eine Besprechung mit dem Geheimen Oberbaurat
Spitta und dem Baurat Jakobi. Zur Frühstückstafcl
waren geladen: Der kommandierende General v. Ltndcquist
und Generalleutnant v. Deines nebst Gemahlin. Am Nach-
mittag unternahm das Kaiserpaar einen Spaziergang im
Kurpark. Heute Vormittag nahm der Kaiser den Vortrag
des Kabinetschefs v. Lucanus entgegen und machte darauf
seinen gewohnten Morgenspaziergang. Die Kaiserin be-
suchte heute Vormittag das photographische Atelier der
Frau Hofphotograph Vogt.
Cronberg, 18. Febr. Das Kaiser paar ist heute
Nachmittag 3V- Uhr hier eingerroffen, verweilte eine Stunde
bei der Kaiserin Friedrich und kehrte dann nach Homburg

zurück. Im Befinden der Kaiserin Friedrich ist irgend
eine Aenderung nicht eingetreten. Die Kronprinzessin von
Griechenland ist wieder nach Cronberg zurückgekehrt.
' Sachsen Weimar. ,

Weimar, 18. Febr. In der Kapelle des großherzog-
lichen Schlosses fand gestern ein feierlicher Gottesdienst
statt, dem der Groß Herzog, Prinz Hermann, Prinz
Wilhelm, der älteste Sohn des Prinzen Hermann, der
ganze Hofstaat und die geladenen Gäste beiwohnten. Dar-
nach begaben sich der Großherzog, die Prinzen und übrigen
Personen in den Thronsaal, in dem der Großherzog eine
Ansprache an die versammelten Landtagsabgeord-
neten hielt. Hierauf folgte die Eidesleistung der Abge-
ordneten. In Erwiderung der Rede des Großherzogs hielt
der Landtagspräsident Frhr. v. Rotenhan eine Rede, in
der er dem Schmerz über den Heimgang des Großherzogs
Karl Alexander Ausdruck gab und mit dem Wunsche schloß,
daß Gott die Regierung des Fürsten segnen möge.
Aus der Karlsruher Zeitung.
— Finanzassistent Georg Berg beim Finanzamt Donau-
eschingen wurde als Buchhalter etatmäßig angestellt.
— Von Interesse für die künstlerischen und wissenschaftlichen
Kreise Badens dürste es sein, daß auch in diesem Jahre aus der
Schwestern Fröhlich-Sttftung in Wien Stipendien und Pensionen
zur Verleihung gelangen. Es werden verliehen: a) Stipendien
an Künstler oder Gelehrte zur Vollendung ihrer Ausbildung zur
Ausführung eines bestimmten Werkes oder zur Veröffentlichung
eines solchen, oder im Falle plötzlich eintretender Arbeitsunfähig-
keit, b) Pensionen an Künstler oder Gelehrte, welche durch
Alter, Krankheit oder Unglücksfälle in Mittellosigkeit geraten find.
Zur Erlangung eines Stipendiums muß der Bewerber
in seinem, an das Kuratorium zu richtenden Gesuche, folgende
Beläge beibringen: s) den Tauf- oder Geburtsschein, b) Studien-
oder Prüfungszeugnisse, o) glaubwürdige Zeugnisse über seine
wissenschaftlichen, oder künstlerischen Leistungen, ä) ein behördliches
Zeugnis über seine Mittellosigkeit. Mit dem Gesuche um
eine Pension ist beizubringeu: s) der Tauf- oder Geburts-
schein, b) eine glaubwürdige Bescheinigung über die Krankheit
oder den Unglücksfall, wodurch der Bewerber in Mittellosigkeit
geraten ist, o) ein Ausweis über die Verdienste des Bewerbers
um Wissenschaft und Kunst. Die vorschriftsmäßig belegten Ge-
suche samt eventuellen Kunstproben sind bis 31. März 1901 im
Vräsidialvureau des Wiener Gemeinderats,
I Lichtenfelsgasse 2, I. Stock, zu überreichen, woselbst auch die
Stiftungsstatuten behoben werden können. Nicht entsprechend
instruierte Gesuche werden nicht in betracht gezogen.
Karlsruhe, 18. Febr. Die Erbgroßherzogin
traf gestern Abend gegen 6 Uhr hier ein und wurde von
dem Erbgroßherzog am Bahnhof begrüßt. Die Groß-
herzogin mit dem Erbgroßherzog und die Erbgroßherzogin
mit der Prinzessin Max wohnten gestern Abend der Opern-
vorstellung im Großherzoglichen Hoftheater an. Heute Vor-
mittag empfing der Großherzog den Staatsminister Dr.
Noik zur Vortragserstattung und erteilte danach dem Hof-
junker von Witzleben Privatandienz. Nachmittags und
abends nahm Seine Königliche Hoheit die gewöhnlichen
Vorträge entgegen. Heule Abend halb 8 Uhr findet im
Großherzoglichcn Schlosse ein großer Hofball statt, zu welchem
etwa 800 Einladungen ergangen sind.

lZUr

Josef Haydn s Oratorium „Die vier
Jahreszeiten".
Jubiläumsaufführung des Bachvereins am 2S. Febr. 1901.)
^ Am 24. April werden es 100 Jahre, daß in Wien
sh Aufführung von Haydn's „Jahreszeiten" stattge-
Auch dieses Werk wie die zwei Jahre früher
Mbvnierte „Schöpfung" verdankt seine Entstehung jener
ff^eichischen Adclsgesellschaft, welche viele Jahre lang
Hä ^ Pflege großer Chorwerke, namentlich die Oratorien
jh "äels, zur Aufgabe gemacht hatte und deren Name durch
weithin wirkende Thätigkeit in der Geschichte der
stets ehrenvoll genannt werden muß. Der Sekretär
Lob? Vereinigung, welcher u. a. die Fürsten Esterhazy,
Kinsky, Schwarzenberg, Auersperg angehörten,
zyr , der bekannte Baron van Swieteu, der auch in Mo-
p, s unt> in Beethoven's Leben eine Rolle spielt. (Er
tzj.beispielsweise derjenige, der Mozart das eingehende
dium Bach'scher und Händel'scher Musik vermittelte.)
sitio bab dann auch Haydn die Anregung zur Kompo-
^hm ^ beiden Werke, welche fast mehr noch als seine
ste^bhonieen und Streichquartette seinen Namen so un°
zgx 'Z machen sollten. Wie schon den (englischen) Text
den "Schöpfung", so bearbeitete van Swieten auch den zu
Th. "Mhreszeiten" nach dem englischen Original von
H"hbn war von diesem letzteren nicht gerade
«ft Er fand ihn höchst unpoetisch und beklagt sich
er die darin enthaltenen Trivialitäten. Namentlich

widerstrebten ihm einzelne Tonmalereien, zu denen der
Text ihn zwang, wie die Schilderung des Froschgcquaks
u. dergl., was er für eine Erniedrigung seiner Kunst an-
sah. (Bekanntlich haben ihm gerade diese und andere
Stellen des Oratoriums seine Gegner aus alter und neuer
Zeit zum Vorwurf gemacht.) Gleichwohl arbeitete er mit
Aufbietung seiner besten Kräfte an dem Werke und wenn
darin auch nicht die ideale Schönheit der „Schöpfung"
erreicht wird, so ist es doch auch ein echtes Geschenk des
Haydn'schen Genius', ein Füllhorn, dem schier unerschöpf-
lich die wunderbaren und süßen Melodieen entströmen.
Die erste Aufführung fand im Fürstl. Schwarzenberg-
schen StadtpalaiS am neuen oder Mehlmarkte statt. Es
war nur geladenes Publikum anwesend und waren weder
Programme noch Zettel gedruckt worden. Die erste öffent-
liche Aufführung war am 22. Dezember des gleichen
Jahres im k. k. Hoftheater. Dieselbe fand, wie der noch
erhaltene Zettel angiebt, zum „Vorteile" der Witwen und
Waisen der „musikalischen Witwen-Gesellschaft" statt und
wurde von „einem aus 200 Tonkünstlern bestehenden
Orchester" ausgeführt, worin natürlich die Sänger mit
inbegriffen sind. Die Eintrittspreise sind in anbetracht
des oamaligen Geldwertes merkwürdig hoch. So kostet
eine „Loge zu ebener Erde dann im ersten und zweiten
Stock" 9 fl. und der letzte Platz im „vierten Stock" 34 kr.
Dagegen erhält Jedermann den gedruckten Text an der
Kassa unentgeltlich. — Von jener ersten Privatauffuhrung
existtren ebenfalls noch mancherlei Schriftstücke, Rech-
nungen rc., die unter der Bezeichnung „zur Förderung

Haydn'scher Musik" gesammelt sind und von denen der
Kuriosität halber hier einige Proben Platz finden mögen:
Dem Baron Swieten den Beitrag zu der zum Vorteil
des H. Haidn (!) in dem Redutten-Saale aufzusührenden
Musik „die vier Jahreszeiten" genannt . . . 690 fl.
Dem Wachszieher für Lüstrekerzen zu der Haidnischen
Musik.58 fl. 49 kr.
Der Wache bei dieser Musik . . . 32 fl. 18 kr.
Den Mehlträgern für die Hinwegräumung der Mehl-
stände und Säcke auf dem neuen Markte*) . . 27 fl.
Dem Baron Swieten den Beitrag zu den Aufführungs-
kosten der Haidnischen Musik „die vier Jahreszeiten" 195 fl.
Ueber den Eindruck, den das Oratorium beim ersten-
male auf das Publikum machte, wissen wir, daß er ein
geteilter war, jedenfalls nicht entfernt so gewaltig wie nach
der „Schöpfung", was jedoch nicht hinderte, daß das neue
Werk balü nickt weniger beliebt und volkstümlich wurde
und es auch bis heute geblieben ist. Das Gedicht be-
handelt einen Stoff, welcher an und für sich der Eigenart
Haydns sehr entsprach. Die Schilderung der Jahreszeiten
mit ihren Eigentümlichkeiten und ihren Beziehungen zum
Menschen war ein Gebiet, welches dieser gemütvolle Natur-
freund ganz besonders zu beherrschen wußte. H^er fand
er reichlich Gelegenheit zu Tonmalereien aller Art: Früh-
lingsstürme, Sonnenaufgang, Gewitter, Herbst- und Winter-
stimmung; all dies noch belebt durch mannigfache Szenen

*) Um den Zutriit zu dem fürstlichen Stadtpalais zu er-
leichtern.
 
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