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Heidelberger Zeitung (43) — 1901 (Januar bis Juni)

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Nr. 51-76 (1. März 1901 - 30. März 1901)
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https://doi.org/10.11588/diglit.37096#0467

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Montag, 25. März 1901.

Erstes BLstL.

43. Jahrgang. — Ar.M.




Erscheint täglich, Sonntags ausgenommen. — Preis mit Familienblättern monatlich SV Pfg. in's Haus gebracht, deiAder Expedition und den Zweigstellen abgeholt^4vAPfg.
zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.
Anzeigenpreis: 2V Pfg. für die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Anschlag der Inserate ausKen Plakattafeln der
und dm Plakatsäulen. — Fernsprech-Anschluß Nr. 82.

DurchWieD Post be.
Heidelberger Zeitung

Unsere verehrlichen Post-Abonnenten ersuchen wir,
die Bestellung auf die „Heidelberger Zeitung" für das
H. Vierteljahr 1901
bei den betreffenden Postanstalten^
jetzt schon bewerkstelligen zu wollen, damit keine Unter-
brechung im Bezug des Blattes eintritt.
Drr Utting der „tzeidelbttger Zeitung".

Der Kaiser über das Bremer Attentat.
Berlin, 23. März.
In der heutigen Sitzung des Preußischen Abgeord-
netenhauses hielt Präsident v. Kroch er folgende An-
sprache, worin er mitteilte, daß das Präsidium gestern
don Seiner Majestät dem Kaiser empfangen wurde und
de«selben die Gefühle des Hauses anläßlich seiner Ver-
wundung ausgesprochen hat.
Meine Herren! Das Präsidium hat gestern die Ehre
gehabt, von Sr. Majestät dem Kaiser empfangen zu
werden, und hat Allerhöchstdemselben die Gefühle des
Hauses aus Anlaß seiner Verwundung ausgesprochen.
Se. Majestät haben uns den Auftrag erteilt, seine Freude
dem Hause auszusprechen darüber, daß das Haus den
Wunsch geäußert hat, diese Kundgebung zu machen. Dann
haben Se. Majestät in einer Ansprache etwa hinzugefügt,
- ich kann naturgemäß nicht wörtlich zitieren, aber im
wesentlichen Sinne denke ich es richtig wiederzugeben.
Se. Majestät sagten, sie seien durch den Vorfall in
Bremen besonders deshalb so schmerzlich berührt, weil sie
bie Ueberzeugung jetzt gewonnen hätten, daß seit dem Tode
hochseligen Kaisers Wilhelm I. die Hochachtung vor
Autorität im Volke abgenommcn habe, namentlich in
her Jugend, und Se. Majestät fügten dann noch etwa
^nzu: Wir alle, alle Stände ohne Ausnahme, dürften
bns da nicht von der Mitschuld frei sprechen, daß wir
">cht genug durch die Mittel, die uns allen zu Gebote
^ehen, u. a. auch die Presse, dafür gethan haben, daß
Hw Autorität derartig gewahrt gewesen sei, wie es früher
Keschehcn ist. Se. Majestät haben das Zutrauen zu dem
^heu Hause und allen Parteien desselben, daß sie» alle
"ach ihren Kräften dahin wirken möchten, daß die Achtung
b«r der Autorität uns wieder gewonnen würde, wie cs
"otwendig wäre. Se. Majestät hatte dann noch die
o»ade, sich nach dem gestern erkrankten Ersten Vize-
präsidenten zu erkundigen und seine Teilnahme für den-
^lben auszusprechen.
Abg. Richter erwiderte: Bisher sei es weder im Ab-
^ordnetenhause noch im Reichstage vorgekommen, daß
Äußerungen des Kaisers beim Empfange des Präsidiums
Gegenwart des verantwortlichen Mimst-ws dem Hause

zur Kenntnis gebracht wurden. Nur wenn der Minister
die Verantwortung übernehme, habe die Aeußerung für
das Haus Wert und könne einer Kritik unterzogen werden.
Richter protestiert gegen diesen Versuch. (Bewegung und
Unruhe.) Der Präsident habe in seiner Ansprache, nach
dem Bericht des offiziösen Wolff'schen Bureaus, den Krampf-
anfall des Burschen in Bremen mit den verbrecherischen
Absichten Hödel's und Nobiling's in Verbindung gebracht.
Richter stellt fest, daß eine solche Auffassung des Bremer
Vorfalles im Hause bisher noch nicht aufgetreten sei. (Un-
ruhe rechts und Beifall links.)
Präsident v. Kröcher erklärt, er habe nicht die Atten-
tate von Hödel und Nobiling mit dem Attentate in Bremen
verglichen, sondern, was er durch den Empfangstag, den
22. März, geboten hielt, des Hochseligen Kaisers Wilhelm I.
gedacht. Da lag wohl auch die Veranlassung vor, von
Attentaten zu sprechen, da jedenfalls auch ein Angriff auf
Kaiser Wilhelm II. stattgefunden hat. „Ich habe keinen
Vergleich zwischen den Attentaten auf Kaiser Wilhelm I.
und dem Bremer Attentat gezogen. Ich habe ausdrücklich
gesagt: Majestät habe Achnliches erfahren, und daß der
Bremer Vorfall etwas Achnliches ist, wird niemand be-
streiten können. (Abg. Richter ruft: Es wird bestritten!)
Präsident fortfahreud: Da läßt sich's höchstens um Worte
streiten! Ich habe mich nicht nur für berechtigt, sondern
auch für verpflichtet gehalten, die Worte des Kaisers,
wie ich sie behielt, wiederzugeben. Außer mir war
Dr. Krause zugegen. Dieser wird anerkennen, daß ich dem
Sinne nach richtig zitiert habe. Wir wurden vom Kaiser
nicht empfangen, als Herr v. Kröcher und Dr. Krause,
sondern alsPräsidentcndesAbgeordnetenhauses
(Lebhafter Beifall), in Ausführung eines Auftrages des
Hauses. Wir haben den Auftrag ausgeführt und ich habe
deshalb die Worte des Kaisers dem Hause mitgeteilt."
(Beifall.)
Abg. Dr. Krause bestätigt als einziger Zeuge, daß
der Präsident in keiner Weise einen Vergleich zwischen dem
erwähnten Attentate und dem Vorfall in Bremen ge-
zogen habe und fährt fort: „Meine Meinung ist, daß,
wenn das Präsidium beauftragt ist, dem Kaiser die Ge-
fühle des Hauses auszusprechen, es auch angezcigt ist,
mitzuteilen, was der Kaiser geäußert hat. (Bei-
fall.) Es handelt sich um eine Aeußerung des Mo-
narchen, die zu kennen sür das Haus von Interesse ist.
(Beifall.)
Abg. Fritzen (Zentr.) schließt sich den Ausführungen
Krause's an und spricht dem Präsidenten seinen Dank für
die Mitteilungen der Aeußerungen des Kaisers auS.
Abg. Graf Limburg-Stirum bemerkt gegenüber
Richter, daß die Aeußerung des Kaisers kein Regierungs-
akt ist, welcher der Gegenzeichnung eines verantwortlichen
Ministers bedarf. Redner dankt gleichfalls dem Präsidenten
für die Mitteilung der Worte des Kaisers.
Abg. Richter: Nach den Berichten der Presse und
des Wolff'schen Bureaus mußte man annehmen, daß der
Bremer Vorfall in Verbindung gebracht wurde mit den
anderen Attentaten. Was die Aeußerung des Kaisers be-
trifft, so handelt es sich nicht um eine formelle Aeußerung

des Dankes gegenüber der Kundgebung des Präsidenten,
sondern thatsächlich um eine Regierungskundgebung (?I).
Wenn derartige Aeußerungen, welche materielle politische
Direktiven geben, Beachtung verlangen wollen, — (Der
Präsident ersucht den Redner, die Worte des Kaisers nicht
zu kritisieren.) Richter fortfahrend: Daraus sehen Sie, in
was für eine schiefe Lage wir kommen. (Zuruf: Sie,
nicht wir!) Richter: Solche Mitteilungen wurden uns
sonst gemacht in Form einer Botschaft. Ich konstatiere,
daß dies nie zuvor, weder im Landtage noch im Reichs-
tage, geschehen ist und ich gehöre dieser Körperschaft bereits
30 Jahre an. (Zuruf: Leider!) Richter: Sie sind viel
zu jung, um sich ein Urteil zu erlauben! Ich halte mich
deshalb für verpflichtet, auf Grund der Traditionen des
Parlaments gegen diese Neuerung energisch Einspruch zu
erheben.
Der Präsident rügt den Zuruf: „Leider".
Das Haus tritt sodann in die Tagesordnung ein.

* Die Aeußerungen des Kaisers zum Präsidium des
preußischen Abgeordnetenhauses sind geeignet, den Anstoß
zu lebhaften Erörterungen in allen politischen Kreisen zu
geben. Die Thatsache, daß die Achtung vor den Autori-
täten in letzter Zeit abgenommen hat, ist insofern richtig,
als heute das Recht der Kritik auch auf die Autoritäten au-
gewendet wird. Der blinde Glaube an die Autorität
fehlt einem Zeitalter, dessen wissenschaftlicher Hauptsatz
dahin lautet, daß alles in der Entwickelung begriffen ist.
Autorität verlangt starres Festhalten am Hergebrachten.
Unbesehen nimmt man heute Autorität im allgemeinen nicht
mehr an. Besonders die persönliche Autorität ist heutzutage nur
durch mühsame Arbeit zu erwerben. Man wird nicht
verkennen, daß auch der alte Kaiser Wilhelm, den man
einst den Kartätschenprinzen nannte, seine spätere persönliche
Autorität durch langjährige, gleichmäßige Arbeit erworben,
und es ist auch noch in aller Erinnerung, daß er von
derselben einen sehr vorsichtigen Gebrauch gemacht und sie
nie aufs Spiel gesetzt hat.

Attentat auf Pobedonoszew.
Petersburg, 23. März. In der Nacht zum Frei-
tag feuerte der Statistiker Lagowski der
Samarer Landcsverwaltung in das zur ebenen Erde
gelegene Arbeitszimmer des Oberprokurators des heiligen
Synod, Pobedonoszew, in dem sich dieser aufhielt,
zwei Schüsse ab. Die Schüsse hatten die Richtung nach
dem Schreibtisch. Einen dritten Schuß feuerte der Sta-
tistiker in das Fenster der Wohnung des Pförtners. Als
der Statistiker zum vierten Male schießen wollte, versagte
die Waffe. Die ersten Geschosse gingen in die Zimmer-
decke. Untersuchung ist eingeleitet.
(Nachdem eben erst der russische Unterrichtsminister
den Folgen eines Mordanschlages erlegen ist, hat nun ein
„Staiistiker" die Waffe auf den Oberprokurator» Herrn
Pobedonoszew, gerichtet, der in den akademischen Kreisen
Rußlands als der Vater aller Hindernisse gilt, die einer
mehr freiheitlichen Entwickelung des russischen Geisteslebens

Stadt-Theater.
H> Heidelberg, 25. März.
»Don Cesar", Operette in drei Akten von R. Dei-

ner.

Als Titelheld der nachgerade etwas abgestandenen
^inger'schen Operette bot Hr. Runskh wieder eine
j^sch abgerundete Leistung, wenn cs auch schien, als ob

^ die Partie nicht allzusehr Zusage, was besonders im
Akt auffiel. Frl. Hesch machte aus ihrer Maritana
h?'" M machen ist, und sang namentlich ihr Tanzlied
so, gewohnter Verve. Bei Hrn. Schade, der den König
h "S- konnte man gestern mit Vergnügen eine gewisse Leb-
^"'gkeit im Spiele bemerken, so daß die Aussicht, der
h I Sänger werde auch in der Darstellung seine gesang-
' l ja"ku Vorzüge unterstützen, nicht mehr ganz hoffnungslos
b ' Abgesehen von dem Gesangsparte gab Hr. Kallen-
(v*ger den Minister-Jntriguantcn sehr gut, und als
h^frlo wirkte Hr. Meltzer-Burg durch seine natür-
>>,j? trockene Komik sehr erheiternd, nicht zum wenigsten
h/ seinen aktuellen Kouplet-Dreingaben. Frl. Koppen-
r war ein allerliebster Pueblo, während Frl. Jelly
^ Donna Uraca nicht im Stande war, diese widerliche
!iwirgendwie erfreulicher zu gestalten, zumal da sie ge-
H ganz unzulänglich ist. Die musikalische Leitung
-Äh u den Händen von Hrn. Waliczek, der seine Auf-
stj? wieder mit Eifer und Hingabe löste. — Das zahl-
^ erschiene Publikum amüsierte sich königlich.
Die gestrige Operette, welche, nebenbeigesagt, mit ihrer

trivialen Handlung und ihrer eigentlich wenig wertvollen
Musik zu den geringeren Erzeugnissen ihrer Gattung gehört,
wenn sie auch bekanntlich beim Publikum sehr beliebt ist,
wird wohl die letzte dieser Saison sein. Deshalb können
wir nicht umhin, unser Bedauern auszudrücken, daß jenes
unlängst aufgetauchte Gerücht, die Thcaterleitung wolle
Audran's reizende Operette „Die Puppe" zur Aufführung
bringen, nur ein Gerücht bleiben soll. Es wäre wohl eine
dankbarere und dankenswertere Aufgabe gewesen, als manche
andere. 0. 8.

Kleine Zeitung.
— Der Kronprinz als Student. In der Villa an
der Koblenzer Straße in Bovn, die der Kaiser gekauft
hat, regen sich fleißige Hände Tag und Nacht, um sie des
hohen Gastes würdig auszugestalten. Die Vorlesungen,
die der Kronprinz hören wird, sind bereits festgestellt.
Sein Hauptstudium wird Jurisprudenz sein; aber auch
historische, litterarhistorische, naturwissenschaftliche (Physik
und Chemie) und sprachliche (Französisch) Vorlesungen
wird er hören. In alle Gebiete der Wissenschaften soll er
einen Einblick gewinnen; und zwar werden ihm nicht nur
„Privatissima" gehalten werden, auch in der Universität
selbst wird er wie jeder andere Student private und öffent-
liche Vorlesungen besuchen.
— Darmstadt, 23. März. Gestern wurde die von
der Jnvaliduäts- und Altersversicherungsanstalt für das

Großherzogtum Hessen bei Sandbach im Odenwald er-
richtete Heilanstalt für Lungenkranke, welche den
Namen Ernst Ludwig-Stiftung erhält, feierlich eingeweiht.
— Brüssel, 22. März. Die Königin hat der
Familie des von ihrem Wagen überfahrenen und ver-
storbenen Handwerkers als Entschädigung die Summe
von 40000 Franks zugesandt.
— „Die Befreiung von Peking" als Theaterstück. In
der militärischen Ausstellung, die am 4. Mai in Earls
Court in London eröffnet wird, wird man als Hauptstück
die „Belagerung von Peking" als Schauspiel genieße»
können. Wer den Gedanken gefaßt hat, sei verschwiegen.
Es hat ja auch ein Berliner Vorstadttheater diesen Stoff
schon ausgeschlachtet. Der Unterschied ist nur der, daß
man in Berlin über derlei immerhin noch lacht, während
man's in London ernst nimmt.

— Höchster Neid. „ .. Schau', abmurksen kunnt'i'Dll
jetzt, aber — Du Lump bist ja in der Lebensversicherung . . .
da waar' Del' Alte fein 'raus!"
— Nach den Flitterwochen. „. . Es ist immer dieselbe
Geschichte mit Euch Männern! Vor der Ehe könnt Ihr ohne uns
nicht leben, und nachher könnt Ihr mit uns nicht leben!"
— Sie: „Mußt Du notwendig jede Nacht bis um 2 Uhr
kneipen?" — Er: „Keineswegs, ich thue es ganz freiwillig."
Sei stark, dich selbst zu zwingen,
Sei schnell, um Hilf' zu bringen.
Sei treu im Tugendstreben,
Sei mild, dem Feinde zu vergeben.
 
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