Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Zeitung (43) — 1901 (Januar bis Juni)

DOI Kapitel:
Nr. 27-50 (1. Februar 1901 - 28. Februar 1901)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.37096#0209

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext


^scheint täglich, Sonntags ausgenommen. — Preis mit Familienblättern monatlich 50 Pfg. in's Haus gebracht, bei der Expedition und den Zweigstellen abgeholt 40 Pfg. Durch die Post be-
zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.
^Nzeig enpreiS: 20 Pfg. für die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Für hiesige Geschäfts- Und Privatanzeigen ermäßigt. — Anschlag der Inserate am den Ptakattafeln der Heidelberger Zeitung
und den Plakatsäulen. — Fernsprech-Anschluß Nr. 82.

, 6.

Erstes Blatt.

Von den Vermählungsfeierlichkeiten im Haag
II.
Hochzeitsvorbereitungen und Hochzeits-
geschenke.
Haag, 3. Februar.
Trotz des Sturmes, der Ende der vorigen Woche hier
wirschte, und noch immer nicht ganz nachgelassen hat, be-
ugten sich große Menschenmassen auf den Straßen, um
Ae Ausschmückung derselben in Augenschein zu nehmen
Arivathäuser und Läden haben sich aus's schönste ge-
schmückt und sind hauptsächlich mit holländischen und
Mecklenburgischen Fahnen dekoriert. Besonders oft ist
prange vertreten; Guirland-n und Epheu bilden einen
schönen Kontrast zu den bunten Farben. In Gesellschaft,
^Uf der Straße, ja überall hört man nur von der Höch-
st sprechen. Belustigungen und sonstige Veranstaltungen,
denen das Volk teilnehmen kann, sind gleichfalls reich-
"fli vorgesehen. Für die Armen und Waisen ist bereits
Nutzer umfassende Vorsorge getroffen worden
Viel ist natürlich auch von den Hochzeits g eschenken
Ae Rede. Königin Wilhelmina wird u. a. einen schönen
Lüsten als Hochzeitsgcschcnk erhalten, der aus verschiedenen
Holzarten gearbeitet und mit weißem Atlas bedeckt ist.
Deckel zeigt ein in Gold gemaltes mit der
^one. Der Kasten, den ein goldener Schlüssel schließt,
schält schön geschliffene Glasflaschen mit Parfüms, die
M seidenen Bändern gebunden sind. In der Fabrik, in
Ar der Kasten dekoriert wurde, entstand dabei ein ordent-
^cher Zank; denn jedes Mädchen wollte ein Band binden,
^il es sich um ein Geschenk „für die kleine Königin
,°n Holland" handelte. Die Damen aus dem Haag
Mnken der Königin Wilhelmina einen kostbaren Speise-
IHkank mit Vasen und einen schönen Tisch. Auf denselben
^>rd Auch gelegt, das die Unterschriften der Gebertnnen
Athält. Ter unter dem Namen „Pulchri Studio" be-
^unte Künstlerklub wird der Königin einen viel bewun-
Arten Speiseschrank schenken, dessen Außenseite von den
^ten Bildhauern gearbeitet ist, während die inneren
MIluugm von den Mitgliedern des Klubs gemalt sind.
A Samstag fand im Palast eine Probe der lebenden
Mder statt; die dabei mitwirkenden Damen waren sehr
Aerrascht, als die Königin-Mutter plötzlich eintrat, um
^ Wirkung zu beurteilen. Königin Emma war mit dem
Eschenen sehr zufrieden. In dieser Woche fand auch in
^ Kirche eine musikalische Probe statt. Nach der im
?Moß stattfindenden Ziviltrauuug wird Königin Emma
i 't dem Brautpaar in demselben Wagen zur Kirche
xAllen. Dies ist eine alte holländische Sitte, die aber seil
.Aa einem Jahrhundert außer Gebrauch gekommen ist
r ° deshalb nicht überall Billigung findet. Jetzt fährt
^ Brautpaar immer allein von und zu der Kirche. Die
der Feste wird ziemlich lange dauern; so hat die
^Aederlandsche Visscherij-Vercenigung" sich entschieden, die
-Afligin im Juni zu einer Parade der Seeland-
sicher flotte auf der Schelde einzuladen. Zu dem
lRousseau der Königin Wilhelmina, der natürlich auch
lebhafteste Interesse erregt, gehört unter anderm auch
^ z
und das aus grünem Seidensammet mit einem

h, Kleid, das sie wahrscheinlich zum Kirchgang tragen
sAch nnd das aus grünem Seidensammet mit einem
Mantel oder Cape gearbeitet ist. Dann gehören
^zu drn Jagdkleidec in verschiedenen Schattierungen von
^n, und mehrere Slraßenkteider aus dunkelgrünem,
^Uein, malvcnfarbenem und rcsedafarbenem Tuch. Am
Öligen der Hochzeit wird die Königin vor der Trauung
^ Weißes Tuchkleid mit weißer Wollenstickerei tragen.
die Königin-Mutter ist ein prächtiges Kleid aus
L^'wetluch, mit Sammet garniert, angefertigt worden.
h,>, dem Trousseau gehören auch mehrere Reisekleider und
^Wel.
Der Beginn der Feierlichkeiten.
Haag, 4. Jan. Die Festlich keilen nahmen heute,
i(A schon kurz berichtet, vom herrlichsten Wetter begünstigt,
y/k Anfang. Um einhalb 4 Uhr versammelte sich ein aus
ih^ Provinzen zusammengesetztes Trompeterkorps,
^00 Mann stark, vor dem königlichen Palast und
^ verschiedene Stücke zum besten. Um vier Uhr erschien
Abordnung des Gemeinderats der Residenz mit
Bürgermeister an der Spitze und überreichte dem Bram-
es Hochzeitsgeschenk der Stadt, ein kost-
i>y^- aus 308 Stücken bestehendes Porzellanservice, als-
" brachte eine Abordnung aus Amsterdam der Königin
^genannte goldene Kutsche, die aus Beiträgen der
Volksklassen gestiftet und ursprünglich für die
Feierlichkeiten bestimmt war. Als die Dunkelheit
strahlten zahlreiche Straßen und Plätze von viel-
^.Aein Lichterglanz, der namentlich da, wo das
die Lichter wiederspiegelte, eine großartige Wirkung
' Um acht Uhr begann vor dem königlichen Palast

die von etwa 400 Sängern gebrachte Serenade. Die
Sänger marschierten, von Fackelträgern und verschiedenen
Militärkapellen begleitet, vom Zoologischen Garten vor das
Schloß, wo das Programm unter Leitung von Richard
Hol aüsgeführt wurde. Die Königin stand mit ihrem
Bräutigam zuerst am Fenster links vom Balkon, trat aber
dann am Arme des Herzogs Heinrich, der Admirals-
uniform trug, heraus, und hinter der Königin stand ihre
Mutter, der die Menge laut zujauchzte. Mit dem nieder-
ländischen Volkslied wurde die Serenade beschlossen. Hieran-
fuhr das Brautpaar, von einer Ehrengarde und Husaren
begleitet, durch die Stadt, um die Illumination in Augen-
schein zu nehmen; dann begab es sich nach der Staats-
eisenbahn, um die aus Deutschland kommenden Gäste zu
empfangen. Auch die Königin-Mutter begrüßte hier die
fremden Gäste. Das Gedränge auf den Straßen war
während des ganzen Tages ungeheuer.

Deutsches Reich.
— Der „Reichsanzeiger" meldet: Die am 4. d. vom
„Reichsanzeiger" veröffentlichte Ansage wegen Verlängerung
der Hoftrauer wird aufgehoben, dafür treten folgende Bö'
stimmungen ein: Auf besonderen Befehl des Kaisers
wird die Trauer um die Königin Victoria vom königlichen
Hof im ganzen zwei Monate, also bis zum 22. März, ge-
tragen, bis zum 8. März tief, bis zum 22. März in der
weniger tiefen Form. Die kaiserliche Familie trägt die
Trauer als Familientrauer noch einen Monat länger.
(Nach der ersten Ankündigung hätte der ganze Hof drei
Monate zu trauern gehabt.)
— Im Reichseisen bahn amt beginnen am 14. d.
M. die kommissarischen Beratungen betreffend Maß-
nahmen zur weiteren Erhöhung der Betriebssicherheit.
Dem Reichseisenbahnamt gingen zu den von ihm zur Ver-
handlung gestellten Fragen sehr gründliche, umfassende Vor-
arbeiten von den beteiligten Regierungen zu.
— In Kiel werden Vorbereitungen für den festlichen
Empfang der mit dem Lloyddampfer „Frankfurt" unter
Führung des Kapitänleutnants Grafen v. Saurma-Jeltsch
heimkehrenden Chinakämpfer getroffen, deren Ankunft
noch in dieser Woche erfolgt. Es sind die Mannschaften,
welche sich freiwillig zur Bekämpfung der aufständischen
Chinesen bereit erklärten und bis zum Zufrieren der Taku-
rhede die dortigen Forts besetzten. Insgesamt kommen
gegen 300 Mann zurück. Unter den Heimkehrenden be-
finden sich 18 erkrankte Offiziere und Mannschaften. Die
Heimkehrenden haben bereits am 6. Dezember 1900 mit
der „Frankfurt" die Takurhede verlassen. Anfangs März
und anfangs Mai geht je ein Transport Ersatz-
mannschaften für das dritte Seebataillon, die Feld-
artillerie und die Matrosenartillerie in Manischem und füp
sämtliche zum Kreuzergeschwader gehörenden Schiffe nach
Ostasien ab. Gleichzeitig findet eine Ablösung an Bord
der Schiffe statt, die infolge der Kricgsunruhen von den
übrigen Stationen nach China beordert wurden.
— Acht neue Kriegsschiffe werden im Laufe
dieses Jahres fertig und zum ersten Male in Dienst ge-
stellt werden können: drei Linienschiffe und fünf Kreuzer.
Von den Linienschiffen dürfte schon in den nächsten Wochen
der auf der Kruppschen Germaniawerft erbaute 11152 Ton-
nen große „Kaiser Wilhelm der Große" dienstbereit sein.
Ihm folgen die beiden Schwesterschiffe „Kaiser Barbarossa"
und „Kaiser Karl der Große", von denen ersteres bei
Schichau in Danzig, letzteres bei Blohm und Voß in
Hamburg gebaut wird. Der auf der kaiserlichen Werft
Kiel im Bau befindliche 8881 Tonnen große Panzerkreuzer >
„Prinz Heinrich" wird auch zum Frühjahr mit den Probe-
fahrten beginnen können, und ihm folgen 4 je 2660 Tonnen
große Kreuzer, von denen „Thetis" auf der kaiserlichen
Werft Danzig, „Ariadne" und „Medusa" auf der Weser-
werft Bremen und „Amazone" auf der Germaniawerft
sich im Ausbau befinden. Fünf Linienschiffe, ein Panzer-
kreuzer und ein Kanonenboot befinden sich außerdem im
Bau, unv zwei Linienschiffe, ein Panzerkreuzer und noch
drei geschützte Kreuzer sollen nach Annahme des Marine-
etatS in diesem Jahre neu vergeben werden.
Deutscher Reichstag. Berlin, 5. Febr. Etat des
Reichsjustizamts.
Abg. Bargmann (freis. Volksp.) hält das gegenwärtige
System in Strafaufschub für unhaltbar. Die Einführung der
bedingten Verurteilung durch Reichsgesetz sei dringend erforderlich.
Eine weitere Ausgestaltung der Zwangserziehung dürfte dem
Gemeinwohl dienlich sein. Redner tritt für die Errichtung der
kaufmännischen Schiedsgerichte und deren Angliederung an die
Gewerbegcrichte ein. Es empfehle sich auch eine Statistik über
die Fälle von unschuldig Verhafteten und Einsetzung einer Kom-
mission zur Vorberatung der Entschädigungsfrage.
Abg. Herzfeldt (Soz.) geht auf den Fall Sternberg ein
und schildert alsdann einzelne gerichtliche Entscheidungen, so z. B.
die Freisprechung Molkenbuhrs durch das Reichsgericht in
Sachen der Lübeck'schen Streikoerordnung. Redner führt alsdann

einen Prozeßfall und einen Fall von Freiheitsberaubung in
Mecklenburg an.
Staatssekretär Dr. Ni eberding kann nicht erkennen, waS
diese Gegenstände mit dem Reichsjustkzamt zu thun haben.
Abg. Czarlinski (Polet polemisiert gegen die gestrigen
Ausführungen des Staatssekretärs Dr. Nieberding.
Abg. Bin de Wald (Antisem.) fordert Verminderung der
Gerichtskosten und Entschädigung unschuldig Verhafteter. Der
Sternberg-Prozeß habe gezeigt, wohin wir treiben, wenn
Elemente in der Justiz überhand nehmen, welche diese zum
Geschäft machen. Im Falle Könitz habe die Untersuchungs-
behörde die Sache so verkehrt und ungeschickt wie möglich an-
gefangen.
Staatssekretär Dr. Nieberding erklärt: In der An-
gelegenheit sei das preußische Ministerium zuständig. Er
zweifle nicht, daß dasselbe im Abgeordnetenhaus- Rede stehen
werde. Er sei überzeugt, daß die preußische Verwaltung alles
thun werde, um dem Mörder auf die Spur zu kommen.
Abg. Rickert (fr. Vg l fragt, warum die Antisemiten nicht
den Mut hätten, die Aufhebung des Artikels betreffend die
Emanzipation der Juden von 1869 zu fordern. Die Antisemiten
untergrüben nur das Vertrauen auf die Justiz.
Abg. Horn (Soz.) verbreitet sich über die Zustände der
sächsischen Glasfabrikation.
^ Hierauf vertagt sich das Haus.
Morgen: Mündliche Berichte der Geschäftsordnungskom-
mission. Initiativantrag betreffend Aufhebung der Theater-
zensur.
Baden.
— In einem auswärtigen Blatt wurde gesagt, daß die
Ernennung des Herrn Ministerialrat Hübsch zum Mini-
sterialdirektor vom Zentrum freundlich werde ausgenommen
werden. Das bestätigt sich, denn der Beobachter schreibt:
Wir glauben, daß man diese Ernennung in allen poli-
tischen Lagern sympathisch begrüßt hat. Wie man
hört, wird er auch in seiner neuen Stellung das Kultus-
Referat beibehalten.
— Wie verlautet, wurde Kreisschulrat Bopp von
Bruchsal nach Offenburg, Kreisschulrat Säger von
Tauberbischofsheim nach Bruchsal versetzt und Professor
Bender in Meersburg zum Kreisschulrat in Tauber-
bischofsheim ernannt.
L. 0. Karlsruhe, 5. Febr. In der Rede, mit
welcher der reichsländische Landesausschuß eröffnet wurde,
wird konstatiert, daß bezüglich der Rh ein re gu lie r ung
weitere Verhandlungen zwischen den beteiligten Regierungen
stattgefunden haben. Es stehe zu' erwarten, daß zwischen
Bayern, Baden und Elsaß-Lothringen demnächst eine
Einigung"über die endgiltige Verteilung der Kosten des
Gesamtunternehmens zustande kommen werde. In den
badischen und reichsländischen Etat für 1902 soll be-
reits eiye 1. Rate für diesen Zweck eingestellt werden.
Preußen.
Berlin, 5. Februar. Das Abgeordnetenhaus
setzte heute die Beratung der Kanal Vorlage, oder
wie sie genannt wird -- der wasserwirtschaftlichen Vorlage
fort: Abg. Wiemer (freis.) erklärt die grundsätzliche Zu-
stimmung seiner Partei zum Weiterbau der Wasserstraßen-
Er hoffe, daß auch die Konservativen in dieser Frage die
Wohlfahrt des ganzen Vaterlandes als das oberste Gesetz
betrachten werden. Der Landwirtschaftsminister Frhr. v.
Ha mm erstein widerlegt die gegen den Kanal vor-
gebrachten Einwände und erklärt, wenn Deutschland auf
dem Weltmarkt konkurrenzfähig bleiben wolle, dürfe es in
der Entwicklung seiner Verkehrswege nicht zurückbleiben.
Abg. v. Pappenheim (kons.) erklärt, seine Partei werde
mit Eifer und Ernst die Vorlage prüfen. Er beantragt
Ueberweisung der Vorlage im ganzen an eine Kommission
von 20 Mitgliedern. Abg. Schultz-Bochum (nat.-l.):
Er hoffe auf Beseitigung aller entgegenstehendeu Hinder-
nisse. Die Bahn könnte den an sie gestellten Anforderungen
Nicht mehr genügen. Leistungsfähige Wasserstraßen bildeten
die einzige Hilfe. Abg. Stengel (frei-kons.) führt aus:
Die Bedenken gegen den Kanal und eine großartige Kanal-
polirik seien schwierig zu beseitigen. Man müsse die Aus-
mhrungen der Regierungsvertreter in der Kommission ab-
warten. Unsere Zukunft liege auf dem völkerverbindenden
Ozean, nicht auf den seichten Gewässern der Binnenkanäle.
(Beifall.) Minister v. Thielen führt aus: Dieses Wort
kann nur Wahrheit werden, wenn unsere Binnenwasser-
traßen ausgebaut werden. Die geplanten Wasserstraßen
ollen nicht bloß Durchgangswege sein, sondern auch dem
örtlichen Verkehr Rechnung tragen. Er werde in der
Kommission alle Aufklärungen geben, die verlangt werden.
Finanzminister v. Miguel: Durch die Konkurrenz des
Wassers werden die Finanzverhältnisse etwas schwierig,
aber der Staat hat dann noch eine gewaltige Rücken-
deckung. Wenn man bei der Eisenbahn zu weit gehen
will in der Herabsetzung der Tarife, dann kann er ein-
ach sagen: Wollt Ihr die Mindereinnahmen ausgleichen
durch die Erhöhung der direkten Steuern? (Heiterkeit.)
Wenn der Finanzminister hiermit richtig zu operieren ber-
icht, hat er gewonnenes Spiel. (Große Heiterkeit.) Nach
weiteren Ausführungen Miguels wird ein Vertagungs-
antrag angenommen. Morgen Fortsetzung.
 
Annotationen