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Heidelberger Zeitung (43) — 1901 (Januar bis Juni)

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Nr. 51-76 (1. März 1901 - 30. März 1901)
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Westes Blatt.

43. Jahrgang. — kr. 75.



Freitag, 29. März 1901.

Erscheint täglich, Sonntags ausgenommen. — Preis mit Familirnblättern monatlich 50 Pfg. in's Haus gebracht, bei der Expedition und den Zweigstellen abgeholt 40 Pfg. Durch die Post be»
zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.
"nzeigenprriS: 20 Pfg. für die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Anschlag der Inserate aus den Plakattafcln der Heidelberger Zeitung
^ und den Plakatsäulen. — Fernsprech-Anschluß Nr. 82.

Der Reichskanzler im preuß Herrenhanse.
Berlin, 28. März. In der heutigen Sitzung des
Herrenhauses stellte sich Ministerpräsident Bülow
Am Hause vor. Ministerpräsident von Bülow erklärte, er
dolle kein längeres Programm entwickeln. Er habe vor
Acht allzulanger Zeit in London die rein parlamentarische
Legierung kennen gelernt. Manches habe er ganz nett ge-
wirben, aber unter den Sachen, die ihm nicht gefielen, war,
dort jede neue Regierung und jeder neue Minister
AG mit einem neuen, von Verheißungen und Versprechungen
füllten Programm vorzustellcn pflegt. Und wenn Gott
'mterher den Schaden siebt, d. h. wenn die betr. Regie-
rung und der betr. Minister nicht wehr im Amte ist, so
pstegt von den Verheißungen und Verspechungen nicht alles
^füllt zu sein. Bülow erklärte, er rechne es sich zur
^oßrn Ehre an, als Präsident des Staalsmrnisteriums in
Aschäftliche Beziehungen mit diesem hohen Hause zu treten,
^ie gegenwärtige Session bringt wichtige Vorlagen. Er
A überzeugt, daß diese Versammlung, in der er so viel
Umsicht und ernste Verträge gefunden, mit dem stets be-
ehrten Patriotismus in gleicher Ergebenheit und Treue
W* König und Staat die Regierung unterstützen werde
A>d das Wohl des Ganzen zu fördern wüßte. In diesem
^inne erbitte ich für die gemeinsame Arbeit Ihre ver-
^ouensvolle Mitwirkung und wohlwollenden Rat. (Lcb-
Mtcr Beifall)
y. Hierauf beantragt namens der Budgetkommisston der
Arichierstmter Graf Königsmarck die Annahme der
^svluiion, die Staatsregierung aufzufordern, mit größter
Mschicdenheit dahin zu wirken, daß bei der bevorstehenden
Zuordnung der handelspolitischen Verhältnisse der Land-
wirtschaft wesentlich gesteigerter Zollschutz zu
^il werde und in diesem Sinne dafür zu sorgen, daß
aidigst die Vorlage d«-s in Vorbereitung befindlichen Zoll-
^rifs an den Reichstag erfolge.
, Ministe Präsident Graf v. Bülow erklärt, die Zoll-
^difvorlage werde, sobald die in Frage kommenden Ressorts
Arbeit beendet haben, an den Bundcsrat gehen. Er
gewiß, daß der Bundcsrat die Vorlage so rasch als
füglich verabschieden werde. Es werde und müsse ihm
!^>i liegen, in dieser Beziehung irgend welchen Druck auf
Bundcsrat ouszuüben, der im Widerspruch stehen
ffUrde mit unser Aller Achtung vor der Würde und Selb-
aandigk ft der Bundesstaaten. Die Einbringung der Zoll-
»!ftisvorlage werde in jeder Weise beschleunigt werden. Er
h üiie einen bestimmten Termin für die Einbringung an
Eü Reichstag nicht nennen.
Arbeitslöhne.
L Bereits aus den amtlichen Nachweisen über die
Meitslöhue ^ den preußischen Bergwerken war zu er-
sten, in welchem Maße die Bergarbeiter von der Hoch-
j^Nmktur der letzten Jahre Vorteil gehabt haben. Die
M der neuesten Nummer der Vierteljahrshefte zur Sta-
des deutschen Reiches veröffentlichte Statistik
Bergbaues bestätigt gleichfalls, wie sehr die
ltzfsjne der Bergarbeiter in derjüngsten Zeit industrieller
des 2 selbst gegenüber der Hochkonjunktur am Anfänge
^Jahrzehntes gestiegen sind. Während nämlich der

Kleine Zeitung.
st Znsammengelvachscnc Zwillinge, die den bekannten
lxAesjschen Zwillingen ähnlich sind, wurden in der
Sitzung der Pariser Akademie der Medizin vorge-
Es Md zwei Chinesen, die Brüder Liou Seng-
tzy üg und Liou Tang-Seng, welche im Jahre 1897 ge-
worden sind. Sie sind am Brustbein zusammen-
sj Sachsen. Die Stelle, wo sie mit einander verwachsen
üü, wißt am oberen Ende vier und am unteren Ende
ho/^.Zentimeter, ihre Länge beträgt 20 Zentimeter. Man
jeh sie mit X-Strahlen durchleuchtet und gefunden, daß
ein Herz auf der linken Seite hat. Die Chinesen sind
tzy/sehr entwickelter Intelligenz, und sie können die Funk-
yh/ssn des Lebens, abgesehen von den Bewegungen, un-
von einander ausführen. So vermag z. B.


1.
^geben hatte, der andere Zeichen von Trunkenheit
Revidierte Poesie. Man schreibt aus Lausanne:
Hx;, siieit man in der Prüderie gehen kann, dafür ein
h n^el. Kürzlich sangen in einem Mädchenpensionat
deutsche Pensionärinnen das alte schöne Lied:
Kjxr^wein kühlen Grunde". Als nun die Stelle: „Mein
tziendw ist verschwunden" der Vorsteherin zu Ohren kam,
^ sür unanständig, daß junge Mädchen von einem
singen. Sie erließ sofort eine Verordnung
wußte für die Zukunft heißen: „Mein Onkel ist
WMunden, der dort gewöhnet hat". Auch auf die
alten Märchen erstreckt sich die Korrektur. So

Durchschnittslohn eines unterirdisch beschäftigten Berg-
arbeiters sich im Jahre 1891 auf 1084 Mark stellte, be-
lief er sich im Jahre 1900 auf 1378 Mark, also auf nahezu
300 Mark höher. Ferner erhellt aus dieser Statistik,
entgegen der sozialdemokratischen Behauptung, daß die
Arbeiter von der Periode industrieller Blüte nur
verhälnismäßig geringen Vorteil gehabt
hätten, in welchem Maße gerade die Arbeiter verhältnis-
mäßig den größten Anteil an den Früchten dieser Zeit
genossen haben. Während nämlich der Wert der För-
derung im Reiche 1891 pro Arbeiter 2080 M„ der Durch-
schnittslohn eines unterirdisch beschäftigten Bergarbeiters
aber 1084 Mark betrug, dieser mithin etwa die Hälfte des
Wertes der Förderung ausmachte, stellte sich im Jahre
1900 der Wert der Förderung pro Arbeiter auf 2287
Mark, der Durchschnittslohn aber auf 1378 Mark, dieser
machte mithin nahezu 60 pCt. des Wertes der Förderung
aus. Hiernach ist die Steigerung der Arbeitslöhne um
etwa 10 PCt. größer gewesen, als die Vermehrung des
Wertes der Förderung auf den Arbeiter, woraus wieder-
um ersichtlich ist, daß gerade die Arbeiter es sind,
welche den meistenVorteil von der jüngsten Hoch-
konjunktur gehabt haben.

Deutsches Reich.
— Nach zuverlässigen Aussagen wird der Kaiser selbst
den Kronprinzen bei seiner Reise nach Bonn am
23. oder 24. April begleiten.
— Die Einstellung des Zweitältesten Sohnes des
Kaisers, des Prinzen Eitel Fritz von Preußen, zur aktiven
Dienstleistung beim 1. Garderegiment zu Fuß in Pots-
dam wird am 7. Juli, an welchem Tage der Prinz 18
Jahre alt wird, erfolgen. Von da ab wird der Prinz im
Kadettenhaus Wohnung nehmen.
— Das KaiserAlexanderGard e-G r e n a-
d i e r-R e g i m e n t in B e r l i n hat gestern seine neue
Kaserne bezogen. Der Kaiser zu Pferde, ritt an der
Spitze des Regiments vom Lustgarten nach dem neuen
Heim, überall mit Hurrah begrüßt. Im Hof der neuen
Alexander-Kaserne hielt der Kaiser eine Ansprache
an das Kaiser Alexander-Garde-Grenadier-Regiment
in der er, der „Kreuzztg." zufolge, sagte: Wie eine feste
Burg rage die neue Kaserne in der nächsten Nähe des
Schlosses auf, das sie in erster Linie zu stützen stets bereit
sein werde. Das Regiment sei berufen, gewissermaßen
als Leibwache Tag und Nacht bereit zu sein, um für den
König und sein Haus, wenn es gelte, Leib und Blut in
die Schanze zu schlagen. Die „Kreuzztg." fährt dann
fort: Der Kaiser habe, an den Opfermut des Regiments
im Jahre 1848 erinnernd, bemerkt: Wenn jemals wieder
in Berlin die Zeit wie damals, die Zeit der Auflehnung
gegen den König, kommen sollte, so werde das Regiment
sicher alle Unbotmäßigkeit und Angehörigkeit Wider den
König nachdrücklich in die Schranken zurückzuweisen. Der
Kaiser wünschte dem Regiment eine schöne Zukunft und
ermahnte es zur Pflege der Erinnerungen an seine frü-
heren Chefs — namentlich erinnerte er an des großen
Kaisers Zeit — zu Tapferkeit, Treue und unbedingtem
Gehorsam.
— Aus den Kreisen der Detgilrcisenden war an den
Reichstag der Wunsch gerichtet worden, auf eine begriff-
liche Unterscheidung zwischen den „Hausierern" und den
„Detailreisenden" in der Gewerbeordnung hinzuwirken.
Der Wunsch hat nicht Aussicht auf Erfüllung. Denn

wurde in demselben Pensionat „Dornröschen" dargestellt.
Daß hier nun am Ende der Prinz Dornröschen küßt und
dann heimführt, verletzte wohl in gröblicher Weise das
Schamgefühl der Vorsteherin. Kurz, es wurde aus dem
Prinzen flugs eine Prinzessin gemacht, die dann Dorn-
röschen erlöst und zur Kammerfrau erhebt. -— Inter-
essant wäre es, zu erfahren, ob die betreffende Pensions-
vorsteherin die „Poesie" des Alfons von Liguori nicht
auch revisionsbedürftig findet.
— Brieg, 26. März. Von einer zweitägigen Fußtour
vom Dorfe Simpeln zurückgekehrt, kann der Bericht-
erstatter der „Basl. Nachr." aus eigener Anschauung die
große Erdrutsch-Katastrophe bestätigen, die
wahrscheinlich noch garnicht beendet ist. Man kann deut-
lich bemerken, daß oben an der Absturzstelle große Spal-
ten im Gletscher sind, daß also bei wärmerer Witterung
noch bedeutende Nachstürze zu befürchten sind. Die be-
reits abgestürzte Masse bedeckt das Thal bis 100 Meter
tief und beträgt mindestens 10 bis 16 Millionen Kubik-
meter. Heute ist das ganze Trümmerfeld eine, hartgefro-
rene Masse von Stein- und Gletscherstücken und Schnee.
Die Nachgrabungen nach den Verunglückten wurden nach
zwei Tagen ergebnislos eingestellt. Gegenwärtig wird
versucht, für die Post einen provisorischen Uebergang aus-
zugraben. Bis Ende dieser Woche glaubt man den Fahr-
postverkehr von Brieg bis Domodossola durchleiten zu
können. Fußgänger können seit zwei Tagen mühsam
durch, da der ganze Weg von Berisal bis Simpeln fast ein
ununterbrochenes Lawinenfeld ist.
— Der erste Erfolg der Reformschnlen. In den
Reformschulen in Frankfurt a. M. hat die erste

nicht nur hat die Petitionskommission beschlossen, dem
Plenum hierüber Uebergang zur.Tagesordnung vorzu-
schlagen, auch der Regierungsvertreter hat erklärt, daß
die Notwendigkeit oder Zweckmäßigkeit einer unterschied-
lichen Behandlung weder aus den Ausführungen der
Petition zu folgern noch sonst bisher hervorgetreten sei.
— Der „Kreuzztg." zufolge hätte der Bundesrat
die Berechtigung der Realgy:nn asial- und Oberreal»
schu labiturienten zum Studium der Medizin be-
reits ausgesprochen.
Mecklenburg.
— Im Großherzogtum Mecklenbur g-S chwe-
rin geht, nachdem der Großherzog am 9. April mit
19 Jahren die Großjährigkeit erreicht haben wird, die
Regentschaft des Herzogs Johann Albrecht zu
Ende. Die Universität Rostock hat, der „Nordd. Allg.
Ztg." zufolge, beschlossen, den scheidenden Regenten da-
durch zu ehren, daß sie ihn zum Ehrendoktor
aller vier Fakultäten ernannte.

Aus der Karlsruher Zeitung.
— Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben den
nachgenannten Personen die Erlaubnis zur Annahme und zum
Tragen der ihnen von dem Kaiser verliehenen Königlich Preuß.
Roten Kreuz-Medaille III. Klasse erteilt, und zwar: dem Hofrat
Dr. Alfons Benckiser in Karlsruhe, dem Tüncher Julius
Engel in Mannheim, dem Professor an der Universität Frei-
burg, Dr. Ernst Fabricius daselbst, dem Mechaniker Christian
Mayer in Karlsruhe, dem Professor und Vorstand der Lebens-
mittelprüfungsstation an der Technischen Hochschule in Karls-
ruhe, Gustav Rupp daselbst, dem Professor an der Universität
Heidelberg, Geb. Rat Dr. Richard Schröder daselbst, dem
Königlich Preuß. Major z. D. Max Seubert in Mannheim,
dem Chirurg Julius Volk in Konstanz, dem Schreiner Rafael
Wolpert in TauberbischosSheim, dem Professor an der Uni-
versität Heidelberg, Dr. Hermann Wunderlich daselbst.
Karlsruhe, 28. März. Der Großherzog und
die Groß Herzog in erwarten morgen Freitag, den
29. nachmittags 3 Uhr die Ankunft des Großherzogs von
Sachsen, welcher von Stuttgart kommend den höchsten
Herrschaften seinen ersten offiziellen Besuch macht. Es
findet demnach auch offizieller Empfang statt und zwar
militärisch durch Ausstellung je einer Kompagnie im Bahn-
hof und vor dem Rcsioenzschloß. Der Erbgroßherzog
trifft aus Koblenz hier ein und wird den Großherzog von
Sachsen im Namen des Großherzogs am Bahnhof be-
grüßen und zum Großherzoglichen Schloß geleiten. Im
Bahnhof wird sich die Generalität und das gesamte
Osfizieikorps der Garnison befinden. Zur Begrüßung des
Großherzogs von Sachsen schickt der Großherzog den
Generalleutnant und Generaladjutanten von Müller und
den Oberschloßhauptmann von Offcnsandt-Berckholtz an die
Landesgrenze. Außerdem reist der Kommandierende General
General der Kavallerie undGeneraladjutant von Bülow zur Be-
grüßung dahin. Der Großherzog nahm heute Vormittag
den Vortrag des Präsidenten des Ministeriums des Innern
Geheimrats Dr. Schenkel entgegen. Um 12 Uhr empfingen
die Großherzoglichen Herrschaften eine größere Anzahl
Kadetten der hiesigen Anstalt, welche zur Fortsetzung ihrer
Studien nach der Haupt'adcttenanstalt Groß-Lichteiselde
abgehen. Der Kommandant des hiesigen Kaditenhauses
und die Kompagniechefs waren dnbü anwesend. Hierauf

Reifeprüfung stattgefunden und ein sehr befriedi-
gendes Ergebnis gehabt. Die 38 Oberprimaner des
Gymnasiums bestanden die Prüfung bis auf einen,
die 9 Oberprimaner der Musterschule eines Realgymna-
siums sämtlich. Am Gymnasium konnten 22, an der
Musterschule 4 von der mündlichen Prüfung befreit
werden.
— Skiläufer auf der Zugspitze. Der Einsiedler auf
dem Zugspitzgipfel, Herr Enzensperge r,erhielt vor
wenigen Tagen wieder einen Besuch, und zwar waren
es drei Studierende, die sich an dieses Wagnis machten
und dem Meteorologen auch Bier mit hinaufnahmen,
nach dem er „lechzte". Zum Aufstieg hatten die Herren
drei Tage gebraucht; am ersten kamen sie bis zur
Angerhütte, am zweiten bis zur Knorrhütte und am drit-
ten aus den Gipfel. Am 26. März kehrten sie auf Schnee-
schuhen von oben zurück; um 7 Uhr früh fuhren sie ab
und kamen um halb 7 Uhr abends in Garmisch an; ein
längerer Aufenthalt wurde dadurch bedingt, daß im
Rainthal weiches Gebiet, das durch eingetretenes Thau-
wetter geschaffen wurde, zu passiren war. Bei einer frü-
heren Fahrt, an Weihnachten, waren bei günstigeren
Schneeverhältnissen zwei dieser Herren auf Schneeschuhen
in 3f/2 Stunden vom Gipfel ins Thal gekommen.
— Neue Schnellzugslokomotive. Seitens der Pfälz.
Eisenbahnen werden gegenwärtig Probefahrten mit
einer neuen Schnellzugsmaschine, die 120 km pro Stunde
mit einem vollbesetzten Zuge zurückzulegcn imstande ist,
vorqenommen. Die Maschine ist mit 4 Eylindern ausge-
stattet, die aber nur bei der Anfahrt sämtlich in Betrieb
 
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