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Heidelberger Zeitung (43) — 1901 (Januar bis Juni)

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Nr. 27-50 (1. Februar 1901 - 28. Februar 1901)
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Freitag, 15. Febrim 1901.

Erstes Blatt

43.^Jahrgang. — Sir. 39.




Erscheint täglich, Sonntags ausgenommen. — Preis mit Familienblättern monatlich 50 Pfg. frei in's Haus gebracht, bei der Expedition und den Zweigstellen abgeholt 40 Pfg. Durch die Post be-
zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.
Anzeigenpreis: 20 Pfg. für die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum- Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — A nss ch l a g der Inserate auf den Plakattafeln der Heidelberger Zeitung

Die Eröffnung des englischen Parlaments.
London, 14. Febr. Die Eröffnung des Parlaments
fand heute mit größerem Prunk als seit dem Regierungs-
antritt der verewigten Königin Victoria statt. Auf dem
Ziemlich kurzen Wege vom Buckinghampalaft bis zum Par-
iainentsgebäude waren außerordentlich große Menschen-
mengen angesammelt. In den Straßen bildeten die Truppen
Und die Polizeimannschaften Spalier. Der königliche
3ug bestand aus sechs Wagen. In den ersten fünf
laßen die Mitglieder des Königshauses, das Gefolge und
die Hofwürdemräger. Dann folgte die prächtige Staats -
'«rosse, die auch von Georg III. benutzt wurde. In dieser
hatte das Königspaar Platz genommen. Die Karosse
Murde von 8 Pferden gezogen und von einer Abteilung der
Leibgarde eskortiert. Der König trug Feldmarschallsuni-
wrm, die Königin das Diamantdiodem. Sie wurden über-
all begeistert begrüßt.
Im Oberhause traf das Königspaar um 2
llhr nachmittags in feierlichem Zuge ein. Es waren dort
anwesend die königliche Familie, die Peers in roten Ge-
ländern, die Damen in Trauerkleidern, der Lordmayor,
das diplomatische Korps. Auf Aufforderung zog das Haus
der Gemeinen ein. Der König im Hermelinmantel leistete
fitzend den vom Lordkanzler abgenommen Eid (worin er
M a. die Messe abschwört) und verlas dann stehend die
Thronrede. Er verließ das Haus wiederum in feier-
lichem Zuge.
In der Thronrede wird zunächst auf die nationale
Betrübnis und Trauer über den unersetzlichen Verlust durch
den Tod der geliebten Mutter hingewiesen, die der ganzen
Aelt ein Beispiel gab für das, was ein Monarch sein sollte.
Der König wünsche lebhaft, in ihren Fußstapfen zu wandeln,
sodann heißt es weiter: Inmitten des allgemeinen und
persönlichen Schmerzes ist es mir eine Genugthuung, dem
Parlamente zu versichern, daß die Beziehungen zu den
Mächten fortdauernd freundlich sind. Der Krieg in
Südafrika ist noch nicht gänzlich beendigt,
^er die Hauptstädte des Feindes und die hauptsächlichsten
Verbindungslinien sind in meinem Besitz. Es sind Maß-
regeln getroffen, die, wie ich sicher hoffe, meine Truppen
l den Stand setzen werden, den Strettkräften, die ihnen
p°ch gegenüberstehen, wirksam entgegen zu treten. Ich be-
«ure sehr den Verlust an Menschenleben und Geldopfern.
der nutzlose Guerrillakrieg mit sich bringt, den die Buren
ortführcn. Eine baldige Unterwerfung ist in ihrem eigenen
Meresse sehr zu wünschen, da es uns, solange sic nicht
?lolgt, unmöglich ist, in jenen Kolonien Institutionen einzu-
Nen, die allen Bewohnern gleiche Rechte, der eingeborenen
evölkerung Schutz und Gerechtigkeit sichern werden. Die
Annahme Pekings durch die verbündeten Truppen
»d die glückliche Befreiung der in den Gesandtschaften be-
werten Personen sind ein Ergebnis, zu dem meine indischen
puppen und die Seemacht wesentlich beigetragen haben. Auch
folgte die Unterwerfung der chinesischen Regierung unter
W Forderungen, auf denen die Mächte bestanden. DieUnler-
pudlungen dauern noch fort über die Art, wie die Zustimmung
den Bedingungen der Mächte zu verwirklichen sei. Der
, °Nig erwähnt sodann die Errichtung des au st ra-
tschen Staatenbundes und den bevorstehenden
^luch des Herzogs von Cornwall und Jork zu der Er-
dung des Bundesparlaments. Nach dem Beschlüsse des
z??fgs sei dieser Besuch auf Neuseeland und Kanada aus-
?pphnen. Der König spricht dann seine Freude über die
iche und loyale Antwort aus, die der neuerliche Appell
den Patriotismus und die Hingabe Kanadas und
Amaliens fand, den die Fortführung der Feindseligkeiten
k« Südafrika veranlaßte. Die Thronrede teilt dann die
g °lgreiche Unterdrückung des Aufstandes im Aschanti-
jh oiet mit, und ferner, daß die durch die große Dürre
»dien hervorgerufene Notlage und die große Stcrb-
g^eit durch rechtzeitig eingetretenen Regen bedeutend herab-
jw'ldert worden seien. Zu bedauern sei allerdings, daß
tz, per Präsidentschaft Bombay noch fortwährend großes
itz^?d herrsche, das zu lindern man bemüht sei. Im
lich ^Voranschlag für das kommende Jahr habe man ernst-
^ Sorge getragen, die Ausgaben zu beschränken, aber die
fijz p.rpernisse für Heer und. Flotte, besonders die für den
kt^frfkanischen Krieg machten eine Erhöhung der Anleiye-
"pfn unvermeidlich. Die Thronrede macht endlich darauf
ii, ^"kfam, daß für die Civilliste neue Anordnungen
" ..spien- Der König stelle dem Unterhause die
Einkünfte zur Verfügung, die auch die verewigte
etngeräumt hatte. Zum Schluffe stellt die
ky pfede Vorschläge zur Vermehrung des Hee^es-
Patents des Reiches und andere Reformen
Deutsches Reich.
^i^ ^ch den soeben ergangenen Bestimmungen über die
»eren Truppenübungen im Jahre 1901

werden das oft- und westpreußische Armeekorps (I.
und XVII.) Kaisermanöver abhalten. Die Kriegsglie-
derung des XVII. Armeekorps wird dabei drei Infanterie-
divisionen umfassen, zu welchem Zwecke es durch die 19.
Jnfanteriebrigade (Prsen) des V. Armeekorps mit den
Jnfanterieregimentern Nr. 6 und 46, durch das Grcnadier-
regiment zu Pferde Frhr. v. Derfflinger (Neumärkische
Dragoner) in Bromberg und durch das Posensche Feld-
actillerieregiment Nr. 20 in Posen verstärkt wird. Der
Chef des Gcncralstabes der Armee hat die Einzelheiten
für die Kriegsgliederung des I. sowie des XVII. Korps
zu entwerfen und dem Kaiser zur Genehmigung zu unter
breiten.
— Das Bismarck-Denkmal vor dem Reichstags-
gebäude soll, wie in parlamentarischen Kreisen ver-
lautete, am 10. Mai, dem Gedenktage des Frankfurter
Friedens, enthüllt werden.
— Der dem Bundesrat zugegangene Gesetzentwurf be-
treffend Aenderung der Gesetze über das Posttax wesen
sieht die Einrichtung von verschließbaren Abholfächern
(Isttor b«L68) vor; die Gebühr für ein Fach von ge-
wöhnlicher Größe soll 12 Mk. und für größere Fächer
18 Mk. jährlich betragen.
Homburg v. d. H., 14. Febr. Das Kaiserpaar
unternahm heute früh den gewohnten Spaziergang im Kur-
park in Begleitung des Reichskanzlers und des Generals
v. Kessel. Auf dem Rückweg wurde dem Saalburgmuseum
im Kurhause ein Besuch abgestattet, zu dem unter anderen
auch der Kultusminister Dr. Studt hinzugezogen wurde.
Im Schlosse hörte später der Kaiser den Vortrag des
Kultusministers. — Das Kaiserpaar ist heute nicht nach
Friedrichshof gefahren, sondern unternahm um halb 4 Uhr
einen anderthalbstündigen Spaziergang in der Tannen-
waldallee.
Baden.
L. 0. Neustadt, 12. Februar. In einer Ver-
sammlung des nat.-lib. Bezirksvereins Neustadt i. Schw.
erstattete Oberamtsrichter Eckhard Bericht über die Ver-
sammlung des Landesausschusses, während Oberamtmann
Hofmann die Stellung der Regierung zur Wahlrechts-
srage präzisierte. Nach lebhafter Diskussion stellte sich die
Mehrheit der Versammlung auf den Standpunkt des
Landesausschusses.
x Handschuhsheim, 14. Febr. Auf Anregung
des engeren Vorstandes der nationalliberalen Partei hatte
sich gestern Abend eine stattliche Anzahl Vertrauensmänner
zwecks Besprechung der Kandidatenfrage in der
Brauerei Lenz versammelt. Bei der Wichtigkeit der Tages-
ordnung war die Beratung eine eingehende, und verschiedene
Redner legten ihre Meinung dar. Sie vereinigten sich in
der Empfehlung der Kandidatur des Herrn Professors
Rohr hur st, die von den etwa 60 Anwesenden bet der
darauf folgenden Abstimmung beschlossen wurde. Wir be-
zweifeln nicht, daß bei der allseits bekannten und beliebten
Persönlichkeit des Herrn Rohrhurst der Landbezirk
Heidelberg der nationall. Partei, welcher er viele Jahre
gehörte, wieoer zufallen wird.
* Als erster der Wahlbezirke ist Heidelberg-Land
mit der K a n d i d a t e n a u f ste l l u n g vorgegangen.
Als vor vier Jahren der Bezirk trotz aller Anstrengungen
der Nationalliberalen verloren ging, sagte man sich, der
Verlust dürfte kein dauernder sein; wenn die Neuwahl
heranrücke, müsse und wolle man alles thun, um den Be-
zirk zurückzugewinnen. Die Aufstellung der Kandidatur
Rohrhurst (siehe den Bericht aus Handschuhsheim) ist
ein sehr glücklicher erster Schritt dazu. Hr. Rohrhurst ist
im Bezirk sehr beliebt, man schätzt ihn als Mensch, Poli-
tiker und als hervorragenden Redner; so wollen wir hof-
fen, daß seine Kandidatur zur Wiedereroberung von Heidel-
berg-Land führt.
Bayern.
Nürnberg, 12. Febr. Das Ministerium lehnte
das wiederholte magistratische Gesuch wegen Gestaltung
der fakultativen Feuerbestattung ab.

Großh. Babnbauinspektor in Rastatt, Regierungsbaumeister
Richard Roth in Eppingen zur Großh. Gcneraldirektton der
Staatscisenbahnen und Eisenbahningenieur Friedrich Büchle in
Neustadt zum Großh. Bahnbauinspektor in Singen.
— Buchhalter Hermann Blum in Bühl wurde zum Steuer-
kommissärassistenten ernannt.
Karlsruhe, 14. Febr. Der Großherzog empfing
heute Vormittag den Präsidenten des Ministeriums des
Innern Geheimrat Dr. Schenkel zu längerem Vortrag.
Darnach meldete sich der Hauptmann Freiherr Huber von
Gleichenstein, Komp.-Chef im 7. Bad. Jnf.-Reg. Nr. 142.
Im Laufe des Nachmittags und Abends hörte Seine
Königliche Hoheit die Vorträge des Geheimen Legations-
rats Dr. Seyb. Gestern Abend erhielten die Großher-
zoglichen Herrschaften die telegraphische Nachricht von der
glücklich erfolgten Ankunft der Kronprinzessin Vwtoria und
des Prinzen Gustav in Rom. Auch dort herrscht ziemliche
Kälte.

Aus der Karlsruher Zeitung.
— Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben dem
Landgerichtsrat Theodor Singer in Konstanz das Ritterkreuz
erster Klasse mit Eichenlaub des Ordens vom Zähringer Löwen
verliehen und denselben auf sein Ansuchen wegen leidender Ge-
sundheit unter Anerkennung seiner langjährigen treugeleisteten
Dienste in den Ruhestand versetzt, sowie den Landgerichlsrat
Friedrich Trolle in Mannheim in gleicher Eigenschaft nach
Konstanz versetzt.
— Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben dem
Regierungsbaumeister, Bahnbauinspektor Karl Rümmelein Neu-
stadt i. Schw. unter Belastung des Titels „Bahnbauinspektor"
die etatsmäßige Amtsstellc des Vorstandes der Eisenbahnbau-.
lnspektion Neustadt übertragen.
— Es wurden versetzt: Regierungsbaumeister Wilhelm
Mcsscrschmidt in Rastatt zur Großh. Eisenbahnbauinspektion
Neustadt, Regierungsbsumeister Friedrich König in Singen zum

Ausland.
Oesterreich-Ungarn.
Wien, 14. Febr. Heute nahm eine Hofkommission
an Milans Leiche die Jdentitätsfeststellung in Gegen-
wart des serbischen Gesandten vor, worauf der Sarg ver-
lötet wurde. Vorher hielt der serbische Pfarrer Misst
lange Gebete ab und salbte die Stirn Milans mit heili-
gem Oel. Die Haupteinsegnung vollzieht morgen der
Metropolit von Karlowitz. Die Trauerfeier leitet als
Stellvertreter der Oberhofmeister Wirkliche Geheimrat Graf
Eugen Zichy. König Alexander sandte einen Kranz
mit der Inschrift: „Seinem guten Vater. Alexander."
Wien, 14. Febr. (Abgeordnetenhaus.) Der vom
Abg. Placzek namens der Czechen eingebrachte Adreß-
entwurf, der sich auf den föderalistffchcn Standpunkt stellt,
wurde abgelehnt; dafür stimmten bloß die Czechen, Feu-
dalen, Slovenen und die oppositionellen Polen. Ueber die
Loyalitätskundgebung Bärnreuther's wurde auf Wunsch
der Czechen absatzweise abgestimmt. Gegen jene beiden Ab-
sätze, in welchen für die Begrüßung durch die Thronrede
gedankt und die Arbeitswilligkeit des Hauses versichert
wird, stimmten die Czechen und die oppositionellen Polen,
für den dritten Absatz, der die Versicherung unwandelbarer
Treue und tiefster Verehrung für den Kaiser enthält,
stimmten alle Parteien auch die Czechen. Vor der Ab-
stimmung hatten die Alldeutschen, die Sozialdemokraten und
die radikalen Czechen den Saal verlassen.
Wien, 14. Febr. Das k. k. Korrespondenz-Bureau
meldet aus Peking: Entsprechend dem Vorgehen anderer
Mächte sicherte sich auch die österreichisch-ungarische
Regierung die Erwerbung von Settlements bei Tientsin
zur Errichtung eines Konsulates und Niederlassung ihrer
Staatsangehörigen und deren Unternehmungen. Im Auf-
träge des Gesandten in Peking ist ein Terrain von etwa
6—10 Quadratkilometer Größe am Katserkanal namens
Oesterreich-Ungarns besetzt worden, wovon der Komman-
dant des österreichisch-ungarischen Marinedetachements alle
Konsulate sofort schriftlich verständigte. Um den Preis
sind Verhandlungen mit China eingeleitet worden.
England.
London, 14. Febr. Für B a de n-Powells neue
südafrikanische Schutz truppe sind im ganzen bisher
30 000 Anmeldungen eingelaufen; 2600 Mann sind ein-
gestellt, gegen 1500 Mann sind bisher nach dem Kap ab-
gegangen. Heute werden weitere 920 Mann eingeschifft
werden; weitere 850 Mann folgen innerhalb der nächsten
14 Tage.
Spanien.
Madrid, 14. Febr. Kavalleriepatrouillen durchziehen
fortwährend die Straßen, jedoch fanden keine neuen
Kundgebungen statt. Unter den Manifestanten, gegen
die gestern die Gendarmerie Vorgehen mußte, befanden sich
ein Kriegskommissar und ein Leutnant in Uniform. — Die
Trauung der Prinzessin von Asturien mit dem
Prinzen von Bourbon wurde heute vollzogen.
Malaga, 14. Febr. Einige französische Mönche,
die sich nach Brasilien einschiffen wollten, wurden, als sie
die Stadt durchzogen, von der Menge mit Pfeifen empfangen.
Die Menge zog dann vor das Haus der Zeitung „Noticiero
Malagueno" und schleuderten Steine gegen die Fenster.
Türkei.
— Die „Polit. Korr." meldet: In Ueskueb wurden
mehrere türkische Offiziere schwer bestraft, weil ste,
seit vielen Monaten ohne Sold und mit Frau und Kindern
lungernd, Regiments-Eigentum für eigene Rechnung ver
kauft hatten.

Aus Stadt und Land.
Heidelberg, 15. Februar.
** Die Chronik der Stadt Heidelberg für das Zahr 1899
im Auftrag des Stadtrats bearbeitet von Direktor Thorbecke
 
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