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Heidelberger Zeitung (43) — 1901 (Januar bis Juni)

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Nr. 1-26 (2. Januar 1901 - 31. Januar 1901)
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Donnerstag, 31. Januar 1901.

Erstes Bltttt

xxxxm. Jahrgallb. . 26,


Erscheint täglich, Sonntags ausgenommen. — Preis mit Familienblättern monatlich 50 Pfg. in's Haus gebracht, bei der Expedition und den Zweigstellen abgeholt 40 Pfg. Durch die.,Post,.be-
zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.
Anzeigenpreis: 20 Pfg. für die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Anschlag der Inserate auf den Plakattafeln^der Heidelberger Zeitung
und den Plakatsäulen. — Fcrnsprech-Anschluß Nr- 82.

Bestellungen
°uf die „Heidelberger Zeitung"
für die Monate
Wb" Februar und März "WG
^vlle man sofort bei unseren Trägern, in den Zweig-
stellen, bei den' kaiserlichen Postanstalten oder bei den Post-
boten machen.
Der Werkag.

Zur Erhöhung der deutschen Getreidezölle.
Die Ankündigung des Grafen Bülow im preußischen
Abgeordnetenbause, daß die Regierung auf eine Erhöhung
^ Zollschutzes für Getreide hinarbeite, hat begreiflicher-
weise in den Staaten, die Getreide nach Deutschland aus-
whren, nicht angenehm berührt. Aus Ungarn liegen
chon einige Aeußerungen des Mißbehagens vor. Am
Montag brachte der Abgeordnete Polongi die Angelegenheit
Parlament zur Sprache. Ungarn, sagte ec u. A.,
onne sich nur durch ein gesondertes Zollgebiet schützen.
Maßregel solle gegen Rußland gerichtet sein; es könne
noch dazu kommen, daß Ungarn als Bundesgenosse
wr diese Politik auch noch sein Blut vergießen müsse.
7^r Handelsminister Hegedüs war bei seiner Erwiderung
bl einiger Verlegenheit. Er beschränkte sich darauf, zu be-
.°»en, daß es unrichtig wäre, der deutschen Regierung
^tzt schon vor Beginn der Vertragsoerhandlungen ein
Mos 6Ao zuzurufen; im übrigen müsse man bestrebt sein,
"en inneren Markt den ungarischen Erzeugnissen zu sichern
und von den auswärtigen Märkten so viel zu behalten,
möglich ist; die Mittel, mit welchen diese Ziele erreicht
werden können, werden gegebenenfalls nach den jeweiligen
^ständen zu wählen sein. Ueber diese Allgemeinheiten ging
'Vegedüs nicht hinaus.
Der Pester Lloyd sagt: Die Bülow'sche Erklärung
?ocht einen fatalen Eindruck. Wenn den Vertrags-
^shandlungen in einem solchen Tone präludiert werde,
Müßten die Hoffnungen auf die schließliche Erzielung einer
?orrnonie stark zusammenschrumpfen. Speziell die Interessen
Mgarns würden durch das Hinüberschwenken der deutschen
^gierung zu den Agrariern empfindlich getroffen; doch
W zu hoffen, die ungarische Regierung werde der Zoll-
"löhung gegenüber das Richtige thun.
Daß derartige Stimmen sich hören lassen würden, war
erwarten. Deutschland darf sich indessen in seiner Zoll-
^stik nicht von den Wünschen anderer Staaten, sondern
^ von seinen eigenen Interessen leiten lassen und
^ weisen gebieterisch auf einen stärkeren Schutz
^ Landwirtschaft hin.

Zu den Trauerfeierlichkeiten in England.
London, 30. Jan. Der König wurde, wie man
„Straßb. Post" meldet, gestern bei seiner Ankunft in
c * Hauptstadt von einer großen Volksmenge erwartet und
/kzlich begrüßt. Vergeblich spähte jedoch die Menge
unserem Kaiser aus, den ein irriges Gerücht eben-

falls aiigekündigt batte, der aber nicht vor Freitag Os
b orne verlassen wird. Mittlerweile verbreitet sich aus dem
Umkreise des Hofes hier in der Gesellschaft wie ein Lauf-
feuer die Kunde von dem außerordentlich günstigen
Eindruck, den unser Kronprinz bei allen seinen
Verwandten vom König abwärts und über diesen Kreis
hinaus auf alle Welt durch sein liebenswürdiges Wesen
und seine vortreffliche Haltung gemacht hat. Ueber die
Einzelheiten des Trauerzuges durch die Hauptstadt fehlen
auch heute noch feste Mitteilungen. Der Kaiser wird
am Montag der Beisetzung beiwohnen und voraussichtlich
am Dienstag nach Homburg zu seiner Mutter abreisen.
Es ist noch nicht bestimmt, ob die Könige Portugals,
Belgiens und Griechenlands bei dem Leichenzuge der
Königin reiten oder fahren werden und in welcher
Reihenfolge die übrigen Fürsten und Prinzen der großen
und kleineren Höfe ihren Platz in dem Zug finden werden.
Die gleichzeitige Mitarbeit der Hofbehörden des Herolds-
amtes unter dem Herzog von Norfolk und der Militärbe-
hörden ist der notwendigen schnellen Erledigung, sowie dem
glatten Jneinandergreifen gleich ungünstig. Seit ein paar
Tagen finden Vorübungen der königlichen Wagengespanne
— ein Achtgespann für den Sarg, vier Vierspänner, gegen
20 Zweispänner — in der Morgenfrühe auf dem zu
nehmenden Wege statt. Die Preise für die Plätze an
dem Wege sind bedeutend höher, als bei beiden Jubelfeiern
der verstorbenen Königin.
Der König Eduard hat mit seiner Rede bei der
Investitur des Kronprinzen mit dem Hosenband-
orden bei der ganzen öffentlichen Meinung einen ent-
schiedenen Treffer erzielt und großen Beifall ge-
erntet. In der Presse wie im Privatgespräch vernimmt
man allenthalben, daß der Monarch dabei besonders auch
in dem Wunsch für ein gutes Einvernehmen
mit Deutschland aller Welt aus der Seele
gesprochen hat. Die Artikel der Blätter laufen in der
That hauptsächlich auf eine Umschreibung seiner Worte
hinaus und jedermann freut sich augenscheinlich, daß der
König, der allerdings in Ansprachen bei öffentlichen Ge-
legenheiten vielseitige langjährige Erfahrung und unleugbare
Gewandtheit besitzt, bei dieser ersten großen Veranlassung
sicher und taktvoll das richtige Wort gefunden hat.

Deutsches Reich.
— Der General der Infanterie zur Disposition Albert
v. Rauch ist am 29. d. M. in Berlin im Alter von 72
Jahren gestorben. Derselbe war früher Commandcur des
ersten badischen Leib-Grenadier-Regiments Nr. 109, hierauf
der 41. Infanterie-Brigade und führte von 1883 bis 1888
die 19. Division in Hannover, dann wurde er zur Dis-
position gestellt.
— Die „Germania" teilt folgendes Beispiel von so-
zialdemokratischem Terrorismus mit: Am 15. Jan. d. I.
legt-n auf dem Bau Ebersstraße 16 in Schöaeberg bei
Berlin eine Anzahl Zimmerleute die Arbeit nieder, weil
der Zimmerer Johann Hoppe (Mitglied des Verbandes
christlicher Maurer und verwandte Berufe, also ein orga-
nisierter Arbeiter) auf wiederholte Aufforderung, einer der

bestehenden sozialdemokratischen Zimmerer-Organisationen
beizutreten, sich weigerte, dieser Aufforderung zu folgen.
Der Zimmercrpolier Kollekowski ließ sich aber durch die
Arbeitsniederlegung nicht dazu bewegen, den Hoppe zu ent-
lassen. Als die „Genossen" sahen, daß sie damit nichts
erreichten, nahmen sie nach zweistündigem Streik die Arbeit
wieder auf. Zimmerer Hoppe blieb auf dem Bau, und
seine sozialdemokratisch organisierten Kameraden hätten es
wohl auch dabei bewenden lassen, wenn nicht ein Mitglied
der Lohnkommisstou der sozialdemokratischen Zimmerer auf
dem Bau erschienen wäre. Dieses verlangte nun von dem
Polier ebenfalls die Entlassung des Hoppe, jedoch ebenfalls
ohne Erfolg. Daraufhin griffen die Genossen zu einem
andern Mittel, um den Hoppe arbeitslos zu machen.
Wahrscheinlich auf Verabredung leisteten nun die Genossen
bedeutend weniger, sodaß der Polier sich genötigt sah —
um der Arbeit einen bessern Fortgang zu sichern — den
Hoppe am Montag den 21. Januar zu entlassen.
Deutscher Reichstag. Berlin, 30. Jan. Der Reichs-
tag beendete die Beratung der Anträge betreffend die
Wohnungsreform, da die Erörterung in der letzten Be-
ratung bereits geschlossen war. Es erübrigten heute
noch die Schlußworte für jeden Antrag.
Abg. Mo eller - Duisburg (ntl.) sprach sür den Antrag Hieber,
wonach eine Kommission eine Wohnungsenguete veranstalten,
Wohnungsreformvorschläge prüfen, insbesondere über staatliche
und kommunale Vermittelung eines Kredits für gemeinnützige
Bangesellsch iften Vo schlüge machen soll.
Abg. Dreesbach (Soz.) befürwortele den sozialdemokratischen
Antrag Albrecht, der die Vorlegung eines Gesetzentwurfes fordert,
in dem insbesondere Normativbestimmungen bezüglich der Be-
schaffenheit der Wohnungen, Durchführung der Wohnungsinspek-
tion, Schaffung eines Reichsmohnungsamtes enthalten sind.
Abg. Eckardt (D. Volksp.) trat in seinen Schlußworten für
den Antrag Schräder ein auf Einberufung einer Kommission,
welch- die bestehenden Wohnungsverhälmisse prüfen und Vor-
schläge machen soll, ob ein Eingreifen des Reiches angezeigt wäre.
Der Antrag Albrecht wird gegen die Stimmen der Sozial-
demokraten abgelehnt. Der Antrag Hieber wird gegen die
Stimmen der Konservativen, der Reichspartei und der drei frei-
sinnigen Parteien angenommen. Der Antrag Schräder fällt
damit weg.
Es folgt die Beratung des Antrags Bergmann (sreis.
Volksp.) zur Aufhebung der Theaterzensur, den Abg.
Müller-Meiningen (freist Volksp.) begründet.
Zur Begründung des Antrages auf Aufhebung der Theater-
zensur führt Abg. M üller-Meiningen (sreis. Volksp.) aus, das
Reich sei in dieser Frage zweifellos kompetent. Den verworrenen
Zuständen auf diesem Gebiete in den verschiedenen Einzelstaaten
müsse ein Ende gemacht werde». Am schlimmsten sei die Theater-
zensur in Preußen. Redner zitiert unter vielfacher Heiterkeit des
Hanfes Mißgriffe der preußiscyen Theaterzensuc und erregt u. a.
stürmische Heiterkeit, als er ausführt, daß Engels „Ausflug ins
Sittliche" verboten worden sei, weil er die „Landwirtschaft in
lächerlichem Lichte erscheinen läßt und geeignet ist, den Zwiespalt
zwischen Land und Stadt zu verschärfen und eine solche Ver-
schärfung angesichts der Handelsverträge nicht stattstnden dürfe."
Die Lheaterzensur vergreife sich aber nicht bloß an harmlosen
Stücken, auch so ernste Stücke wie Tolstois „Macht oer Finsternis",
Björnsons „Ueber unsere Kraft" seien in einigen Orten ver-
boten worden.
Rc- ierungskommissar Geh. Rat Werner macht während der
Rede Müllers fortwährend Zwischenrufe, die sich dieser verbittet.
Vizepräsident Buestng ersucht Werner, den Redner nicht zu
unterbrechen.
Abg. Stockmann (Rp.): Der Reichstag sei in dieser Frage
nicht kompetent. Die Mängel der Zensur seien unbestritten. Es

Stadt-Theater.
st) Heidelberg, 31. Januar.
b »Josef und seine Brüder", musikalisches Drama
Mshul.
^ Eine der wehmütigsten Empfindungen im Leben ist die,
r/lche uns überkommt, wenn wir einen lieben alten
r^und aus der Jugendzeit nach langer Trennung wieder
und bald merken müssen, daß er — alt geworden,
^ die Zeit ihre Rechte an ihm geltend gemacht, daß er
tz^er recht zu uns passen will oder gar ein wenig
^isch geworden ist. Ein ähnliches Gefühl überschlich
^ ^ gestern Abend, als ich nach langer Zeit wieder ein-
jene Oper hörte, welche einst durch die schlichte Schön-
jr ihrer Melodieen. durch die ungekünstelte Einfachheit
h ^ Motive das Entzücken unserer Voreltern gewesen ist.
h ^ doch enthält dies Hauptwerk Mshuls manch treffliche
^ hervorragende Momente, die auch heute noch von
!>^ung find, Züge von meisterhafter Charakteristik, die
r»i
vif

auf den groben Gluck Hinweisen, in dessen Fuß-
Mshul mit sichtlicher Liebe wandelt. Daneben

Üj^ings auch wieder solche von einer übergroßen Naive-
Ei (ick> mit unserem jetzigen Geschmack schwer ver-
Vielleicht würde eine sorgfältige Ueberarbeitung des


ks (Ausmerzung der vielen läppischen Wiederholungen)
Rauches bessern.
drg^ie gestrige Wiederaufnahme der Oper gab Herrn Ka-
ist« W aliczek, der für den erkrankten Musikdirektor
'6 eingetreten war, Gelegenheit, sich an einer größeren

Aufgabe zu versuchen; er entledigte sich derselben mit
großem Elfer und recht gutem Erfolge. Von kleineren
Einzelheiten abgesehen, war es eine gut einstudierte Auf-
führung. Auch die Einzeldarbietungen waren im all-
gemeinen befriedigend. Die gesanglich, wie schauspielerisch
abgerundetste Leistung war die des Herm v. Keller als
Simeon, der mit jeder neuen Partie die erfreulichsten
Fortschritte aufweist. Herr Schade sang den Josef und
erfreute wieder durch den sympatischen Wohlklang seiner
Stimme, dürfte aber noch immer auf mehr Wärme in
Ton und Spiel hinarbeiten. Herr Paul gab sich
redlich Mühe die rührende Figur Jakobs entsprechend zu
gestalten. Etwas mehr Maßhalten mit seinem an sich
guten Stimmmaterial würde dem Ganzen sehr dienlich
sein. Fräulein Heiland sang den Benjamin recht brav.
Schade, daß das fortwährende Tremolieren die Wirkung
ihres Gesanges sehr beeinträchtigt. Der Chor der Brüder
unter der Führung des Herrn Runsky (Rüben) war
sehr befriedigend, wie überhaupt alle kleineren Partieen in
guten Händen lagen. Ter a oaxsIia-Chor im zweiten
Akte muß an Reinheit noch bedeutend gewinnen. DaS
Publikum, welches den „Josef" nicht mehr als Zugoper
anzusehen scheint, spendete nach allen Aktschlüssen reich-
lichen Beifall. 0. 8.
Kleine Zeitung
— Mörchingen, 30. Jan. Die „Metzer Ztg." ver-
öffentlicht folgende Nachrichten über den bereits gemeldeten

Tod des Hauptmau ns Adams: Im kameradschaft-
lichen Kreise und in frohester Stimmung geriet eine
Offiziergesellschaft auf den sportmäßigen Gedanken, die
gegenseitigen Kräfte in körperlichem Spiel, im Ringen zu
erproben. Wie so oft in solchen Fällen und bei der wohl
hoch gesteigerten Erregtheit einiger der Herren artete der
Scherz in Ernst, bei einzelnen in Exaltation aus, bis zu
dem Grade, daß im Gemenge Hauptmann Adams vom
westfälischen Infanterieregiment Nr. 17 in Mörchingen dem
Regimentsarzt Dr. Rüger, Oberstabsarzt erster Klasse im
Infanterieregiment Nr. 144 daselbst, einen Schlag versetzte.
Die Wirkung dieser Unglücksthat und was sich unmittelbar
daran knüpfte, entzieht sich der Beschreibung; doch erscheint
es selbstverständlich, daß unter den einzuleitenden Schritten
die Duellfrage in eifrige Erwägung kam. Ohne daß jedoch
das Ergebnis der einen oder anderen Allbahnungsversuche
eines Ausgleichs als im Bereich der Möglichkeit abgewartet
wurde, bemächtigt- sich am späteren Abende des Bruders
des genannten Sanitätsoffiziers, Oberleutnants Rüger vom
Infanterieregiment Nr. 17, eine derart hochgradige Auf-
regung, daß er sich, nach Einigen mit anderen Kameraden,
in die Wohnung des Hauptmanns Adams begab und ihn —
niemand weiß ob oder nach welchen Wortkämpfen — durch
einen Revolverschuß zu Boden streckte. Der Tod scheint
augenblicklich eingetreten zu fein. Hauptmann Adams war
unvermählt. Wie man die Schreckeusthat auch mit Recht
verurteilen möge, so bietet dieselbe, unbeachtet der vielerlei
Zwischenauslegungen, die man ihr ohne Unterlaß gibt,
dennoch gewissermaßen ein psychologisches Rätsel, dem
 
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