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Heidelberger Zeitung (43) — 1901 (Januar bis Juni)

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Nr. 101 - 125 (1. Mai 1901 - 31. Mai 1901)
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Samstag, 18. Mai 1901. Erstes Blatt. 43. Jahrgaug. — Ar. 115.


Erscheint täglich. Sonntags ausgenommen. — Preis mit Familienblättern monatlich 8V Pfg. frei in'S Haus gebracht, bei der Expedition und den Zweigstellen abgeholt 40'-Pfg. Durch die Post b«.
zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.
«uzeigcnpreis:20 Pfg. für die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Anschlag der Inserate auf den Plakattafeln der Heidelberger Zeitung
und den Plakatsäulen. — Fernfprech-Auschluß Nr. 82.

Der Kaiser im Reichsland.
Kurze1, 16. Mai. Heute Vormittag 10 Uhr fuhr
das Kaiserpaar mit Gefolge nach Kürzel zumGottesdienst.
Die Predigt hielt Pfarrer Hoffet. Um 11 Uhr war Besuch
des Wilhel m-V ictoriastifts. Darauf erfolgtedie
Rückfahrt nach Urville in offenem Wagen. An der
Frühstückstafel nahmen Freifrau v. Hammerftein
und Generaloberst Graf Häseler teil. Die Kaiserin fuhr
um 3 Uhr 30 Min. zum Schulhause in Kürzel, wo
sie die Kinder mit Chokolade und Kuchen bewirtete. An-
wesend waren der Bürgermeister und die Geistlichkeit
beider Konfessionen. Die Kaiserin verteilte den Kuchen
und unterhielt sich liebevoll mit den Kleinen.
Metz, 17. Mai. Der Reichskanzler ist um
2 Uhr 87 Min. hier angekommen. Er unternahm nach
seiner Ankunft eine einstündige Spazierfahrt durch die
Stadt, besuchte die Esplanade und die Kathedrale und
fuhr wieder nach dem Bahnhof zurück. Dort empfing er
Um Uhr in Gemeinschaft mit deim bereits um 12f4
Uhr angelangten Kriegsminister v. G 0 ßler den Kai-
s e r. Der Kriegsminister wurde sofort zum Vortrag
befohlen und bestieg den kaiserlichen Wagen, um mit dem
Kaiser nach Kürzel zu fahren. HeuteNachtwird
der russische Botschafter Gras Osten-
Sacken mit den Herren der russischen
Botschaft von Berlin erwartet. Morgen
wird eine große Parade der ganzen Garnison von Metz
bei Frescaty gehalten. Der Parade werden auch die
Kaiserin und der russische Botschafter mit fei-
nen Herren beiwohnen. Um 1 Uhr ist Festmahl
ZuEhren des Geburtstages des Kaisers
von Rußland im allgemeinen Offizierkasino. Um
1 Uhr 20 Min. reist der Kaiser nach Berlin ab. Die
Kaiserin fährt vom Paradeplatz nach Tournebride und
von dort direkt nach Urville, ohne Metz zu berühren.
Und wird dann von Urville nach Baden-Baden reisen.
(Daß dsir Kaiser den Geburtstag des Zaren in Metz so
demonstrativ feiert, dazu das gesamte Personal der rus-
sischen Botschaft aus Berlin nach Metz kommen läßt,
sit ein wenig auffallend, zumal der Kriegsminister und
der Reichskanzler zu der gleichen Zeit vom Kaiser nach
Netz berufen wurden, obwohl doch der Kaiser im Be-
griffe steht, nach Berlin zurückzukehren. Allerdings
K in früheren Jahren der Geburtstag des Zaren in
Niesbaden in ähnlicher Weise vom Kaiser begangen
Vwrd-ckl. Red.)

Von der Königin Draga.
Merkwürdige Nachrichten kommen aus Belgrad. Als
^vr 19. April König Alexander die neue serbische Ver-
fassung verkündete, nahm die Königin Draga an dem
Zierlichen Akte, auf einem Stuhle fitzend, teil. Der
^vnig war zärtlich um sie bemüht; man erwartete in kurzer
2eit ein für die serbische Dynastie freudiges Ereignis.
Nun stellt fick heraus, daß ein solches Ereignis zu-
^ächst durchaus nicht zu erwarten ist. Man kann sich
denken, welch ein Aufsehen diese Angelegenheit macht.
- Das „Wiener Tageblatt" erzählt, daß Draga Ma-
Wn nur Mutterfreuden vorgegeben habe, um den K ö -
^fg Alexander zu bewegen, sie zu heiraten.
Schwester der Königin habe einem Familien-
^gignis entgegengesehen und man habe die Absicht ge-

^in vereiteltes Attentat auf König Wilhelm

und Bismarck.
E, ^ In den „Tagebuchaufzeichnungen und Erinnerungen
Pastors em. L. Blaeß, weiland lothringischer
^ldinissionar und Ambulanzführer der französischen Ar-
^e", wird übm ein vereiteltes Attentat gegen König
Auheim und Bismarck nach der Schlacht bei Beaumont
Lahst: Im Hause des Notars Mansard war ein La-
NE eingerichtet; König Wilhelm wollte in Begleitung
r winarcks die dort liegenden Bayern und Franzosen
fluchen. Als Pastor Blaeß die Treppe zum ersten Stock
tzsisiufstieg, um die unumgänglichsten Anordnungen zum
Evfang des Monarchen zu treffen, während dieser und
n Eiwarck bereits im Erdgeschoß weilten, hörte dör Pa-
> si von den zu den Dienstbotenzimmern führenden
H Apen Geflüster und das Knacken eines Gewehrhahns.
vasEl Ochste verwundert stieg er leise hinauf und über-
l^We auf der Diele des oberen Treppenabsatzes zwei
ü'A verwundete französische Chasseurs auf dem Bauche
sie Isisiage liegend. Auf des Pastors Anrufen gaben
Nissisivr. ihren Entschluß kund, den König und seinen Mi-
über den Haufen zu schießen, wenn sie die Treppe
deiü liegen. Vergeblich waren die Vorstellungen von
."heil, welches die Mörder durch eins solche Tha't
do^siibeschworen. In seiner schrecklichen Lage griff
öeu Pastor zu einer List. Er beredete die Bei-
er üAß sie von diesem Platze aus nicht zielen könnten,
ue ihnen einen besseren Ort anweisen, eine Dach-
Al,-von der ans sie den König und Bismarck Lei der
sick, uwderstrecken könnten. Die Beiden gingen end-
arauf ein. Er führte den Einen, nachdem er ihn

habt, dieses Kind zu unterschieben. In Petersburg habe
man zuerst Kenntnis von der Jntrrgue gehabt. Zur
selben Zeit aber habe auch König Alexander aus
dem Munde seiner eigenen Frau erfahren, daß diese ihn
angeblich aus Liebe getäuscht habe, in der Hoff-
nung, im kritischen Augenblicke das Kind ihrer Schwester
als das ihrige unterschieben zu können. Die Ankunft des
russischen Gynäkologen, der auf Befehl des Zaren nach
Belgrad gereist sei, wie die Totgeburt der Schwester der
Königin hätten die Letztere zum Geständnis gezwungen.
König Alexander sei durch diese Mitteilung der Königin
ganz niedergeschlagen. Er soll die vor ihm auf die
Kniee gesunkene Königin keines Wortes gewürdigt und
ihr verächtlich den Rücken gekehrt haben. König Alexan-
der trage sich mit dem Gedanken, die Ehescheidung
beim Metropoliten zu beantragen. Er soll dem Zardn
selbst Mitteilung über seine traurige Entdeckung gemacht
haben.
Auch Privatbriefe aus Serbien, die dem „Berl. Lok.-
Anz." vor einigen Tagen zugegangen sind, beschäftigen
sich schon mit dieser seltsamen Angelegenheit. Auch da
wurde behauptet, daß König Alexander die Draga
Malchin nur geheiratet habe, weil sie ihm die Geburt
eines Erben in sichere Aussicht stellte. Und nun habe sich
gezeigt, daß sie nie berechtigt zu einer solchen Behaup-
tung gewesen sei. Ihr darauf bezügliches Geständnis
soll sehr ungnädig vom König ausgenommen worden
sein. In weiteren Kreisen Belgrads walte die Ansicht
vor, es könnte zur Scheidung der königlichen Ehe
kommen, ein recht prosaisches Ende des so romantisch be-
gonnenen Eheglücks.
Ein Telegramm aus Wien, 17. Mai meldet: Durch
die berufenen Aerzte wurde gestern protokolla-
risch s e st g e st e l l t, daß die Niederkunft der Kö-
niginDragavonSerbien nicht HU erwarten
stehe und es sich um einen sehr eigentümlichen
Fall handle. Es sei nicht ausgeschlossen, daß die Kö-
nigin erst im vierten Monat sich befinde. Die russischen
Aerzte und der französische! Arzt, die das Protokoll mit
unterfertigten, sind heute abgereist. Dagegen wurden
zwei neue Aerzte, die Professoren Wertheim-Wien und
Cantacuzen-Bukarest, behufs Abgabe ihrer Gutachten
berufen.
Ein halboffizielles Telegramm aus Belgrad vom 17. d.
meldet bestätigend:
Das hiesige diplomatische Korps ist in geeigneter Form
von der Thatsache verständigt worden, daß die Nieder-
kunst der Königin Draga nicht stattfinden werde.
Die arglose Mitwelt, die in dem Roman Alexander-
Draga eine einfache Liebesaffaire sah, sieht sich auf ein-
mal vor ein Jntriguen- und Lügengewebe gestellt. Die
Ueberraschung ist keine geringe.

Deutsches Reich.
— Die „Hamb. Korresp." rechnet aus, daß der so-
eben aus dem Amt geschiedene Finanzminister Dr. v.
Miguel nicht mehr als 6000 Mk. jährliche Pension
bekomme,weil er vor seiner Ernennung zum Minister
nicht im Staatsdienst, sondern bekanntlich in städtischem
Dienst, nämlich Oberbürgermeister von Frankfurt a. M,
gewesen sei, also erst 11 Jahre sich in Dienst befinde
und somit, da von dem 36 000 Mk. betragenden Mi-

das Gewehr dem Andern hatte geben lassein, unter dem
Vorwände, es könne unvermutet in dem Tasten durch den
langen finstern Gang losgehen und sie verraten, in den
Gang hinein und sperrte ihn dort rasch ein, setzte dem
Andern den Revolver auf die Brust, hieß ihn das Gewehr
wegstellen und trieb ihn, schwörend, daß er sie nicht ver-
raten werde, in das Zimmer, in das kurz daraus der
König eintrat. Nach einer Viertelstunde verließen der
König und Bismarck das Haus, ohne Ahnung von der
furchtbaren Gefahr, in der sie geschwebt hatten. Der
eine der Chasseurs starb an einem Blutsturze, der den
schwindsüchtigen Menschen infolge der Wut, in die ihn
des Pastors List versetzte, befallen hatte, der andere wurde
nach Belgien geschafft.

Kleine Zeitung.
— Wiesbaden, 16. Mai. Der 57 Jahre alte Schach-
schriftsteller Hans von Minckwitz, ein Sohn des
Leipziger Professors M., wurde gestern Abend nach
h^ll Uhr in Biebrich von der elektrischen Straßenbahn
überfahren: er wird wohl mit dem Leben davon-
kommen, obgleich ihm beide Arme amputiert
worden sind. Mitte April war Minckwitz aus dem
Asyl für Obdachlose zu Frankfurt a. M. nach
Biebrich gekommen und hat sich dort seither in einch:
Herberge niedrigsten Ranges aufgehalten. Er gab sich
als Reichsgras von Minckwitz aus, legte sich auch einen
Fürstentitel bei und behauptete, Polizeipräsident re. ge-
wesen zu sein. Man fand bei ihm eine umfangreiche Ein-
gabe an das bayerische Staatsministerium, die er von
diesem zurückerhalten hatte. Auch soll er an allerlei

nistergehalt nur 24 000 Mk. pensionsfähig sind, nur auf
oin Viertel der letzteren Summe, also 6000 Mk., An-
spruch habe. Diese Mitteilung des „Hamb. Korresp."
ist wahrscheinlich unricht ig. Denn nach dem Beam-
ten gesetz kann die Zeit, während deren ein Beamter als
Sachwalter oder Notar thätig gewesen ist oder im Ge-
meindedienste, Kirchendienste, Schuldienste, Hofdienste u.
s. w. gestanden hat, ihm bei derPensionisrung
an gerechnet werden, und ein so guter Rechner,
wie Dr. v. Mquel, wird schon dafür gesorgt haben,
als er seinerzeit in den Staatsdienst trat, daß nach dieser
Richtung hin das Entsprechende erfolgte. Im klebrigen
ist Staatsminister Miguel aber auch ein sehr wohlha-
bender Mann, dem an ein Paar tausend Mark nichts zu
liegen braucht.

Aus der Karlsruher Zeitung.
— Finanzasststent Johann Nepomuk Fischer beim Finanz-
amt Villingen wurde als Buchbalter etatmäßig angestellt.
— Dem Gewerbeschulkandidatcn Eduard Kuhn in Bühl
wurde die etatmäßtae Amtsstelle eines Gewerbelehrers an der
Gewerbeschule in Vöhrenbach übertragen.
Karlsruhe, 17. Mai. Am Himmelfahrtstag
vormittags 10 Ühr nahmen der Großherzog und
die Großherzogin an dem Gottesdienst in der
Christuskirche teil. Nachmittags um 3 Uhr fuhr der
Grotzherzog mit der Fürstin Sophie zur Lippe und der
Erbprinzessin von Anhalt nach Schwetzingen. Ihre
Königliche Hoheit die Großherzogin mußte wegen Ihrer
tiefen Trauer aus diesen Besuch leider verzichten. In
Schwetzingen eingetroffen begaben sich die beiden hohen
Fürstlichen Damen mit ihrer gesamten Umgebung in
das Grobherzogliche Schloß, während der Großherzog
aus dem Bahnhose verblieb, um mit vielen Personen zu
verkehren, welche Seine Königliche Hoheit dort erwar-
teten. Der Amtsvorstand, Oberamtmann Wendt, stellte
Seiner Königlichen Hoheit alle Staatsbeamten und Be-
zirksräte vor; der Bürgermeister, die Gemeinderäte, so-
wie eine Anzahl Jungfrauen begrüßten Seine Königliche
Hoheit den Großherzog im Wartesaal und überreichten
Blumensträuße. Vor dem Bahnhof waren die Krieger-
Vereine des Gauverbands Schwetzingen — 19 Vereine —
ausgestellt, deren Vorstände wegen eingetretenen Regens
mit vielen dekorierten Kriegsteilnehmern in den Bahnhof
berufen wurden. Die Besprechung dauerte bis gegen 8
Uhr, worauf Seine Königliche Hoheit erst durch die spa-
lierbildenden Vereine in die Stadt einfahren konnte.
Inzwischen hatte das Konzert begonnen unter Anwesen-
heit der Prinzessinnen und einer äußerst zahlreichen Ge-
sellschaft aus Karlsruhe, Mannheim, Heidelberg, Wein-
heim, Frankfurt und aus den Orten der ganzen Um-
gegend, namentlich aus der Bayerischen Pfalz. Nach
dem Konzert von halb 7 Uhr an sprach Seine Königliche
Höhest noch mit vielen Teilnehmern des Konzerts und
machte dann Mit den Prinzessinnen eine Rundfahrt durch
den Garten. Um 7 Uhr 20 Min. erfolgte die Abreise
von Schwetzingen, die Ankunft in Karlsruhe gegen 9
Uhr. Die Großherzogin hatte sich um 3 Uhr nach Baden
zum Besuch der beiden jüngsten Kinder der Kaiserin be-
geben und unternahm mit denselben teils zu Wagen, zu
Fuß und zu Esel einen vom Wetter begünstigten Ausflug
durch die Gartenanlagen des Schloßberges in den an-
grenzenden Wald. Darnach machte Ihre Königliche
Hoheit noch einige Besuche und kehrte dann hierher zu-
rück. Heute Vormittag von 10 Uhr an nahm der Groß-

sonstige Personen vonRang Gesuche gerichtet haben; kürz-
lich stellte die Wiesbadener Polizei Ermittelungen über
ihr: an. Offenbar hat M. seinem verfehlten Leben
gestern selbst ein Ende machen wollen und dazu die Strecke
auf der neuen, noch völlig unausgebauten und von Fuß-
gängern während der Dunkelheit kaum benutzbaren
Gartenstraße gewählt. Der Wagenführer sah plötzlich
so dicht vor sich auf den Schienen einen Mann sitzen, daß
Bremsen nicht mehr möglich war. Die elektrischen Wagen
auf der Wiesbaden-Biebricher Strecke führen kellnen
Scheinwerfer an der Stirnseite, sonst wäre das UnglüÄ
vermutlich zu verhindern gewesen.
— Dortmund, 17. Mai. Das Schöffengericht
verurteilte den ehemaligen Abgeordneten Dr. Lüt-
ge n a u wegen Betrugs zu 14 Tagen Gefängnis.
— Eine hübsche Bemerkung machte der Kaiser einigen
Damen gegenüber aus der Bonner Rhcinfabrt. Der kaiser-
liche Borussenphilister nahm da den jungen Fuchsen-Kron-
prinz in den Arm. klopfte ihm kräftig auf die Schulter
und sagte zu den Damen gewendet: „Nehmen Sie sich
meines Jungen an, meine Damen, einen Mann können
nur Frauen erzieben."
— Wien, 17. Mai. Gestern sind zwei Wiener Pri-
vatbeamte, Schranzenhofer und Kollarz, vom Peilstein
bei Neuhaus (Niederösterreich) beim Abstieg aneinander-
geseilt abgestürzt und blieben mit zerschmetterten^
Gliedern tot.
— Teure Seefahrt. Der augenblicklich viel ermahnte
Führer des amerikanischen Stahltrustes. Mx. Pjerpont-
Morgane plant gegenwärtig den Bau zweies großer Luxus-
Ozeandampfer, aus denen ganze Zim-^-^chten gegen ent-
 
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